I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Achtes Capitel. Begriff und Aufgabe der Tectologie.
Freuet euch des wahren Scheins, Euch des ernsten Spieles, Kein Lebendiges ist Eins, Immer ist's ein Vieles.
Goethe.
I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Die Tectologie oder Structurlehre der Organismen ist die gesammte Wissenschaft von der Individualität der be- lebten Naturkörper, welche meistens ein Aggregat von Individuen verschiedener Ordnung darstellt. Die Aufgabe der organischen Tectologie ist mithin die Erkenntniss und die Erklärung der organischen Individualität, d. h. die Erkenntniss der be- stimmten Naturgesetze, nach denen sich die organische Materie indi- vidualisirt, und nach denen die meisten Organismen einen einheit- lichen, aus Individuen verschiedener Ordnung zusammengesetzten Formen-Complex bilden.
Begriff und Aufgabe der Tectologie, wie wir sie hier feststellen und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen erörtert haben, sind bisher von den meisten Morphologen nicht scharf ins Auge gefasst worden, da man in der Anatomie die Tectologie und Promorphologie stets vermischt zu behandeln pflegt. Wenn nun auch diese Behand- lungsweise in der anatomischen Praxis sich gewiss am meisten empfiehlt, und es immer am bequemsten sein wird, bei der Anatomie jedes einzelnen Organismus die gesammte Anatomie (Tectologie und Promorphologie) der einzelnen Individuen verschiedener Ordnung nach
Haeckel, Generelle Morphologie. 16
I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Achtes Capitel. Begriff und Aufgabe der Tectologie.
Freuet euch des wahren Scheins, Euch des ernsten Spieles, Kein Lebendiges ist Eins, Immer ist’s ein Vieles.
Goethe.
I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Die Tectologie oder Structurlehre der Organismen ist die gesammte Wissenschaft von der Individualität der be- lebten Naturkörper, welche meistens ein Aggregat von Individuen verschiedener Ordnung darstellt. Die Aufgabe der organischen Tectologie ist mithin die Erkenntniss und die Erklärung der organischen Individualität, d. h. die Erkenntniss der be- stimmten Naturgesetze, nach denen sich die organische Materie indi- vidualisirt, und nach denen die meisten Organismen einen einheit- lichen, aus Individuen verschiedener Ordnung zusammengesetzten Formen-Complex bilden.
Begriff und Aufgabe der Tectologie, wie wir sie hier feststellen und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen erörtert haben, sind bisher von den meisten Morphologen nicht scharf ins Auge gefasst worden, da man in der Anatomie die Tectologie und Promorphologie stets vermischt zu behandeln pflegt. Wenn nun auch diese Behand- lungsweise in der anatomischen Praxis sich gewiss am meisten empfiehlt, und es immer am bequemsten sein wird, bei der Anatomie jedes einzelnen Organismus die gesammte Anatomie (Tectologie und Promorphologie) der einzelnen Individuen verschiedener Ordnung nach
Haeckel, Generelle Morphologie. 16
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I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Achtes Capitel.
Begriff und Aufgabe der Tectologie.
Freuet euch des wahren Scheins,
Euch des ernsten Spieles,
Kein Lebendiges ist Eins,
Immer ist’s ein Vieles.
Goethe.
I. Die Tectologie als Lehre von der organischen Individualität.
Die Tectologie oder Structurlehre der Organismen ist
die gesammte Wissenschaft von der Individualität der be-
lebten Naturkörper, welche meistens ein Aggregat von Individuen
verschiedener Ordnung darstellt. Die Aufgabe der organischen
Tectologie ist mithin die Erkenntniss und die Erklärung
der organischen Individualität, d. h. die Erkenntniss der be-
stimmten Naturgesetze, nach denen sich die organische Materie indi-
vidualisirt, und nach denen die meisten Organismen einen einheit-
lichen, aus Individuen verschiedener Ordnung zusammengesetzten
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und bereits oben (p. 30, 46, 49) im Allgemeinen erörtert haben, sind
bisher von den meisten Morphologen nicht scharf ins Auge gefasst
worden, da man in der Anatomie die Tectologie und Promorphologie
stets vermischt zu behandeln pflegt. Wenn nun auch diese Behand-
lungsweise in der anatomischen Praxis sich gewiss am meisten
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/280>, abgerufen am 24.11.2024.
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