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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Organismen und Anorgane.
organischen Materien wurde früherhin oftmals hervorgehoben, dass die
letzteren, dem Einflusse des Lebens entzogen, alsbald "faulen", sich "spon-
tan zersetzen", während die ersteren dieses nicht thun. Allerdings ist es
richtig, dass die meisten verwickelteren Kohlenstoff-Verbindungen längere
oder kürzere Zeit nach dem Tode des Organismus "verfaulen", sich unter
Fäulniss zersetzen und in die einfacheren binären Verbindungen auflösen.
Indess gilt dies erstens nicht von allen, und zweitens sagt diese Thatsache
weiter nichts aus, als dass diese faulenden organischen Substanzen, ihrer
natürlichen Wahlverwandtschaft gemäss, Zersetzungsprocesse und Verbin-
dungen mit den umgebenden Medien (Sauerstoff der atmosphärischen Luft,
des Wassers etc.) eingehen, an deren Eintritt sie während des Lebens
durch die stärkeren anderweitigen Wahlverwandtschaften gehindert wurden,
welche die eingeführten Nahrungsmittel ausübten. Ganz ebenso wie die
meisten organischen Verbindungen zersetzen sich an der Luft oder im
Wasser auch viele anorganische Verbindungen, welche "verwittern", wie
z. B. viele Salze.

Fassen wir die allgemeinsten und wichtigsten Resultate, welche uns
diese Vergleichung der organischen und anorganischen Verbindungen liefert,
kurz zusammen, so kommen wir zu folgenden, wichtigen Resultaten: Sämmt-
liche in den Organismen vorkommende chemische Elemente kommen auch
ausserhalb in der anorganischen Natur vor. In sämmtlichen Organismen
kommen sowohl einfache (binäre) Verbindungen dieser Elemente vor, wie
in den Anorganen, als auch daneben zusammengesetztere Kohlenstoff-Ver-
bindungen (ternäre und quaternäre Verbindungen), welche der Kohlenstoff
gewöhnlich in der anorganischen Natur nicht zu bilden scheint. Dass die-
selben jedoch sich hier ebenfalls, ohne jeden Einfluss des "Lebens", bilden
können, geht daraus hervor, dass wir dieselben rein künstlich aus einfacheren
Verbindungen und Elementen zusammensetzen können. Die Fäulniss der
Organismen ist ein einfacher Zersetzungsprocess und erfolgt nach den Ge-
setzen der chemischen Wahlverwandtschaft, welche die gesammte organische
und anorganische Materie gleicherweise unbedingt beherrschen.

I) 4. Aggregatzustände der organischen und anorganischen
Materien.

Unter Aggregatzustand der Naturkörper verstehen wir den
Grad der Entfernung und der dadurch bedingten relativen
Beweglichkeit ihrer Massen-Atome.
Die Differenzen der Aggre-
gatzustände beruhen lediglich auf der Verschiedenheit der Entfer-
nungen der Atome von einander, welche durch die Wechselwirkung
zwischen der Cohäsions-Kraft der Atome und der Expansions-Kraft
der Aethertheilchen modificirt werden. Bei den anorganischen Natur-
körpern ist bekanntlich eine dreifache Differenz in dieser Beziehung
möglich, und man unterscheidet demgemäss bei diesen drei Aggregat-
zustände, den festen, tropfbaren und gasförmigen.

Der feste Aggregatzustand kommt allen geformten Anorganen
ohne Ausnahme zu. Hier liegen die Atome in solcher Nähe bei einander,

Organismen und Anorgane.
organischen Materien wurde früherhin oftmals hervorgehoben, dass die
letzteren, dem Einflusse des Lebens entzogen, alsbald „faulen“, sich „spon-
tan zersetzen“, während die ersteren dieses nicht thun. Allerdings ist es
richtig, dass die meisten verwickelteren Kohlenstoff-Verbindungen längere
oder kürzere Zeit nach dem Tode des Organismus „verfaulen“, sich unter
Fäulniss zersetzen und in die einfacheren binären Verbindungen auflösen.
Indess gilt dies erstens nicht von allen, und zweitens sagt diese Thatsache
weiter nichts aus, als dass diese faulenden organischen Substanzen, ihrer
natürlichen Wahlverwandtschaft gemäss, Zersetzungsprocesse und Verbin-
dungen mit den umgebenden Medien (Sauerstoff der atmosphärischen Luft,
des Wassers etc.) eingehen, an deren Eintritt sie während des Lebens
durch die stärkeren anderweitigen Wahlverwandtschaften gehindert wurden,
welche die eingeführten Nahrungsmittel ausübten. Ganz ebenso wie die
meisten organischen Verbindungen zersetzen sich an der Luft oder im
Wasser auch viele anorganische Verbindungen, welche „verwittern“, wie
z. B. viele Salze.

