Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.IV. Selbstzeugung oder Autogonie. unterschiede noch nicht vorhanden. Von der Beschaffenheit jenes Urmeeresund der heissen, darüber ausgebreiteten, mit Kohlensäure und Wasser- dämpfen gesättigten Atmosphäre können wir uns aber gar keine bestimmte Vorstellung machen, wenn wir bedenken, dass die ungeheuren Mengen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die von der Steinkohlen- zeit an bis zur Gegenwart und wahrscheinlich schon lange vor der Stein- kohlenzeit an den Körper zahlloser Organismen gebunden waren, in jener Urzeit in ganz anderen, einfacheren Verbindungen neben einander existirten, oder ganz frei und ungebunden auf einander wirkten. Die ungeheuren Massen von Kohlensäure, von verschiedenen Kohlenwasserstoffen und von zahllosen anderen Kohlenstoff-Verbindungen, die damals zur Zeit der ersten Entstehung des Lebens theils gasförmig in der Atmosphäre verbreitet, theils in dem Urmeere aufgelöst oder auf dessen Boden niedergeschlagen gewesen sein müssen, gestatten uns durchaus keine sichere hypothetische Vorstellung von den Existenzbedingungen, unter denen sich die ersten ein- fachsten Organismen in jenem Urmeere bildeten. Nur so viel können wir mit Bestimmtheit sagen, dass die Beschaffenheit des Urmeeres und der Ur- atmosphäre zu jener Zeit sehr bedeutend verschieden von der jetzigen ge- wesen sein muss. Jedenfalls war die ganze, überall von dem Urmeere wie von einer zu- Da wir uns von der eigenthümlichen Beschaffenheit der jedenfalls von IV. Selbstzeugung oder Autogonie. unterschiede noch nicht vorhanden. Von der Beschaffenheit jenes Urmeeresund der heissen, darüber ausgebreiteten, mit Kohlensäure und Wasser- dämpfen gesättigten Atmosphäre können wir uns aber gar keine bestimmte Vorstellung machen, wenn wir bedenken, dass die ungeheuren Mengen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die von der Steinkohlen- zeit an bis zur Gegenwart und wahrscheinlich schon lange vor der Stein- kohlenzeit an den Körper zahlloser Organismen gebunden waren, in jener Urzeit in ganz anderen, einfacheren Verbindungen neben einander existirten, oder ganz frei und ungebunden auf einander wirkten. Die ungeheuren Massen von Kohlensäure, von verschiedenen Kohlenwasserstoffen und von zahllosen anderen Kohlenstoff-Verbindungen, die damals zur Zeit der ersten Entstehung des Lebens theils gasförmig in der Atmosphäre verbreitet, theils in dem Urmeere aufgelöst oder auf dessen Boden niedergeschlagen gewesen sein müssen, gestatten uns durchaus keine sichere hypothetische Vorstellung von den Existenzbedingungen, unter denen sich die ersten ein- fachsten Organismen in jenem Urmeere bildeten. Nur so viel können wir mit Bestimmtheit sagen, dass die Beschaffenheit des Urmeeres und der Ur- atmosphäre zu jener Zeit sehr bedeutend verschieden von der jetzigen ge- wesen sein muss. Jedenfalls war die ganze, überall von dem Urmeere wie von einer zu- Da wir uns von der eigenthümlichen Beschaffenheit der jedenfalls von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0226" n="187"/><fw place="top" type="header">IV. 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Zahllose, nicht oder nur wenig verschiedene<lb/> Moneren, gleich der <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">Protamoeba,</hi></hi> mögen damals gleichzeitig entstanden<lb/> sein; und erst allmählig, als die Lebensbedingungen sich differenzirten, als<lb/> die Hebungen und Senkungen des Bodens an verschiedenen Stellen des<lb/> Meeres locale Differenzen höheren Grades eintreten liessen, werden sich<lb/> mit den Lebensbedingungen auch die einfachsten spontan entstandenen Ur-<lb/> organismen differenzirt und damit ein Kampf um das Dasein zwischen diesen<lb/> Moneren entwickelt haben.</p><lb/> <p>Da wir uns von der eigenthümlichen Beschaffenheit der jedenfalls von<lb/> allen jetzt bestehenden sehr verschiedenen Lebensbedingungen, unter denen<lb/> jene ersten Moneren im Urmeere spontan entstanden, durchaus keine<lb/> sichere Vorstellung machen können, so lässt sich auch die Frage vorläufig<lb/> nicht befriedigend erörtern, ob ähnliche Bedingungen auch später noch, bei<lb/> weiterer Entwickelung der Erdrinde, an gewissen Stellen derselben fort-<lb/> dauern konnten, und ob sie noch heute fortdauern. Wir können also auch<lb/> nicht auf die Frage antworten, ob eine solche Autogonie, wie sie damals,<lb/> unter jenen Bedingungen, mit <hi rendition="#g">absoluter Nothwendigkeit</hi> stattgefunden<lb/> haben <hi rendition="#g">muss,</hi> sich lange Zeit fortsetzte und sich später wiederholte, ob sie<lb/> vielleicht continuirlich fortdauerte und auch jetzt noch stattfindet. Expe-<lb/> rimente sind in dieser Beziehung noch nicht angestellt, und durch die bis-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0226]
