dass die Cohäsion der Massen-Atome über die Expansion der Aether- theilchen überwiegt. Folge davon ist, dass die gegenseitige Lagerung der Atome stets dieselbe bleibt und dass sie nur bis zu einer gewissen Grenze sich von einander entfernen können (z. B. bei Ausdehnung durch Erwär- mung) ohne den festen Aggregatzustand zu verlassen. Die Atome haben hier ein stabiles Gleichgewicht. Der Character der festen Körper liegt also darin, dass ihr Volum nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist und dass sie eine selbstständige bleibende Gestalt haben.
Beim tropfbaren oder flüssigen (tropfbar-flüssigen) Aggregat- zustand liegen die Atome in solcher Entfernung von einander, dass die Cohäsion und Expansion sich das Gleichgewicht halten. Die Atome haben daher hier ein labiles Gleichgewicht, und können bei jeder Störung des- selben ihre gegenseitige Lagerung nach allen Richtungen hin frei verändern. Der Character der tropfbar-flüssigen Körper liegt also darin, dass ihr Volum ebenfalls nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist, dass sie aber keine selbstständige Gestalt haben. In ein Gefäss eingeschlossen, nehmen die Flüssigkeiten die Form dieses Gefässes an, und wenn sie dieses nicht ganz erfüllen, bildet ihre Oberfläche eine horizontale Ebene. Dagegen nimmt jedc Flüssigkeit, eingeschlossen in eine andere, damit nicht misch- bare Flüssigkeit vom gleichen specifischen Gewicht, z. B. Oel in einem gleich schweren Gemenge von Weingeist und Wasser, selbstständig und bleibend die Kugelform an.
Der gasförmige oder luftförmige (elastisch-flüssige) Aggregat- zustand endlich ist dadurch ausgezeichnet, dass in Folge grösserer Ent- fernung der Atome von einander die Expansion über die Cohäsion über- wiegt. Die Aethertheilchen sind stärker als die Atome, und da sie sich gegenseitig abstossen, strebt die Materie, sich ins Unendliche auszudehnen. Durch diese Expansionskraft der Gase ist deren Character bedingt, sich soweit auszudehnen, als es die Begrenzung durch benachbarte feste oder flüssige Körper erlaubt. Die Atome können sich hier ohne Grenze von einander entfernen. Das Volum der Gase ist daher in den weitesten Grenzen veränderlich und eine selbstständige Form niemals vorhanden.
Da die Wärme eine Bewegung des Aethers ist, so erklärt es sich, wie die Anorgane unter verschiedenen Wärme-Graden alle drei Aggregat- zustände annehmen können. Ist die Wärme-Bewegung des Aethers so gering, dass sie die Atome nicht von einander zu entfernen vermag, so ist der Körper fest. Wenn jene Bewegung stärker wird, so dass sie die Atome bis zu einer bestimmten Grenze, welche den Wirkungskreis der gegenseitigen Anziehung der Atome nicht überschreitet, auseinander zu treiben vermag, so wird der Körper flüssig. Wird endlich die Bewegung der Aethertheilchen, die wir Wärme nennen, so stark, dass die Atome über jene Grenze hinaus von einander entfernt und nun ins Unendliche aus- einander gestossen werden, so wird der Körper gasförmig.
Vergleichen wir mit diesen drei bestimmten und stets leicht er- kennbaren Aggregatzuständen der Anorgane diejenigen der Organis- men, so haben wir zunächst zu constatiren, dass alle drei Aggregat-
I. Organische und anorganische Stoffe.
dass die Cohäsion der Massen-Atome über die Expansion der Aether- theilchen überwiegt. Folge davon ist, dass die gegenseitige Lagerung der Atome stets dieselbe bleibt und dass sie nur bis zu einer gewissen Grenze sich von einander entfernen können (z. B. bei Ausdehnung durch Erwär- mung) ohne den festen Aggregatzustand zu verlassen. Die Atome haben hier ein stabiles Gleichgewicht. Der Character der festen Körper liegt also darin, dass ihr Volum nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist und dass sie eine selbstständige bleibende Gestalt haben.
Beim tropfbaren oder flüssigen (tropfbar-flüssigen) Aggregat- zustand liegen die Atome in solcher Entfernung von einander, dass die Cohäsion und Expansion sich das Gleichgewicht halten. Die Atome haben daher hier ein labiles Gleichgewicht, und können bei jeder Störung des- selben ihre gegenseitige Lagerung nach allen Richtungen hin frei verändern. Der Character der tropfbar-flüssigen Körper liegt also darin, dass ihr Volum ebenfalls nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist, dass sie aber keine selbstständige Gestalt haben. In ein Gefäss eingeschlossen, nehmen die Flüssigkeiten die Form dieses Gefässes an, und wenn sie dieses nicht ganz erfüllen, bildet ihre Oberfläche eine horizontale Ebene. Dagegen nimmt jedc Flüssigkeit, eingeschlossen in eine andere, damit nicht misch- bare Flüssigkeit vom gleichen specifischen Gewicht, z. B. Oel in einem gleich schweren Gemenge von Weingeist und Wasser, selbstständig und bleibend die Kugelform an.
