Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.vorzuarbeiten. Der öffentliche Wissenstrieb wird von Frankreichs schlaff gewordenen Brüsten loslassen und sich einer Nahrungsquelle zuwenden, welche gesunder Kraftmittheilung die reichste Fülle hat. Geben wir auf England Acht! Es läßt von seinen Eroberungen im Bereiche politischer Aufklärung nichts mehr fahren, im Jahre 1837 nicht, und auch später nicht. Wir steigen jezt, nachdem wir von Frankreich und England zu sprechen aufgehört haben, zu Fragen hinunter, die weniger dem Jahrhundert als dem mehr oder weniger bedrängten Augenblicke angehören. Leider sehen wir und haben zu allen Zeiten in der Geschichte gesehen, daß da, wo das Unwichtigste entschieden wurde, die meisten Anstrengungen gemacht wurden. Die Reformation machte sich durch Disputationen, der dreißigjährige Krieg, der sie besiegeln sollte, schadete ihr mehr, als er ihr nuzte. Da, wo das meiste Blut floß, stand selten ein für die Geschichte wichtiges Leben auf dem Spiele. So war es zur Zeit Roms, zur Zeit der Völkerwanderung; so war es unter Napoleon, der dem Ewigen in der Geschichte und in der Menschenbrust durch seine Schlachtfelder gar nichts genüzt hat; so ist es noch jezt. Der Krieg auf der pyrenäischen Halbinsel kann kaum noch als ein Krieg der Grundsätze betrachtet werden, und wenn dies vielleicht auch mehr oder weniger, so doch niemals, als eine Entscheidung derselben. Der spanische Krieg handelt sich um eine Erbschaft. Don Carlos muß vorzuarbeiten. Der öffentliche Wissenstrieb wird von Frankreichs schlaff gewordenen Brüsten loslassen und sich einer Nahrungsquelle zuwenden, welche gesunder Kraftmittheilung die reichste Fülle hat. Geben wir auf England Acht! Es läßt von seinen Eroberungen im Bereiche politischer Aufklärung nichts mehr fahren, im Jahre 1837 nicht, und auch später nicht. Wir steigen jezt, nachdem wir von Frankreich und England zu sprechen aufgehört haben, zu Fragen hinunter, die weniger dem Jahrhundert als dem mehr oder weniger bedrängten Augenblicke angehören. Leider sehen wir und haben zu allen Zeiten in der Geschichte gesehen, daß da, wo das Unwichtigste entschieden wurde, die meisten Anstrengungen gemacht wurden. Die Reformation machte sich durch Disputationen, der dreißigjährige Krieg, der sie besiegeln sollte, schadete ihr mehr, als er ihr nuzte. Da, wo das meiste Blut floß, stand selten ein für die Geschichte wichtiges Leben auf dem Spiele. So war es zur Zeit Roms, zur Zeit der Völkerwanderung; so war es unter Napoleon, der dem Ewigen in der Geschichte und in der Menschenbrust durch seine Schlachtfelder gar nichts genüzt hat; so ist es noch jezt. Der Krieg auf der pyrenäischen Halbinsel kann kaum noch als ein Krieg der Grundsätze betrachtet werden, und wenn dies vielleicht auch mehr oder weniger, so doch niemals, als eine Entscheidung derselben. Der spanische Krieg handelt sich um eine Erbschaft. Don Carlos muß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0416" n="414"/> vorzuarbeiten. Der öffentliche Wissenstrieb wird von Frankreichs schlaff gewordenen Brüsten loslassen und sich einer Nahrungsquelle zuwenden, welche gesunder Kraftmittheilung die reichste Fülle hat. Geben wir auf England Acht! Es läßt von seinen Eroberungen im Bereiche politischer Aufklärung nichts mehr fahren, im Jahre 1837 nicht, und auch später nicht.</p> <p>Wir steigen jezt, nachdem wir von Frankreich und England zu sprechen aufgehört haben, zu Fragen hinunter, die weniger dem Jahrhundert als dem mehr oder weniger bedrängten Augenblicke angehören. Leider sehen wir und haben zu allen Zeiten in der Geschichte gesehen, daß da, wo das Unwichtigste entschieden wurde, die meisten Anstrengungen gemacht wurden. Die Reformation machte sich durch Disputationen, der dreißigjährige Krieg, der sie besiegeln sollte, schadete ihr mehr, als er ihr nuzte. Da, wo das meiste Blut floß, stand selten ein für die Geschichte wichtiges Leben auf dem Spiele. So war es zur Zeit Roms, zur Zeit der Völkerwanderung; so war es unter <hi rendition="#g">Napoleon</hi>, der dem Ewigen in der Geschichte und in der Menschenbrust durch seine Schlachtfelder gar nichts genüzt hat; so ist es noch jezt. Der Krieg auf der pyrenäischen Halbinsel kann kaum noch als ein Krieg der Grundsätze betrachtet werden, und wenn dies vielleicht auch mehr oder weniger, so doch niemals, als eine Entscheidung derselben. Der spanische Krieg handelt sich um eine Erbschaft. <hi rendition="#g">Don Carlos</hi> muß </p> </div> </body> </text> </TEI> [414/0416]
vorzuarbeiten. Der öffentliche Wissenstrieb wird von Frankreichs schlaff gewordenen Brüsten loslassen und sich einer Nahrungsquelle zuwenden, welche gesunder Kraftmittheilung die reichste Fülle hat. Geben wir auf England Acht! Es läßt von seinen Eroberungen im Bereiche politischer Aufklärung nichts mehr fahren, im Jahre 1837 nicht, und auch später nicht.
Wir steigen jezt, nachdem wir von Frankreich und England zu sprechen aufgehört haben, zu Fragen hinunter, die weniger dem Jahrhundert als dem mehr oder weniger bedrängten Augenblicke angehören. Leider sehen wir und haben zu allen Zeiten in der Geschichte gesehen, daß da, wo das Unwichtigste entschieden wurde, die meisten Anstrengungen gemacht wurden. Die Reformation machte sich durch Disputationen, der dreißigjährige Krieg, der sie besiegeln sollte, schadete ihr mehr, als er ihr nuzte. Da, wo das meiste Blut floß, stand selten ein für die Geschichte wichtiges Leben auf dem Spiele. So war es zur Zeit Roms, zur Zeit der Völkerwanderung; so war es unter Napoleon, der dem Ewigen in der Geschichte und in der Menschenbrust durch seine Schlachtfelder gar nichts genüzt hat; so ist es noch jezt. Der Krieg auf der pyrenäischen Halbinsel kann kaum noch als ein Krieg der Grundsätze betrachtet werden, und wenn dies vielleicht auch mehr oder weniger, so doch niemals, als eine Entscheidung derselben. Der spanische Krieg handelt sich um eine Erbschaft. Don Carlos muß
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/416>, abgerufen am 17.07.2024. |