IV. Selbstzeugung oder Autogonie.
unterschiede noch nicht vorhanden. Von der Beschaffenheit jenes Urmeeres
und der heissen, darüber ausgebreiteten, mit Kohlensäure und Wasser-
dämpfen gesättigten Atmosphäre können wir uns aber gar keine bestimmte
Vorstellung machen, wenn wir bedenken, dass die ungeheuren Mengen von
Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, die von der Steinkohlen-
zeit an bis zur Gegenwart und wahrscheinlich schon lange vor der Stein-
kohlenzeit an den Körper zahlloser Organismen gebunden waren, in jener
Urzeit in ganz anderen, einfacheren Verbindungen neben einander existirten,
oder ganz frei und ungebunden auf einander wirkten. Die ungeheuren
Massen von Kohlensäure, von verschiedenen Kohlenwasserstoffen und von
zahllosen anderen Kohlenstoff-Verbindungen, die damals zur Zeit der ersten
Entstehung des Lebens theils gasförmig in der Atmosphäre verbreitet,
theils in dem Urmeere aufgelöst oder auf dessen Boden niedergeschlagen
gewesen sein müssen, gestatten uns durchaus keine sichere hypothetische
Vorstellung von den Existenzbedingungen, unter denen sich die ersten ein-
fachsten Organismen in jenem Urmeere bildeten. Nur so viel können wir
mit Bestimmtheit sagen, dass die Beschaffenheit des Urmeeres und der Ur-
atmosphäre zu jener Zeit sehr bedeutend verschieden von der jetzigen ge-
wesen sein muss.
Jedenfalls war die ganze, überall von dem Urmeere wie von einer zu-
sammenhängenden Wasserhülle umgebene Erdrinde damals in jeder Be-
ziehung (hinsichtlich der Erhebungen des Meeresbodens, der Temperatur etc.)
noch äusserst einförmig beschaffen, und da somit die Existenzbedingungen
in den verschiedenen Theilen des Meeres sehr wenig von einander werden
verschieden gewesen sein, so ist zu vermuthen, dass, als die Temperatur
so weit gesunken war, dass zum ersten Male lebensfähige Kohlenstoff-Ver-
bindungen sich bilden konnten, diese sich auf der ganzen Erde in wenig ab-
weichender Weise bildeten. Zahllose, nicht oder nur wenig verschiedene
Moneren, gleich der Protamoeba, mögen damals gleichzeitig entstanden
sein; und erst allmählig, als die Lebensbedingungen sich differenzirten, als
die Hebungen und Senkungen des Bodens an verschiedenen Stellen des
Meeres locale Differenzen höheren Grades eintreten liessen, werden sich
mit den Lebensbedingungen auch die einfachsten spontan entstandenen Ur-
organismen differenzirt und damit ein Kampf um das Dasein zwischen diesen
Moneren entwickelt haben.
Da wir uns von der eigenthümlichen Beschaffenheit der jedenfalls von
allen jetzt bestehenden sehr verschiedenen Lebensbedingungen, unter denen
jene ersten Moneren im Urmeere spontan entstanden, durchaus keine
sichere Vorstellung machen können, so lässt sich auch die Frage vorläufig
nicht befriedigend erörtern, ob ähnliche Bedingungen auch später noch, bei
weiterer Entwickelung der Erdrinde, an gewissen Stellen derselben fort-
dauern konnten, und ob sie noch heute fortdauern. Wir können also auch
nicht auf die Frage antworten, ob eine solche Autogonie, wie sie damals,
unter jenen Bedingungen, mit absoluter Nothwendigkeit stattgefunden
haben muss, sich lange Zeit fortsetzte und sich später wiederholte, ob sie
vielleicht continuirlich fortdauerte und auch jetzt noch stattfindet. Expe-
rimente sind in dieser Beziehung noch nicht angestellt, und durch die bis-
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