Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.wenn die Gewaltthätigkeit, die im englischen Charakter liegt, einen Abfluß finden mußte. Verlor sie sich aus den politischen Beziehungen, so mußte sie sich da erhalten und häufen sogar, wo die Freiheit verscherzt war, nämlich verscherzt durch Verbrechen. Nicht, daß mit Absicht die Strenge unserer Kriminalgesetze erhöht wurde, daß sich die Todtenrichter in weißen Mänteln hinsezten und an jedes Verbrechen ein Blutzeichen malten, sondern die alte Barbarei erhielt sich nur. Die alten Mißbräuche wurden in einem Gebiete, wo nur die Elenden darunter zu leiden hatten, unverbessert gelassen. Wer sich um sein Recht als Bürger bringt, dachten die Alten, haben wir da eine Pflicht, wenigstens das Menschliche noch zu bedenken? So blieb mitten in den Fortschritten unsres geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens eine barbarische Gesetzgebung in England zurück, die alle gewaltthätigen Spuren der früheren englischen Geschichte trägt, die der treueste Ausdruck des dem englischen Charakter eingepflanzten rohen und wilden Geistes ist und gleichsam eine dauernde Rache zu seyn scheint für die viele blutige Unbill, welche die Edlen und Guten von dem Uebermuth der Aristokratie und der Grausamkeit der frühern erblichen Monarchie in England zu dulden hatten. Den englischen Rechtsgelehrten liegen die Mängel der Prozeßordnung, die Rechtlosigkeiten im Rechte, die Verstöße gegen die Humanität in der Kriminalgesetzgebung offen vor Augen. Allein die wenn die Gewaltthätigkeit, die im englischen Charakter liegt, einen Abfluß finden mußte. Verlor sie sich aus den politischen Beziehungen, so mußte sie sich da erhalten und häufen sogar, wo die Freiheit verscherzt war, nämlich verscherzt durch Verbrechen. Nicht, daß mit Absicht die Strenge unserer Kriminalgesetze erhöht wurde, daß sich die Todtenrichter in weißen Mänteln hinsezten und an jedes Verbrechen ein Blutzeichen malten, sondern die alte Barbarei erhielt sich nur. Die alten Mißbräuche wurden in einem Gebiete, wo nur die Elenden darunter zu leiden hatten, unverbessert gelassen. Wer sich um sein Recht als Bürger bringt, dachten die Alten, haben wir da eine Pflicht, wenigstens das Menschliche noch zu bedenken? So blieb mitten in den Fortschritten unsres geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens eine barbarische Gesetzgebung in England zurück, die alle gewaltthätigen Spuren der früheren englischen Geschichte trägt, die der treueste Ausdruck des dem englischen Charakter eingepflanzten rohen und wilden Geistes ist und gleichsam eine dauernde Rache zu seyn scheint für die viele blutige Unbill, welche die Edlen und Guten von dem Uebermuth der Aristokratie und der Grausamkeit der frühern erblichen Monarchie in England zu dulden hatten. Den englischen Rechtsgelehrten liegen die Mängel der Prozeßordnung, die Rechtlosigkeiten im Rechte, die Verstöße gegen die Humanität in der Kriminalgesetzgebung offen vor Augen. Allein die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="88"/> wenn die Gewaltthätigkeit, die im englischen Charakter liegt, einen Abfluß finden mußte. Verlor sie sich aus den politischen Beziehungen, so mußte sie sich da erhalten und häufen sogar, wo die Freiheit verscherzt war, nämlich verscherzt durch Verbrechen. Nicht, daß mit Absicht die Strenge unserer Kriminalgesetze erhöht wurde, daß sich die Todtenrichter in weißen Mänteln hinsezten und an jedes Verbrechen ein Blutzeichen malten, sondern die alte Barbarei <hi rendition="#g">erhielt</hi> sich nur. Die alten Mißbräuche wurden in einem Gebiete, wo nur die Elenden darunter zu leiden hatten, unverbessert gelassen. Wer sich um sein Recht als Bürger bringt, dachten die Alten, haben wir da eine Pflicht, wenigstens das Menschliche noch zu bedenken? So blieb mitten in den Fortschritten unsres geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens eine barbarische Gesetzgebung in England zurück, die alle gewaltthätigen Spuren der früheren englischen Geschichte trägt, die der treueste Ausdruck des dem englischen Charakter eingepflanzten rohen und wilden Geistes ist und gleichsam eine dauernde Rache zu seyn scheint für die viele blutige Unbill, welche die Edlen und Guten von dem Uebermuth der Aristokratie und der Grausamkeit der frühern erblichen Monarchie in England zu dulden hatten.</p> <p>Den englischen Rechtsgelehrten liegen die Mängel der Prozeßordnung, die <hi rendition="#g">Rechtlosigkeiten</hi> im <hi rendition="#g">Rechte</hi>, die Verstöße gegen die Humanität in der Kriminalgesetzgebung offen vor Augen. Allein die </p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0090]
wenn die Gewaltthätigkeit, die im englischen Charakter liegt, einen Abfluß finden mußte. Verlor sie sich aus den politischen Beziehungen, so mußte sie sich da erhalten und häufen sogar, wo die Freiheit verscherzt war, nämlich verscherzt durch Verbrechen. Nicht, daß mit Absicht die Strenge unserer Kriminalgesetze erhöht wurde, daß sich die Todtenrichter in weißen Mänteln hinsezten und an jedes Verbrechen ein Blutzeichen malten, sondern die alte Barbarei erhielt sich nur. Die alten Mißbräuche wurden in einem Gebiete, wo nur die Elenden darunter zu leiden hatten, unverbessert gelassen. Wer sich um sein Recht als Bürger bringt, dachten die Alten, haben wir da eine Pflicht, wenigstens das Menschliche noch zu bedenken? So blieb mitten in den Fortschritten unsres geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens eine barbarische Gesetzgebung in England zurück, die alle gewaltthätigen Spuren der früheren englischen Geschichte trägt, die der treueste Ausdruck des dem englischen Charakter eingepflanzten rohen und wilden Geistes ist und gleichsam eine dauernde Rache zu seyn scheint für die viele blutige Unbill, welche die Edlen und Guten von dem Uebermuth der Aristokratie und der Grausamkeit der frühern erblichen Monarchie in England zu dulden hatten.
Den englischen Rechtsgelehrten liegen die Mängel der Prozeßordnung, die Rechtlosigkeiten im Rechte, die Verstöße gegen die Humanität in der Kriminalgesetzgebung offen vor Augen. Allein die
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/90>, abgerufen am 16.02.2025. |