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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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I. Organische und anorganische Stoffe.
lichsten Uebergänge des Aggregatzustandes mit den unzweifelhaft "fest-
flüssigen" oder imbibirten weicheren intersegmentalen Chitindecken verbun-
den, welche jene Segmente unter einander verbinden. Hieraus ergiebt sich
also das wichtige Gesetz, dass der festflüssige Aggregatzustand or-
ganischer Körpertheile ganz untrennbar in den festen über-
geht.

Wie nun auf der einen Seite organische Körpertheile mit dem gering-
sten Grade der Quellungsfähigkeit nicht von den vollkommen durchfeuch-
teten festen Anorganen zu trennen sind, so finden wir es auf der anderen
Seite nicht möglich, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen den flüssigen
Lösungen der festen Anorgane und den organischen Körpertheilen mit dem
höchsten Grade der Imbibitionsfähigkeit. Bei der Lösung oder Solution der
festen Anorgane sehen wir, wie bei der Humidation, Flüssigkeit in die Poren
des festen Körpers eindringen; nur ist die relative Quantität der Flüssig-
keit eine sehr viel grössere und sogar eine unbegrenzte. Es wird nämlich
bei der Solution so viel Fluidum in die Poren aufgenommen, und es werden
dadurch die Moleküle soweit von einander entfernt, dass das Uebergewicht
der Cohäsion über die Expansion überwunden wird, und dass der feste
Aggregatzustand vernichtet und in den flüssigen selbst übergeführt wird.
Der wesentliche Unterschied zwischen der Lösung und den höchsten Graden
der Imbibition lässt sich dahin bestimmen, dass jeder quellungsfähige Kör-
per ein Quellungsmaximum hat, eine Grenze, über welche hinaus kein Wasser
mehr in die Poren aufgenommen wird. Die Verdünnungsfähigkeit der
Lösungen dagegen ist unbegrenzt. Da nun die festen und löslichen An-
organe kein Imbibitions-Maximum besitzen, so nehmen sie immer so lange
Wasser auf, bis sie in den flüssigen Zustand übergegangen sind. Anderer-
seits aber ist hervorzuheben, dass bei den organischen Körpertheilen
wiederum ein ganz allmähliger und unmerklicher Uebergang sich findet
zwischen den höchsten Graden der Quellung und den niedersten Graden
der Tropfbarkeit einer concentrirten und zähflüssigen Solution. Schon die
äusserst verschiedenen Consistenz-Grade des eiweissartigen Plasma in den
verschiedenen Zellen liefern hierfür den Beweis. In grossem Maassstabe
ist dasselbe am auffallendsten zu beobachten an dem sogenannten "Gallert-
Gewebe" der Coelenteraten, sowohl bei vielen Hydromedusen, als insbeson-
dere bei den Ctenophoren. Bei einigen der letzteren geht die Imbibitions-
fähigkeit des äusserst weichen und wasserreichen Gewebes (und zwar spe-
ciell der Zwischensubstanz des gallertigen Bindegewebes) so weit, dass
dasselbe in der That tropfbar flüssig wird, während dasselbe Gallertgewebe
andererseits durch zahlreiche Zwischenstufen mit der viel weniger stark
imbibirten Zwischensubstanz des festeren (oft knorpelharten) Bindegewebes
continuirlich zusammenhängt. Sehr instructiv sind für diese Vergleichung
ferner die eigenthümlichen, pathologisch beim Menschen (z. B. bei Cysten-
bildung im Eierstock) so oft vorkommenden Colloidsubstanzen oder Gallert-
massen, deren albuminöse Substanz die verschiedensten Grade der Flüssig-
keitsaufnahme zeigt. Während im einen Falle die Colloidsubstanz dieser
pathologischen Producte eine ziemlich consistente Gallertmasse darstellt,
welche auch isolirt ihre selbstständige Form behält und unzweifelhaft als

I. Organische und anorganische Stoffe.
lichsten Uebergänge des Aggregatzustandes mit den unzweifelhaft „fest-
flüssigen“ oder imbibirten weicheren intersegmentalen Chitindecken verbun-
den, welche jene Segmente unter einander verbinden. Hieraus ergiebt sich
also das wichtige Gesetz, dass der festflüssige Aggregatzustand or-
ganischer Körpertheile ganz untrennbar in den festen über-
geht.

