pflanzung vor, und es sind dann die beiderlei Geschlechter bald in einem Individuum vereinigt, bald getrennt (Spongien, ein Theil der Flagellaten).
Wie bei allen Thieren und Pflanzen, so sind auch bei allen Pro- tisten diese allgemeinen "organischen" Functionen der Ernährung, des Wachsthums und der Fortpflanzung unmittelbar verbunden mit mole- kularen Bewegungserscheinungen und Masse-Bewegungen (mechanischen Leistungen). Wir nehmen diese zum Theil wahr in gewissen Lage- veränderungen der Moleküle des Plasma, welche sich bei den Protisten namentlich sehr oft äussern als die charakteristischen "Sarcode- strömungen" (Rhizopoden, Noctiluken, ein Theil der Protoplasten und Myxomyceten) oder "amoeboiden Bewegungen" (Spongien, ein Theil der Protoplasten, Flagellaten und Myxomyceten); ferner als Wachsthum und als Fortpflanzung (Theilung und Knospenbildung) der einzelnen Plastiden, welche hier gewöhnlich das physiologische Indi- viduum repräsentiren. Auch hier, wie bei den anderen Organismen, sind diese Bewegungen, welche zugleich zur Bildung neuer Formen führen, nur dadurch möglich, dass Kräfte, welche in den verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen des Plasma als gebundene oder Spannkräfte vorhanden sind, in lebendige Kräfte übergeführt werden.
Cb. Character der besonderen protistischen Lebenserscheinungen.
Wie uns die Grundlagen der allgemeinen Lebensthätigkeiten der Protisten, und insbesondere ihres Stoffwechsels, zur Zeit noch höchst mangelhaft bekannt sind, und wie wir von den meisten derselben nicht wissen, ob sie sich mehr den Thieren oder mehr den Pflanzen an- schliessen, so gilt dasselbe auch von dem Character und den Ursachen ihrer besonderen Lebensthätigkeiten. Nur so viel scheint sich zu er- geben, dass bei den verschiedenen Protisten in dieser Beziehung sehr wesentliche Verschiedenheiten vorkommen, indem die einen sich mehr den Thieren, die anderen mehr den Pflanzen anschliessen. Im Ganzen aber scheinen die Protisten auch in dieser Beziehung zwischen den Thieren und Pflanzen mitten inne zu stehen. In sämmtlichen Orga- nismen aller drei organischen Reiche kommen Reductionsprocesse, durch welche Wärme und andere lebendige Kräfte gebunden (zu Spannkräften) werden, und Oxydationsprocesse, durch welche gebun- dene Wärme und andere Spannkräfte frei und lebendig werden, neben einander vor. Bei den Thieren überwiegen die letzteren, bei den Pflanzen die ersteren; bei den Protisten scheinen sich Beide im Gan- zen das Gleichgewicht zu halten. Doch dürften die meisten Protisten sich mehr durch reichliche Entwickelung lebendiger Kräfte (mechani- scher Arbeit, Ortsbewegung der Plastiden) an die Thiere anschliessen, während sie sich von den Pflanzen durch geringe Neigung zur An-
VII. Character des Protistenreiches.
pflanzung vor, und es sind dann die beiderlei Geschlechter bald in einem Individuum vereinigt, bald getrennt (Spongien, ein Theil der Flagellaten).
Wie bei allen Thieren und Pflanzen, so sind auch bei allen Pro- tisten diese allgemeinen „organischen“ Functionen der Ernährung, des Wachsthums und der Fortpflanzung unmittelbar verbunden mit mole- kularen Bewegungserscheinungen und Masse-Bewegungen (mechanischen Leistungen). Wir nehmen diese zum Theil wahr in gewissen Lage- veränderungen der Moleküle des Plasma, welche sich bei den Protisten namentlich sehr oft äussern als die charakteristischen „Sarcode- strömungen“ (Rhizopoden, Noctiluken, ein Theil der Protoplasten und Myxomyceten) oder „amoeboiden Bewegungen“ (Spongien, ein Theil der Protoplasten, Flagellaten und Myxomyceten); ferner als Wachsthum und als Fortpflanzung (Theilung und Knospenbildung) der einzelnen Plastiden, welche hier gewöhnlich das physiologische Indi- viduum repräsentiren. Auch hier, wie bei den anderen Organismen, sind diese Bewegungen, welche zugleich zur Bildung neuer Formen führen, nur dadurch möglich, dass Kräfte, welche in den verwickelten Kohlenstoff-Verbindungen des Plasma als gebundene oder Spannkräfte vorhanden sind, in lebendige Kräfte übergeführt werden.
Cb. Character der besonderen protistischen Lebenserscheinungen.
