I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
Neuntes Capitel. Morphologische Individualität der Organismen.
"Die Pflanze erscheint fast nur einen Augen- blick als Individuum, und zwar da, wenn sie sich als Samenkorn von der Mutterpflanze los- löst. In dem Verfolg des Keimens erscheint sie schon als ein Vielfaches, an welchem nicht allein ein identischer Theil aus identischen Theilen entspringt, sondern auch diese Theile durch Suc- ecssion verschieden ausgebildet werden, so dass ein mannichfaltiges, scheinbar verbundenes Ganzes zuletzt vor unseren Augen dasteht. Allein dass dieses scheinbare Ganze aus sehr unabhängigen Theilen bestehe, giebt theils der Augenschein, theils die Erfahrung: denn Pflanzen, in viele Theile getrennt und zerrissen, werden wieder als eben so viele scheinbare Ganze aus der Erde hervorsprossen." Goethe.
I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden oder Plasmastücke.
I. 1. Unterscheidung von Cytoden und Zellen.
Als morphologische Individuen erster und niedrigster Ordnung würden wir, der gegenwärtig herrschenden Auffassung gemäss, nur eine einzige Art von Körpern, die Zellen (Cellulae) aufzuführen haben. Nach derjenigen Auffassung des thierischen und pflanzlichen Organismus, welche der unsrigen am nächsten steht, ist derselbe ent- weder eine einzige einfache Zelle oder ein einheitliches Aggregat von mehreren, entweder gleichartigen oder differenzirten Zellen. Die Zelle ist hiernach das allgemeine Form-Element oder das Elementar-Organ aller Organismen und wird als solches jetzt häufig als Elementar-
I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
Neuntes Capitel. Morphologische Individualität der Organismen.
„Die Pflanze erscheint fast nur einen Augen- blick als Individuum, und zwar da, wenn sie sich als Samenkorn von der Mutterpflanze los- löst. In dem Verfolg des Keimens erscheint sie schon als ein Vielfaches, an welchem nicht allein ein identischer Theil aus identischen Theilen entspringt, sondern auch diese Theile durch Suc- ecssion verschieden ausgebildet werden, so dass ein mannichfaltiges, scheinbar verbundenes Ganzes zuletzt vor unseren Augen dasteht. Allein dass dieses scheinbare Ganze aus sehr unabhängigen Theilen bestehe, giebt theils der Augenschein, theils die Erfahrung: denn Pflanzen, in viele Theile getrennt und zerrissen, werden wieder als eben so viele scheinbare Ganze aus der Erde hervorsprossen.“ Goethe.
I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden oder Plasmastücke.
I. 1. Unterscheidung von Cytoden und Zellen.
Als morphologische Individuen erster und niedrigster Ordnung würden wir, der gegenwärtig herrschenden Auffassung gemäss, nur eine einzige Art von Körpern, die Zellen (Cellulae) aufzuführen haben. Nach derjenigen Auffassung des thierischen und pflanzlichen Organismus, welche der unsrigen am nächsten steht, ist derselbe ent- weder eine einzige einfache Zelle oder ein einheitliches Aggregat von mehreren, entweder gleichartigen oder differenzirten Zellen. Die Zelle ist hiernach das allgemeine Form-Element oder das Elementar-Organ aller Organismen und wird als solches jetzt häufig als Elementar-
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I. Morphologische Individuen erster Ordnung: Plastiden.
Neuntes Capitel.
Morphologische Individualität der Organismen.
„Die Pflanze erscheint fast nur einen Augen-
blick als Individuum, und zwar da, wenn sie
sich als Samenkorn von der Mutterpflanze los-
löst. In dem Verfolg des Keimens erscheint sie
schon als ein Vielfaches, an welchem nicht allein
ein identischer Theil aus identischen Theilen
entspringt, sondern auch diese Theile durch Suc-
ecssion verschieden ausgebildet werden, so dass
ein mannichfaltiges, scheinbar verbundenes Ganzes
zuletzt vor unseren Augen dasteht. Allein dass
dieses scheinbare Ganze aus sehr unabhängigen
Theilen bestehe, giebt theils der Augenschein,
theils die Erfahrung: denn Pflanzen, in viele
Theile getrennt und zerrissen, werden wieder als
eben so viele scheinbare Ganze aus der Erde
hervorsprossen.“
Goethe.
I. Morphologische Individuen erster Ordnung:
Plastiden oder Plasmastücke.
I. 1. Unterscheidung von Cytoden und Zellen.
Als morphologische Individuen erster und niedrigster Ordnung
würden wir, der gegenwärtig herrschenden Auffassung gemäss, nur
eine einzige Art von Körpern, die Zellen (Cellulae) aufzuführen
haben. Nach derjenigen Auffassung des thierischen und pflanzlichen
Organismus, welche der unsrigen am nächsten steht, ist derselbe ent-
weder eine einzige einfache Zelle oder ein einheitliches Aggregat von
mehreren, entweder gleichartigen oder differenzirten Zellen. Die Zelle
ist hiernach das allgemeine Form-Element oder das Elementar-Organ
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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