Wie nun auf der einen Seite organische Körpertheile mit dem gering-
sten Grade der Quellungsfähigkeit nicht von den vollkommen durchfeuch-
teten festen Anorganen zu trennen sind, so finden wir es auf der anderen
Seite nicht möglich, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen den flüssigen
Lösungen der festen Anorgane und den organischen Körpertheilen mit dem
höchsten Grade der Imbibitionsfähigkeit. Bei der Lösung oder Solution der
festen Anorgane sehen wir, wie bei der Humidation, Flüssigkeit in die Poren
des festen Körpers eindringen; nur ist die relative Quantität der Flüssig-
keit eine sehr viel grössere und sogar eine unbegrenzte. Es wird nämlich
bei der Solution so viel Fluidum in die Poren aufgenommen, und es werden
dadurch die Moleküle soweit von einander entfernt, dass das Uebergewicht
der Cohäsion über die Expansion überwunden wird, und dass der feste
Aggregatzustand vernichtet und in den flüssigen selbst übergeführt wird.
Der wesentliche Unterschied zwischen der Lösung und den höchsten Graden
der Imbibition lässt sich dahin bestimmen, dass jeder quellungsfähige Kör-
per ein Quellungsmaximum hat, eine Grenze, über welche hinaus kein Wasser
mehr in die Poren aufgenommen wird. Die Verdünnungsfähigkeit der
Lösungen dagegen ist unbegrenzt. Da nun die festen und löslichen An-
organe kein Imbibitions-Maximum besitzen, so nehmen sie immer so lange
Wasser auf, bis sie in den flüssigen Zustand übergegangen sind. Anderer-
seits aber ist hervorzuheben, dass bei den organischen Körpertheilen
wiederum ein ganz allmähliger und unmerklicher Uebergang sich findet
zwischen den höchsten Graden der Quellung und den niedersten Graden
der Tropfbarkeit einer concentrirten und zähflüssigen Solution. Schon die
äusserst verschiedenen Consistenz-Grade des eiweissartigen Plasma in den
verschiedenen Zellen liefern hierfür den Beweis. In grossem Maassstabe
ist dasselbe am auffallendsten zu beobachten an dem sogenannten „Gallert-
Gewebe“ der Coelenteraten, sowohl bei vielen Hydromedusen, als insbeson-
dere bei den Ctenophoren. Bei einigen der letzteren geht die Imbibitions-
fähigkeit des äusserst weichen und wasserreichen Gewebes (und zwar spe-
ciell der Zwischensubstanz des gallertigen Bindegewebes) so weit, dass
dasselbe in der That tropfbar flüssig wird, während dasselbe Gallertgewebe
andererseits durch zahlreiche Zwischenstufen mit der viel weniger stark
imbibirten Zwischensubstanz des festeren (oft knorpelharten) Bindegewebes
continuirlich zusammenhängt. Sehr instructiv sind für diese Vergleichung
ferner die eigenthümlichen, pathologisch beim Menschen (z. B. bei Cysten-
bildung im Eierstock) so oft vorkommenden Colloidsubstanzen oder Gallert-
massen, deren albuminöse Substanz die verschiedensten Grade der Flüssig-
keitsaufnahme zeigt. Während im einen Falle die Colloidsubstanz dieser
pathologischen Producte eine ziemlich consistente Gallertmasse darstellt,
welche auch isolirt ihre selbstständige Form behält und unzweifelhaft als

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[127/0166] I. Organische und anorganische Stoffe. lichsten Uebergänge des Aggregatzustandes mit den unzweifelhaft „fest- flüssigen“ oder imbibirten weicheren intersegmentalen Chitindecken verbun- den, welche jene Segmente unter einander verbinden. Hieraus ergiebt sich also das wichtige Gesetz, dass der festflüssige Aggregatzustand or- ganischer Körpertheile ganz untrennbar in den festen über- geht. Wie nun auf der einen Seite organische Körpertheile mit dem gering- sten Grade der Quellungsfähigkeit nicht von den vollkommen durchfeuch- teten festen Anorganen zu trennen sind, so finden wir es auf der anderen Seite nicht möglich, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen den flüssigen Lösungen der festen Anorgane und den organischen Körpertheilen mit dem höchsten Grade der Imbibitionsfähigkeit. Bei der Lösung oder Solution der festen Anorgane sehen wir, wie bei der Humidation, Flüssigkeit in die Poren des festen Körpers eindringen; nur ist die relative Quantität der Flüssig- keit eine sehr viel grössere und sogar eine unbegrenzte. Es wird nämlich bei der Solution so viel Fluidum in die Poren aufgenommen, und es werden dadurch die Moleküle soweit von einander entfernt, dass das Uebergewicht der Cohäsion über die Expansion überwunden wird, und dass der feste Aggregatzustand vernichtet und in den flüssigen selbst übergeführt wird. Der wesentliche Unterschied zwischen der Lösung und den höchsten Graden der Imbibition lässt sich dahin bestimmen, dass jeder quellungsfähige Kör- per ein Quellungsmaximum hat, eine Grenze, über welche hinaus kein Wasser mehr in die Poren aufgenommen wird. Die Verdünnungsfähigkeit der Lösungen dagegen ist unbegrenzt. Da nun die festen und löslichen An- organe kein Imbibitions-Maximum besitzen, so nehmen sie immer so lange Wasser auf, bis sie in den flüssigen Zustand übergegangen sind. Anderer- seits aber ist hervorzuheben, dass bei den organischen Körpertheilen wiederum ein ganz allmähliger und unmerklicher Uebergang sich findet zwischen den höchsten Graden der Quellung und den niedersten Graden der Tropfbarkeit einer concentrirten und zähflüssigen Solution. Schon die äusserst verschiedenen Consistenz-Grade des eiweissartigen Plasma in den verschiedenen Zellen liefern hierfür den Beweis. In grossem Maassstabe ist dasselbe am auffallendsten zu beobachten an dem sogenannten „Gallert- Gewebe“ der Coelenteraten, sowohl bei vielen Hydromedusen, als insbeson- dere bei den Ctenophoren. Bei einigen der letzteren geht die Imbibitions- fähigkeit des äusserst weichen und wasserreichen Gewebes (und zwar spe- ciell der Zwischensubstanz des gallertigen Bindegewebes) so weit, dass dasselbe in der That tropfbar flüssig wird, während dasselbe Gallertgewebe andererseits durch zahlreiche Zwischenstufen mit der viel weniger stark imbibirten Zwischensubstanz des festeren (oft knorpelharten) Bindegewebes continuirlich zusammenhängt. Sehr instructiv sind für diese Vergleichung ferner die eigenthümlichen, pathologisch beim Menschen (z. B. bei Cysten- bildung im Eierstock) so oft vorkommenden Colloidsubstanzen oder Gallert- massen, deren albuminöse Substanz die verschiedensten Grade der Flüssig- keitsaufnahme zeigt. Während im einen Falle die Colloidsubstanz dieser pathologischen Producte eine ziemlich consistente Gallertmasse darstellt, welche auch isolirt ihre selbstständige Form behält und unzweifelhaft als

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/166>, abgerufen am 25.11.2024.