Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.wird, uns gemahnen dürfte, wie wir jezt eine Tragödie von Racine lesen, prächtige und wallende Conceptionen, bauschiger Redeprunk, die feinsten, praktischen, großblumigen Bemerkungen, schmeichelnd einen neuen Louis quatorze, der Volkssouveränität, fertig und abgerundet in Form, Haltung und System. Es gibt Heroen, es gibt Kleinmeister des Liberalismus. Der gottbegeisterte Schmelz einer Athalie sinkt herab zur Verknöcherung eines Gottsched'schen Dramas. Wir erleben überall mit dem Liberalismus dasselbe. Wir finden, daß er begeistert, daß er die Religion von Millionen ist; wir finden aber auch zugleich, daß er nicht von Seiten der Conservative, sondern gerade sogar von der dem Neuen mit ganzer Seele hingegebenen Partei des Fortschrittes schon als nüchtern, vertrocknet und das Gemüth auf keine Weise mit frischem Thau befeuchtend zurückgewiesen wird. Wir stehen in der Politik gerade da, wo wir im vorigen Jahrhundert mit der Literatur standen. Wir schreiben unsere Bremer Beiträge, wir bekämpfen die einseitige Erstarrung der Theorien, wir verwerfen jede feudalistische Reaktion, jede Lotterei im Gebiete des Schönen und Wahren, wir bekämpfen aber auch das, was sich als das Neueste vom Jahre ausgibt, den schematisirenden, papiernen Constitutionalismus unserer Zeit, eine Manier des Fortschrittes, die sich schon längst wieder innerhalb der Schranken der einseitigsten Pedanterei bewegt. Das Neue wollen und Gottsched wird, uns gemahnen dürfte, wie wir jezt eine Tragödie von Racine lesen, prächtige und wallende Conceptionen, bauschiger Redeprunk, die feinsten, praktischen, großblumigen Bemerkungen, schmeichelnd einen neuen Louis quatorze, der Volkssouveränität, fertig und abgerundet in Form, Haltung und System. Es gibt Heroen, es gibt Kleinmeister des Liberalismus. Der gottbegeisterte Schmelz einer Athalie sinkt herab zur Verknöcherung eines Gottsched’schen Dramas. Wir erleben überall mit dem Liberalismus dasselbe. Wir finden, daß er begeistert, daß er die Religion von Millionen ist; wir finden aber auch zugleich, daß er nicht von Seiten der Conservative, sondern gerade sogar von der dem Neuen mit ganzer Seele hingegebenen Partei des Fortschrittes schon als nüchtern, vertrocknet und das Gemüth auf keine Weise mit frischem Thau befeuchtend zurückgewiesen wird. Wir stehen in der Politik gerade da, wo wir im vorigen Jahrhundert mit der Literatur standen. Wir schreiben unsere Bremer Beiträge, wir bekämpfen die einseitige Erstarrung der Theorien, wir verwerfen jede feudalistische Reaktion, jede Lotterei im Gebiete des Schönen und Wahren, wir bekämpfen aber auch das, was sich als das Neueste vom Jahre ausgibt, den schematisirenden, papiernen Constitutionalismus unserer Zeit, eine Manier des Fortschrittes, die sich schon längst wieder innerhalb der Schranken der einseitigsten Pedanterei bewegt. Das Neue wollen und Gottsched <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0408" n="406"/> wird, uns gemahnen dürfte, wie wir jezt eine Tragödie von Racine lesen, prächtige und wallende Conceptionen, bauschiger Redeprunk, die feinsten, praktischen, großblumigen Bemerkungen, schmeichelnd einen neuen <hi rendition="#aq">Louis quatorze</hi>, der Volkssouveränität, fertig und abgerundet in Form, Haltung und System. Es gibt Heroen, es gibt Kleinmeister des Liberalismus. Der gottbegeisterte Schmelz einer Athalie sinkt herab zur Verknöcherung eines <hi rendition="#g">Gottsched</hi>’schen Dramas. Wir erleben überall mit dem Liberalismus dasselbe. Wir finden, daß er begeistert, daß er die Religion von Millionen ist; wir finden aber auch zugleich, daß er nicht von Seiten der Conservative, sondern gerade sogar von der dem Neuen mit ganzer Seele hingegebenen Partei des Fortschrittes schon als nüchtern, vertrocknet und das Gemüth auf keine Weise mit frischem Thau befeuchtend zurückgewiesen wird. Wir stehen in der Politik gerade da, wo wir im vorigen Jahrhundert mit der Literatur standen. Wir schreiben unsere Bremer Beiträge, wir bekämpfen die einseitige Erstarrung der Theorien, wir verwerfen jede feudalistische Reaktion, jede Lotterei im Gebiete des Schönen und Wahren, wir bekämpfen aber auch das, was sich als das Neueste vom Jahre ausgibt, den schematisirenden, papiernen Constitutionalismus unserer Zeit, eine Manier des Fortschrittes, die sich schon längst wieder innerhalb der Schranken der einseitigsten Pedanterei bewegt. Das Neue wollen und <hi rendition="#g">Gottsched</hi> </p> </div> </body> </text> </TEI> [406/0408]
wird, uns gemahnen dürfte, wie wir jezt eine Tragödie von Racine lesen, prächtige und wallende Conceptionen, bauschiger Redeprunk, die feinsten, praktischen, großblumigen Bemerkungen, schmeichelnd einen neuen Louis quatorze, der Volkssouveränität, fertig und abgerundet in Form, Haltung und System. Es gibt Heroen, es gibt Kleinmeister des Liberalismus. Der gottbegeisterte Schmelz einer Athalie sinkt herab zur Verknöcherung eines Gottsched’schen Dramas. Wir erleben überall mit dem Liberalismus dasselbe. Wir finden, daß er begeistert, daß er die Religion von Millionen ist; wir finden aber auch zugleich, daß er nicht von Seiten der Conservative, sondern gerade sogar von der dem Neuen mit ganzer Seele hingegebenen Partei des Fortschrittes schon als nüchtern, vertrocknet und das Gemüth auf keine Weise mit frischem Thau befeuchtend zurückgewiesen wird. Wir stehen in der Politik gerade da, wo wir im vorigen Jahrhundert mit der Literatur standen. Wir schreiben unsere Bremer Beiträge, wir bekämpfen die einseitige Erstarrung der Theorien, wir verwerfen jede feudalistische Reaktion, jede Lotterei im Gebiete des Schönen und Wahren, wir bekämpfen aber auch das, was sich als das Neueste vom Jahre ausgibt, den schematisirenden, papiernen Constitutionalismus unserer Zeit, eine Manier des Fortschrittes, die sich schon längst wieder innerhalb der Schranken der einseitigsten Pedanterei bewegt. Das Neue wollen und Gottsched
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