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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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hatten im vorigen Jahrhundert alle gelesen; für die Zärtlichkeit waren alle Herzen geebnet. Jezt scheint es, als erzeugte (wenigstens die Literatur) nur ein Verhärten der Herzen und ein Abstoßen der sich einschmeichelnden Neigungen. Dem Leben, wie es sich jezt äußert, kommt die Erregung der bloßen Verstandesreflexion und des nüchternen Witzes auf halbem Weg entgegen; denn wir sind weit entfernt, durch diese so vorherrschend gewordenen Springfedern unseres öffentlichen Lebens für den Kultus angenehmer und den kleinen Roman des Herzens zur Weltgeschichte ausdehnender Situationen empfänglich zu werden. Die Liebe fehlt den Herzen nicht, allein sie hat an Ausdauer, Kraft und Stolz verloren; sie schmiegt sich in unzählig öfteren Fällen den Rücksichten an, als früher, sie duldet vielleicht mehr, als ehemals, allein auch an Muth hat sie verloren. Diese Erscheinung war vorauszusehen. Seitdem das Familienleben nur in einen engen Winkel des Hauses zurückgedrängt ist, und die großen Fragen der Geschichte und Tendenzen die edelsten Stoffe in den Gemüthern der Männer absorbirt haben, verloren die Frauen das Vertrauen auf ihre Empfindungen und wagten wenigstens nicht mehr, wie in frühern Zeiten, sich für den Mittelpunkt der Gesellschaft zu halten. Ein großer Theil unsrer heutigen Ehen wird gedankenlos geschlossen: ein größerer kömmt durch Meinungen zusammen, die sich mit der zufälligen Wahl bald zufrieden

hatten im vorigen Jahrhundert alle gelesen; für die Zärtlichkeit waren alle Herzen geebnet. Jezt scheint es, als erzeugte (wenigstens die Literatur) nur ein Verhärten der Herzen und ein Abstoßen der sich einschmeichelnden Neigungen. Dem Leben, wie es sich jezt äußert, kommt die Erregung der bloßen Verstandesreflexion und des nüchternen Witzes auf halbem Weg entgegen; denn wir sind weit entfernt, durch diese so vorherrschend gewordenen Springfedern unseres öffentlichen Lebens für den Kultus angenehmer und den kleinen Roman des Herzens zur Weltgeschichte ausdehnender Situationen empfänglich zu werden. Die Liebe fehlt den Herzen nicht, allein sie hat an Ausdauer, Kraft und Stolz verloren; sie schmiegt sich in unzählig öfteren Fällen den Rücksichten an, als früher, sie duldet vielleicht mehr, als ehemals, allein auch an Muth hat sie verloren. Diese Erscheinung war vorauszusehen. Seitdem das Familienleben nur in einen engen Winkel des Hauses zurückgedrängt ist, und die großen Fragen der Geschichte und Tendenzen die edelsten Stoffe in den Gemüthern der Männer absorbirt haben, verloren die Frauen das Vertrauen auf ihre Empfindungen und wagten wenigstens nicht mehr, wie in frühern Zeiten, sich für den Mittelpunkt der Gesellschaft zu halten. Ein großer Theil unsrer heutigen Ehen wird gedankenlos geschlossen: ein größerer kömmt durch Meinungen zusammen, die sich mit der zufälligen Wahl bald zufrieden

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[42/0044] hatten im vorigen Jahrhundert alle gelesen; für die Zärtlichkeit waren alle Herzen geebnet. Jezt scheint es, als erzeugte (wenigstens die Literatur) nur ein Verhärten der Herzen und ein Abstoßen der sich einschmeichelnden Neigungen. Dem Leben, wie es sich jezt äußert, kommt die Erregung der bloßen Verstandesreflexion und des nüchternen Witzes auf halbem Weg entgegen; denn wir sind weit entfernt, durch diese so vorherrschend gewordenen Springfedern unseres öffentlichen Lebens für den Kultus angenehmer und den kleinen Roman des Herzens zur Weltgeschichte ausdehnender Situationen empfänglich zu werden. Die Liebe fehlt den Herzen nicht, allein sie hat an Ausdauer, Kraft und Stolz verloren; sie schmiegt sich in unzählig öfteren Fällen den Rücksichten an, als früher, sie duldet vielleicht mehr, als ehemals, allein auch an Muth hat sie verloren. Diese Erscheinung war vorauszusehen. Seitdem das Familienleben nur in einen engen Winkel des Hauses zurückgedrängt ist, und die großen Fragen der Geschichte und Tendenzen die edelsten Stoffe in den Gemüthern der Männer absorbirt haben, verloren die Frauen das Vertrauen auf ihre Empfindungen und wagten wenigstens nicht mehr, wie in frühern Zeiten, sich für den Mittelpunkt der Gesellschaft zu halten. Ein großer Theil unsrer heutigen Ehen wird gedankenlos geschlossen: ein größerer kömmt durch Meinungen zusammen, die sich mit der zufälligen Wahl bald zufrieden

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/44>, abgerufen am 21.11.2024.