Der gasförmige oder luftförmige (elastisch-flüssige) Aggregat- zustand endlich ist dadurch ausgezeichnet, dass in Folge grösserer Ent- fernung der Atome von einander die Expansion über die Cohäsion über- wiegt. Die Aethertheilchen sind stärker als die Atome, und da sie sich gegenseitig abstossen, strebt die Materie, sich ins Unendliche auszudehnen. Durch diese Expansionskraft der Gase ist deren Character bedingt, sich soweit auszudehnen, als es die Begrenzung durch benachbarte feste oder flüssige Körper erlaubt. Die Atome können sich hier ohne Grenze von einander entfernen. Das Volum der Gase ist daher in den weitesten Grenzen veränderlich und eine selbstständige Form niemals vorhanden.
Da die Wärme eine Bewegung des Aethers ist, so erklärt es sich, wie die Anorgane unter verschiedenen Wärme-Graden alle drei Aggregat- zustände annehmen können. Ist die Wärme-Bewegung des Aethers so gering, dass sie die Atome nicht von einander zu entfernen vermag, so ist der Körper fest. Wenn jene Bewegung stärker wird, so dass sie die Atome bis zu einer bestimmten Grenze, welche den Wirkungskreis der gegenseitigen Anziehung der Atome nicht überschreitet, auseinander zu treiben vermag, so wird der Körper flüssig. Wird endlich die Bewegung der Aethertheilchen, die wir Wärme nennen, so stark, dass die Atome über jene Grenze hinaus von einander entfernt und nun ins Unendliche aus- einander gestossen werden, so wird der Körper gasförmig.
Vergleichen wir mit diesen drei bestimmten und stets leicht er- kennbaren Aggregatzuständen der Anorgane diejenigen der Organis- men, so haben wir zunächst zu constatiren, dass alle drei Aggregat-
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I. Organische und anorganische Stoffe.
dass die Cohäsion der Massen-Atome über die Expansion der Aether-
theilchen überwiegt. Folge davon ist, dass die gegenseitige Lagerung der
Atome stets dieselbe bleibt und dass sie nur bis zu einer gewissen Grenze
sich von einander entfernen können (z. B. bei Ausdehnung durch Erwär-
mung) ohne den festen Aggregatzustand zu verlassen. Die Atome haben
hier ein stabiles Gleichgewicht. Der Character der festen Körper liegt also
darin, dass ihr Volum nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist und
dass sie eine selbstständige bleibende Gestalt haben.
Beim tropfbaren oder flüssigen (tropfbar-flüssigen) Aggregat-
zustand liegen die Atome in solcher Entfernung von einander, dass die
Cohäsion und Expansion sich das Gleichgewicht halten. Die Atome haben
daher hier ein labiles Gleichgewicht, und können bei jeder Störung des-
selben ihre gegenseitige Lagerung nach allen Richtungen hin frei verändern.
Der Character der tropfbar-flüssigen Körper liegt also darin, dass ihr
Volum ebenfalls nur innerhalb enger Grenzen veränderlich ist, dass sie aber
keine selbstständige Gestalt haben. In ein Gefäss eingeschlossen, nehmen
die Flüssigkeiten die Form dieses Gefässes an, und wenn sie dieses nicht
ganz erfüllen, bildet ihre Oberfläche eine horizontale Ebene. Dagegen
nimmt jedc Flüssigkeit, eingeschlossen in eine andere, damit nicht misch-
bare Flüssigkeit vom gleichen specifischen Gewicht, z. B. Oel in einem
gleich schweren Gemenge von Weingeist und Wasser, selbstständig und
bleibend die Kugelform an.
Der gasförmige oder luftförmige (elastisch-flüssige) Aggregat-
zustand endlich ist dadurch ausgezeichnet, dass in Folge grösserer Ent-
fernung der Atome von einander die Expansion über die Cohäsion über-
wiegt. Die Aethertheilchen sind stärker als die Atome, und da sie sich
gegenseitig abstossen, strebt die Materie, sich ins Unendliche auszudehnen.
Durch diese Expansionskraft der Gase ist deren Character bedingt, sich
soweit auszudehnen, als es die Begrenzung durch benachbarte feste oder
flüssige Körper erlaubt. Die Atome können sich hier ohne Grenze von
einander entfernen. Das Volum der Gase ist daher in den weitesten
Grenzen veränderlich und eine selbstständige Form niemals vorhanden.
Da die Wärme eine Bewegung des Aethers ist, so erklärt es sich, wie
die Anorgane unter verschiedenen Wärme-Graden alle drei Aggregat-
zustände annehmen können. Ist die Wärme-Bewegung des Aethers so
gering, dass sie die Atome nicht von einander zu entfernen vermag, so ist
der Körper fest. Wenn jene Bewegung stärker wird, so dass sie die
Atome bis zu einer bestimmten Grenze, welche den Wirkungskreis der
gegenseitigen Anziehung der Atome nicht überschreitet, auseinander zu
treiben vermag, so wird der Körper flüssig. Wird endlich die Bewegung
der Aethertheilchen, die wir Wärme nennen, so stark, dass die Atome über
jene Grenze hinaus von einander entfernt und nun ins Unendliche aus-
einander gestossen werden, so wird der Körper gasförmig.
Vergleichen wir mit diesen drei bestimmten und stets leicht er-
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/162>, abgerufen am 25.11.2024.
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