Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

wie Aristoteles befohlen, mit sich selbst zufrieden zu seyn. Ein gewandter Schachspieler ist immer davon überzeugt, daß in ihm ein Napoleon steckt, der Alles zur Räson bringen würde, wenn man ihm nur die Macht ließe, so zu handeln, wie er denkt, nämlich denkt in der indischen Weisheit des Schachspiels. Schachspieler sind sehr für sich eingenommen, und will ich auch gar nicht bestreiten, daß sie wenigstens in der Mathematik das leisten könnten, was sie glauben in allen Wissenschaften leisten zu können. Weibliche Schachspieler finden sich nicht minder, wie es sogar Damen gibt, die die Violine spielen. Das sind immer kühne Naturen und würden nicht nur für die Emanzipation der Weiber kämpfen, sondern auch gar kein Bedenken tragen, ihr Jahrhundert, wenn sich die Gelegenheit fände, in die Schranken zu rufen.

Den Tanz hielten die Alten für eine Huldigung Gottes, heutige Zeloten für eine Huldigung des Satans. Obschon die Alten von dem Tanz eine so hohe Meinung hatten, so überließen sie es doch nur den Sklaven und Jahrmarktsgauklern, zu tanzen, wie jezt die Türken ihren Sklavinnen, während ihre Herren dabei die Pfeife rauchen. Für den Tanz kann man jezt nur noch junge Leute ermuntern. Die Aelteren ermuntern sie gern, weil sie annehmen, daß Ecossaisen, Anglaisen und Franzaisen an die Stelle der gymnastischen Uebungen getreten sind,

wie Aristoteles befohlen, mit sich selbst zufrieden zu seyn. Ein gewandter Schachspieler ist immer davon überzeugt, daß in ihm ein Napoleon steckt, der Alles zur Räson bringen würde, wenn man ihm nur die Macht ließe, so zu handeln, wie er denkt, nämlich denkt in der indischen Weisheit des Schachspiels. Schachspieler sind sehr für sich eingenommen, und will ich auch gar nicht bestreiten, daß sie wenigstens in der Mathematik das leisten könnten, was sie glauben in allen Wissenschaften leisten zu können. Weibliche Schachspieler finden sich nicht minder, wie es sogar Damen gibt, die die Violine spielen. Das sind immer kühne Naturen und würden nicht nur für die Emanzipation der Weiber kämpfen, sondern auch gar kein Bedenken tragen, ihr Jahrhundert, wenn sich die Gelegenheit fände, in die Schranken zu rufen.

Den Tanz hielten die Alten für eine Huldigung Gottes, heutige Zeloten für eine Huldigung des Satans. Obschon die Alten von dem Tanz eine so hohe Meinung hatten, so überließen sie es doch nur den Sklaven und Jahrmarktsgauklern, zu tanzen, wie jezt die Türken ihren Sklavinnen, während ihre Herren dabei die Pfeife rauchen. Für den Tanz kann man jezt nur noch junge Leute ermuntern. Die Aelteren ermuntern sie gern, weil sie annehmen, daß Ecossaisen, Anglaisen und Franzaisen an die Stelle der gymnastischen Uebungen getreten sind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="39"/>
wie <hi rendition="#g">Aristoteles</hi> befohlen, mit sich selbst zufrieden zu seyn. Ein gewandter Schachspieler ist immer davon überzeugt, daß in ihm ein Napoleon steckt, der Alles zur Räson bringen würde, wenn man ihm nur die Macht ließe, so zu handeln, wie er denkt, nämlich denkt in der indischen Weisheit des Schachspiels. Schachspieler sind sehr für sich eingenommen, und will ich auch gar nicht bestreiten, daß sie wenigstens in der Mathematik das leisten könnten, was sie glauben in allen Wissenschaften leisten zu können. Weibliche Schachspieler finden sich nicht minder, wie es sogar Damen gibt, die die Violine spielen. Das sind immer kühne Naturen und würden nicht nur für die Emanzipation der Weiber kämpfen, sondern auch gar kein Bedenken tragen, ihr Jahrhundert, wenn sich die Gelegenheit fände, in die Schranken zu rufen.</p>
        <p>Den Tanz hielten die Alten für eine Huldigung Gottes, heutige Zeloten für eine Huldigung des Satans. Obschon die Alten von dem Tanz eine so hohe Meinung hatten, so überließen sie es doch nur den Sklaven und Jahrmarktsgauklern, zu tanzen, wie jezt die Türken ihren Sklavinnen, während ihre Herren dabei die Pfeife rauchen. Für den Tanz kann man jezt nur noch junge Leute ermuntern. Die Aelteren ermuntern sie gern, weil sie annehmen, daß Ecossaisen, Anglaisen und Franzaisen an die Stelle der gymnastischen Uebungen getreten sind,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0041] wie Aristoteles befohlen, mit sich selbst zufrieden zu seyn. Ein gewandter Schachspieler ist immer davon überzeugt, daß in ihm ein Napoleon steckt, der Alles zur Räson bringen würde, wenn man ihm nur die Macht ließe, so zu handeln, wie er denkt, nämlich denkt in der indischen Weisheit des Schachspiels. Schachspieler sind sehr für sich eingenommen, und will ich auch gar nicht bestreiten, daß sie wenigstens in der Mathematik das leisten könnten, was sie glauben in allen Wissenschaften leisten zu können. Weibliche Schachspieler finden sich nicht minder, wie es sogar Damen gibt, die die Violine spielen. Das sind immer kühne Naturen und würden nicht nur für die Emanzipation der Weiber kämpfen, sondern auch gar kein Bedenken tragen, ihr Jahrhundert, wenn sich die Gelegenheit fände, in die Schranken zu rufen. Den Tanz hielten die Alten für eine Huldigung Gottes, heutige Zeloten für eine Huldigung des Satans. Obschon die Alten von dem Tanz eine so hohe Meinung hatten, so überließen sie es doch nur den Sklaven und Jahrmarktsgauklern, zu tanzen, wie jezt die Türken ihren Sklavinnen, während ihre Herren dabei die Pfeife rauchen. Für den Tanz kann man jezt nur noch junge Leute ermuntern. Die Aelteren ermuntern sie gern, weil sie annehmen, daß Ecossaisen, Anglaisen und Franzaisen an die Stelle der gymnastischen Uebungen getreten sind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/41
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/41>, abgerufen am 29.04.2024.