Fassen wir die allgemeinsten und wichtigsten Resultate, welche uns
diese Vergleichung der organischen und anorganischen Verbindungen liefert,
kurz zusammen, so kommen wir zu folgenden, wichtigen Resultaten: Sämmt-
liche in den Organismen vorkommende chemische Elemente kommen auch
ausserhalb in der anorganischen Natur vor. In sämmtlichen Organismen
kommen sowohl einfache (binäre) Verbindungen dieser Elemente vor, wie
in den Anorganen, als auch daneben zusammengesetztere Kohlenstoff-Ver-
bindungen (ternäre und quaternäre Verbindungen), welche der Kohlenstoff
gewöhnlich in der anorganischen Natur nicht zu bilden scheint. Dass die-
selben jedoch sich hier ebenfalls, ohne jeden Einfluss des „Lebens“, bilden
können, geht daraus hervor, dass wir dieselben rein künstlich aus einfacheren
Verbindungen und Elementen zusammensetzen können. Die Fäulniss der
Organismen ist ein einfacher Zersetzungsprocess und erfolgt nach den Ge-
setzen der chemischen Wahlverwandtschaft, welche die gesammte organische
und anorganische Materie gleicherweise unbedingt beherrschen.

I) 4. Aggregatzustände der organischen und anorganischen
Materien.

Unter Aggregatzustand der Naturkörper verstehen wir den
Grad der Entfernung und der dadurch bedingten relativen
Beweglichkeit ihrer Massen-Atome.
Die Differenzen der Aggre-
gatzustände beruhen lediglich auf der Verschiedenheit der Entfer-
nungen der Atome von einander, welche durch die Wechselwirkung
zwischen der Cohäsions-Kraft der Atome und der Expansions-Kraft
der Aethertheilchen modificirt werden. Bei den anorganischen Natur-
körpern ist bekanntlich eine dreifache Differenz in dieser Beziehung
möglich, und man unterscheidet demgemäss bei diesen drei Aggregat-
zustände, den festen, tropfbaren und gasförmigen.

Der feste Aggregatzustand kommt allen geformten Anorganen
ohne Ausnahme zu. Hier liegen die Atome in solcher Nähe bei einander,

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[122/0161] Organismen und Anorgane. organischen Materien wurde früherhin oftmals hervorgehoben, dass die letzteren, dem Einflusse des Lebens entzogen, alsbald „faulen“, sich „spon- tan zersetzen“, während die ersteren dieses nicht thun. Allerdings ist es richtig, dass die meisten verwickelteren Kohlenstoff-Verbindungen längere oder kürzere Zeit nach dem Tode des Organismus „verfaulen“, sich unter Fäulniss zersetzen und in die einfacheren binären Verbindungen auflösen. Indess gilt dies erstens nicht von allen, und zweitens sagt diese Thatsache weiter nichts aus, als dass diese faulenden organischen Substanzen, ihrer natürlichen Wahlverwandtschaft gemäss, Zersetzungsprocesse und Verbin- dungen mit den umgebenden Medien (Sauerstoff der atmosphärischen Luft, des Wassers etc.) eingehen, an deren Eintritt sie während des Lebens durch die stärkeren anderweitigen Wahlverwandtschaften gehindert wurden, welche die eingeführten Nahrungsmittel ausübten. Ganz ebenso wie die meisten organischen Verbindungen zersetzen sich an der Luft oder im Wasser auch viele anorganische Verbindungen, welche „verwittern“, wie z. B. viele Salze. Fassen wir die allgemeinsten und wichtigsten Resultate, welche uns diese Vergleichung der organischen und anorganischen Verbindungen liefert, kurz zusammen, so kommen wir zu folgenden, wichtigen Resultaten: Sämmt- liche in den Organismen vorkommende chemische Elemente kommen auch ausserhalb in der anorganischen Natur vor. In sämmtlichen Organismen kommen sowohl einfache (binäre) Verbindungen dieser Elemente vor, wie in den Anorganen, als auch daneben zusammengesetztere Kohlenstoff-Ver- bindungen (ternäre und quaternäre Verbindungen), welche der Kohlenstoff gewöhnlich in der anorganischen Natur nicht zu bilden scheint. Dass die- selben jedoch sich hier ebenfalls, ohne jeden Einfluss des „Lebens“, bilden können, geht daraus hervor, dass wir dieselben rein künstlich aus einfacheren Verbindungen und Elementen zusammensetzen können. Die Fäulniss der Organismen ist ein einfacher Zersetzungsprocess und erfolgt nach den Ge- setzen der chemischen Wahlverwandtschaft, welche die gesammte organische und anorganische Materie gleicherweise unbedingt beherrschen. I) 4. Aggregatzustände der organischen und anorganischen Materien. Unter Aggregatzustand der Naturkörper verstehen wir den Grad der Entfernung und der dadurch bedingten relativen Beweglichkeit ihrer Massen-Atome. Die Differenzen der Aggre- gatzustände beruhen lediglich auf der Verschiedenheit der Entfer- nungen der Atome von einander, welche durch die Wechselwirkung zwischen der Cohäsions-Kraft der Atome und der Expansions-Kraft der Aethertheilchen modificirt werden. Bei den anorganischen Natur- körpern ist bekanntlich eine dreifache Differenz in dieser Beziehung möglich, und man unterscheidet demgemäss bei diesen drei Aggregat- zustände, den festen, tropfbaren und gasförmigen. Der feste Aggregatzustand kommt allen geformten Anorganen ohne Ausnahme zu. Hier liegen die Atome in solcher Nähe bei einander,

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/161>, abgerufen am 25.11.2024.