Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.Thiere und Pflanzen. "Auslösungen", d. h. Bewegungen, welche eine gewisse Menge vonSpannkraft in lebendige Kraft verwandeln. Das Nervensystem stellt einen zusammenhängenden Regulationsapparat dar, der alle Theile des Körpers unter einander in Verbindung setzt. Es besteht aus einem Centralapparat (Nervencentrum, Ganglienknoten), in welchem die verschiedensten Theile des Nervensystems in mittelbare oder un- mittelbare Wechselwirkung treten und in welchem ausserdem selbst- ständige Regulations-Centra existiren; und aus einem Leitungsappa- rat (peripherisches Nervensystem, Nervenfasern), welcher theils centri- fugal, theils centripetal den nervösen Centralapparat mit den übrigen Körpertheilen in Wechselwirkung setzt. Die centripetalen Leitungs- fasern (sensible Nerven) sind Auslösungsketten, welche an ver- schiedenen Theilen des peripherischen Körpers (insbesondere in den Sinnesorganen) Eindrücke aufnehmen, und diese durch äussere Ein- flüsse (Licht, Schall, Wärme, Druck etc.) bewirkten Auslösungen auf das Centrum übertragen, wo sie entweder Vorstellungen (Empfindungen) erregen oder unmittelbar auf eine centrifugale Auslösungskette über- tragen werden (Reflexbewegungen). Die centrifugalen Leitungsfasern (motorische Nerven) sind dagegen Auslösungsketten, welche ent- weder unmittelbar (bei den eben erwähnten Reflexbewegungen) Aus- lösungsbewegungen, die sie von centripetalen Nerven erhalten haben, oder aber Auslösungen (Willens-Vorstellungen), die vom Nervencentrum bewirkt sind, auf die Muskeln übertragen und also mechanische Arbeit auslösen. Diejenigen Auslösungen des Nervensystems, welche vom Centrum aus als Willens-Vorstellungen auf die Muskeln übertragen, und diejenigen, welche von den Sinnes-Organen aus als Empfindungs- Vorstellungen auf das Centrum übertragen werden, sind die für das Thier am meisten characteristischen Bewegungs-Vorgänge. Doch sind dies Functionen, welche nur den höher entwickelten Thieren zukom- men und vielen niedrigsten Thieren (ohne selbstständig entwickelte Nervencentra) fehlen. Bei diesen sind dann sämmtliche Nervenbewe- gungen nur Reflexbewegungen, indem jede centrifugale Auslösung erst durch eine centripetale hervorgerufen werden muss. Diese schliessen sich zunächst an die Protisten und an die höchsten Pflanzen an, bei denen ebenfalls (Mimosa, Dionaea, Centaurea) solche Reflex- bewegungen vorkommen. Die eigenthümlichen, im Centralapparate ausgelösten Bewegungserscheinungen, welche vorzüglich die beiden Vorstellungen des Empfindens und Wollens bewirken, pflegt man unter dem Namen des Seelenlebens zusammenzufassen. Bei den höher entwickelten Thieren (aber nicht bei den niederen Thieren) differenzirt sich aus der Wechselwirkung dieser beiden Functionen noch eine dritte, die höchste und vollkommenste aller thierischen Functionen, das Den- ken. Die äusserst dunkeln und unvollkommen bekannten Molekular- Thiere und Pflanzen. „Auslösungen“, d. h. Bewegungen, welche eine gewisse Menge vonSpannkraft in lebendige Kraft verwandeln. Das Nervensystem stellt einen zusammenhängenden Regulationsapparat dar, der alle Theile des Körpers unter einander in Verbindung setzt. Es besteht aus einem Centralapparat (Nervencentrum, Ganglienknoten), in welchem die verschiedensten Theile des Nervensystems in mittelbare oder un- mittelbare Wechselwirkung treten und in welchem ausserdem selbst- ständige Regulations-Centra existiren; und aus einem Leitungsappa- rat (peripherisches Nervensystem, Nervenfasern), welcher theils centri- fugal, theils centripetal den nervösen Centralapparat mit den übrigen Körpertheilen in Wechselwirkung setzt. Die centripetalen Leitungs- fasern (sensible Nerven) sind Auslösungsketten, welche an ver- schiedenen Theilen des peripherischen Körpers (insbesondere in den Sinnesorganen) Eindrücke aufnehmen, und diese durch äussere Ein- flüsse (Licht, Schall, Wärme, Druck etc.) bewirkten Auslösungen auf das Centrum übertragen, wo sie entweder Vorstellungen (Empfindungen) erregen oder unmittelbar auf eine centrifugale Auslösungskette über- tragen werden (Reflexbewegungen). Die centrifugalen Leitungsfasern (motorische Nerven) sind dagegen Auslösungsketten, welche ent- weder unmittelbar (bei den eben erwähnten Reflexbewegungen) Aus- lösungsbewegungen, die sie von centripetalen Nerven erhalten haben, oder aber Auslösungen (Willens-Vorstellungen), die vom Nervencentrum bewirkt sind, auf die Muskeln übertragen und also mechanische Arbeit auslösen. Diejenigen Auslösungen des Nervensystems, welche vom Centrum aus als Willens-Vorstellungen auf die Muskeln übertragen, und diejenigen, welche von den Sinnes-Organen aus als Empfindungs- Vorstellungen auf das Centrum übertragen werden, sind die für das Thier am meisten characteristischen Bewegungs-Vorgänge. Doch sind dies Functionen, welche nur den höher entwickelten Thieren zukom- men und vielen niedrigsten Thieren (ohne selbstständig entwickelte Nervencentra) fehlen. Bei diesen sind dann sämmtliche Nervenbewe- gungen nur Reflexbewegungen, indem jede centrifugale Auslösung erst durch eine centripetale hervorgerufen werden muss. Diese schliessen sich zunächst an die Protisten und an die höchsten Pflanzen an, bei denen ebenfalls (Mimosa, Dionaea, Centaurea) solche Reflex- bewegungen vorkommen. Die eigenthümlichen, im Centralapparate ausgelösten Bewegungserscheinungen, welche vorzüglich die beiden Vorstellungen des Empfindens und Wollens bewirken, pflegt man unter dem Namen des Seelenlebens zusammenzufassen. Bei den höher entwickelten Thieren (aber nicht bei den niederen Thieren) differenzirt sich aus der Wechselwirkung dieser beiden Functionen noch eine dritte, die höchste und vollkommenste aller thierischen Functionen, das Den- ken. 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Thiere und Pflanzen.
„Auslösungen“, d. h. Bewegungen, welche eine gewisse Menge von
Spannkraft in lebendige Kraft verwandeln. Das Nervensystem stellt
einen zusammenhängenden Regulationsapparat dar, der alle Theile des
Körpers unter einander in Verbindung setzt. Es besteht aus einem
Centralapparat (Nervencentrum, Ganglienknoten), in welchem
die verschiedensten Theile des Nervensystems in mittelbare oder un-
mittelbare Wechselwirkung treten und in welchem ausserdem selbst-
ständige Regulations-Centra existiren; und aus einem Leitungsappa-
rat (peripherisches Nervensystem, Nervenfasern), welcher theils centri-
fugal, theils centripetal den nervösen Centralapparat mit den übrigen
Körpertheilen in Wechselwirkung setzt. Die centripetalen Leitungs-
fasern (sensible Nerven) sind Auslösungsketten, welche an ver-
schiedenen Theilen des peripherischen Körpers (insbesondere in den
Sinnesorganen) Eindrücke aufnehmen, und diese durch äussere Ein-
flüsse (Licht, Schall, Wärme, Druck etc.) bewirkten Auslösungen auf
das Centrum übertragen, wo sie entweder Vorstellungen (Empfindungen)
erregen oder unmittelbar auf eine centrifugale Auslösungskette über-
tragen werden (Reflexbewegungen). Die centrifugalen Leitungsfasern
(motorische Nerven) sind dagegen Auslösungsketten, welche ent-
weder unmittelbar (bei den eben erwähnten Reflexbewegungen) Aus-
lösungsbewegungen, die sie von centripetalen Nerven erhalten haben,
oder aber Auslösungen (Willens-Vorstellungen), die vom Nervencentrum
bewirkt sind, auf die Muskeln übertragen und also mechanische Arbeit
auslösen. Diejenigen Auslösungen des Nervensystems, welche vom
Centrum aus als Willens-Vorstellungen auf die Muskeln übertragen,
und diejenigen, welche von den Sinnes-Organen aus als Empfindungs-
Vorstellungen auf das Centrum übertragen werden, sind die für das
Thier am meisten characteristischen Bewegungs-Vorgänge. Doch sind
dies Functionen, welche nur den höher entwickelten Thieren zukom-
men und vielen niedrigsten Thieren (ohne selbstständig entwickelte
Nervencentra) fehlen. Bei diesen sind dann sämmtliche Nervenbewe-
gungen nur Reflexbewegungen, indem jede centrifugale Auslösung
erst durch eine centripetale hervorgerufen werden muss. Diese
schliessen sich zunächst an die Protisten und an die höchsten Pflanzen
an, bei denen ebenfalls (Mimosa, Dionaea, Centaurea) solche Reflex-
bewegungen vorkommen. Die eigenthümlichen, im Centralapparate
ausgelösten Bewegungserscheinungen, welche vorzüglich die beiden
Vorstellungen des Empfindens und Wollens bewirken, pflegt man unter
dem Namen des Seelenlebens zusammenzufassen. Bei den höher
entwickelten Thieren (aber nicht bei den niederen Thieren) differenzirt
sich aus der Wechselwirkung dieser beiden Functionen noch eine dritte,
die höchste und vollkommenste aller thierischen Functionen, das Den-
ken. Die äusserst dunkeln und unvollkommen bekannten Molekular-
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