Wie uns die Grundlagen der allgemeinen Lebensthätigkeiten der Protisten, und insbesondere ihres Stoffwechsels, zur Zeit noch höchst mangelhaft bekannt sind, und wie wir von den meisten derselben nicht wissen, ob sie sich mehr den Thieren oder mehr den Pflanzen an- schliessen, so gilt dasselbe auch von dem Character und den Ursachen ihrer besonderen Lebensthätigkeiten. Nur so viel scheint sich zu er- geben, dass bei den verschiedenen Protisten in dieser Beziehung sehr wesentliche Verschiedenheiten vorkommen, indem die einen sich mehr den Thieren, die anderen mehr den Pflanzen anschliessen. Im Ganzen aber scheinen die Protisten auch in dieser Beziehung zwischen den Thieren und Pflanzen mitten inne zu stehen. In sämmtlichen Orga- nismen aller drei organischen Reiche kommen Reductionsprocesse, durch welche Wärme und andere lebendige Kräfte gebunden (zu Spannkräften) werden, und Oxydationsprocesse, durch welche gebun- dene Wärme und andere Spannkräfte frei und lebendig werden, neben einander vor. Bei den Thieren überwiegen die letzteren, bei den Pflanzen die ersteren; bei den Protisten scheinen sich Beide im Gan- zen das Gleichgewicht zu halten. Doch dürften die meisten Protisten sich mehr durch reichliche Entwickelung lebendiger Kräfte (mechani- scher Arbeit, Ortsbewegung der Plastiden) an die Thiere anschliessen, während sie sich von den Pflanzen durch geringe Neigung zur An-
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VII. Character des Protistenreiches.
pflanzung vor, und es sind dann die beiderlei Geschlechter bald in
einem Individuum vereinigt, bald getrennt (Spongien, ein Theil der
Flagellaten).
Wie bei allen Thieren und Pflanzen, so sind auch bei allen Pro-
tisten diese allgemeinen „organischen“ Functionen der Ernährung, des
Wachsthums und der Fortpflanzung unmittelbar verbunden mit mole-
kularen Bewegungserscheinungen und Masse-Bewegungen (mechanischen
Leistungen). Wir nehmen diese zum Theil wahr in gewissen Lage-
veränderungen der Moleküle des Plasma, welche sich bei den Protisten
namentlich sehr oft äussern als die charakteristischen „Sarcode-
strömungen“ (Rhizopoden, Noctiluken, ein Theil der Protoplasten
und Myxomyceten) oder „amoeboiden Bewegungen“ (Spongien,
ein Theil der Protoplasten, Flagellaten und Myxomyceten); ferner als
Wachsthum und als Fortpflanzung (Theilung und Knospenbildung) der
einzelnen Plastiden, welche hier gewöhnlich das physiologische Indi-
viduum repräsentiren. Auch hier, wie bei den anderen Organismen,
sind diese Bewegungen, welche zugleich zur Bildung neuer Formen
führen, nur dadurch möglich, dass Kräfte, welche in den verwickelten
Kohlenstoff-Verbindungen des Plasma als gebundene oder Spannkräfte
vorhanden sind, in lebendige Kräfte übergeführt werden.
Cb. Character der besonderen protistischen Lebenserscheinungen.
Wie uns die Grundlagen der allgemeinen Lebensthätigkeiten der
Protisten, und insbesondere ihres Stoffwechsels, zur Zeit noch höchst
mangelhaft bekannt sind, und wie wir von den meisten derselben nicht
wissen, ob sie sich mehr den Thieren oder mehr den Pflanzen an-
schliessen, so gilt dasselbe auch von dem Character und den Ursachen
ihrer besonderen Lebensthätigkeiten. Nur so viel scheint sich zu er-
geben, dass bei den verschiedenen Protisten in dieser Beziehung sehr
wesentliche Verschiedenheiten vorkommen, indem die einen sich mehr
den Thieren, die anderen mehr den Pflanzen anschliessen. Im Ganzen
aber scheinen die Protisten auch in dieser Beziehung zwischen den
Thieren und Pflanzen mitten inne zu stehen. In sämmtlichen Orga-
nismen aller drei organischen Reiche kommen Reductionsprocesse,
durch welche Wärme und andere lebendige Kräfte gebunden (zu
Spannkräften) werden, und Oxydationsprocesse, durch welche gebun-
dene Wärme und andere Spannkräfte frei und lebendig werden, neben
einander vor. Bei den Thieren überwiegen die letzteren, bei den
Pflanzen die ersteren; bei den Protisten scheinen sich Beide im Gan-
zen das Gleichgewicht zu halten. Doch dürften die meisten Protisten
sich mehr durch reichliche Entwickelung lebendiger Kräfte (mechani-
scher Arbeit, Ortsbewegung der Plastiden) an die Thiere anschliessen,
während sie sich von den Pflanzen durch geringe Neigung zur An-
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/258>, abgerufen am 24.11.2024.
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