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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Morphologische Individualität der Organismen.
Organismen, der Plastiden anwenden können. Hier scheinen nun die
beiden Functionen der Erblichkeit und der Anpassung bei den kern-
losen Cytoden noch nicht auf differente Substanzen vertheilt zu sein,
sondern der gesammten homogenen Materie des Plasma zu inhäriren,
während dieselben bei den kernführenden Zellen in der Weise auf
die beiden heterogenen activen Substanzen der Zelle vertheilt sind,
dass der innere Kern die Vererbung der erblichen Charactere,
das äussere Plasma dagegen die Anpassung, die Accommodation
oder Adaptation an die Verhältnisse der Aussenwelt zu besorgen hat.

Für diese Auffassung dürfte auch namentlich die bedeutende Rolle
sprechen, welche der Kern allgemein bei der Fortpflanzung der
Zellen spielt. Fast immer geht der Theilung des Plasma die Thei-
lung des Zellenkerns vorher und die beiden so entstandenen Kerne
wirken nun als selbstständige Attractionscentra, um welche sich die
Substanz des Plasma sammelt. Das Plasma dagegen ist von grös-
serer Bedeutung für die Ernährung der Zelle. Ihm scheint bei der
Zellenvermehrung eine mehr passive Rolle zugetheilt zu sein, und seine
Hauptaufgabe scheint in der Zuführung des Nahrungs-Materials zum
Kerne, und in der Vermittlung des Verkehrs der Zelle mit der Aus-
senwelt zu liegen. Wenn wir demgemäss das Plasma vorzugsweise
als den nutritiven, den Nucleus dagegen vorzugsweise als den
reproductiven Bestandtheil der Zelle ansehen können, und wenn
wir dazu den im fünften Buche nachgewiesenen Zusammenhang einer-
seits zwischen der Ernährung und Anpassung, andererseits zwischen
der Fortpflanzung und Erblichkeit in Erwägung ziehen, so werden wir
mit Recht den Kern der Zellen als das hauptsächliche Organ der
Vererbung, das Plasma als das hauptsächliche Organ der An-
passung
betrachten können. Bei den Cytoden, wo Kern und Plasma
noch nicht differenzirt sind, werden wir das gesammte Plasma als
das gemeinsame Organ beider Functionen zu betrachten haben.

Hieraus ergiebt sich, dass der Kern nicht bloss als ein Reservekör-
per für das Plasma zu betrachten ist, wie diese Auffassung namentlich
von Beale neuerdings vertreten worden ist. Gewiss ist es ein gros-
ses Verdienst von Beale, die activen Theile der Gewebe (als "germinal
matter"
oder Keimsubstanz) als die eigentlich lebenden und bildenden
Elementar-Organismen, scharf von den passiven Theilen (der "formed
matter",
oder geformten Substanz) getrennt zu haben. Auch ist es ge-
wiss sehr richtig, wenn er die Zellmembran und die Intercellular-
substanzen lediglich als geformte Substanzen und das Plasma nebst
Kern vorzugsweise als bildende Substanz auffasst. Dagegen geht er
wohl zu weit, wenn er das Plasma stets in demselben Grade, als es
äusserlich durch Bildung anderer Stoffe abgenutzt, aufgebraucht wird,
von innen her, durch Auflösung der äussern Kernschichten, ersetzt

Morphologische Individualität der Organismen.
Organismen, der Plastiden anwenden können. Hier scheinen nun die
beiden Functionen der Erblichkeit und der Anpassung bei den kern-
losen Cytoden noch nicht auf differente Substanzen vertheilt zu sein,
sondern der gesammten homogenen Materie des Plasma zu inhäriren,
während dieselben bei den kernführenden Zellen in der Weise auf
die beiden heterogenen activen Substanzen der Zelle vertheilt sind,
dass der innere Kern die Vererbung der erblichen Charactere,
das äussere Plasma dagegen die Anpassung, die Accommodation
oder Adaptation an die Verhältnisse der Aussenwelt zu besorgen hat.

Für diese Auffassung dürfte auch namentlich die bedeutende Rolle
sprechen, welche der Kern allgemein bei der Fortpflanzung der
Zellen spielt. Fast immer geht der Theilung des Plasma die Thei-
lung des Zellenkerns vorher und die beiden so entstandenen Kerne
wirken nun als selbstständige Attractionscentra, um welche sich die
Substanz des Plasma sammelt. Das Plasma dagegen ist von grös-
serer Bedeutung für die Ernährung der Zelle. Ihm scheint bei der
Zellenvermehrung eine mehr passive Rolle zugetheilt zu sein, und seine
Hauptaufgabe scheint in der Zuführung des Nahrungs-Materials zum
Kerne, und in der Vermittlung des Verkehrs der Zelle mit der Aus-
senwelt zu liegen. Wenn wir demgemäss das Plasma vorzugsweise
als den nutritiven, den Nucleus dagegen vorzugsweise als den
reproductiven Bestandtheil der Zelle ansehen können, und wenn
wir dazu den im fünften Buche nachgewiesenen Zusammenhang einer-
seits zwischen der Ernährung und Anpassung, andererseits zwischen
der Fortpflanzung und Erblichkeit in Erwägung ziehen, so werden wir
mit Recht den Kern der Zellen als das hauptsächliche Organ der
Vererbung, das Plasma als das hauptsächliche Organ der An-
passung
betrachten können. Bei den Cytoden, wo Kern und Plasma
noch nicht differenzirt sind, werden wir das gesammte Plasma als
das gemeinsame Organ beider Functionen zu betrachten haben.

Hieraus ergiebt sich, dass der Kern nicht bloss als ein Reservekör-
per für das Plasma zu betrachten ist, wie diese Auffassung namentlich
von Beale neuerdings vertreten worden ist. Gewiss ist es ein gros-
ses Verdienst von Beale, die activen Theile der Gewebe (als „germinal
matter“
oder Keimsubstanz) als die eigentlich lebenden und bildenden
Elementar-Organismen, scharf von den passiven Theilen (der „formed
matter“,
oder geformten Substanz) getrennt zu haben. Auch ist es ge-
wiss sehr richtig, wenn er die Zellmembran und die Intercellular-
substanzen lediglich als geformte Substanzen und das Plasma nebst
Kern vorzugsweise als bildende Substanz auffasst. Dagegen geht er
wohl zu weit, wenn er das Plasma stets in demselben Grade, als es
äusserlich durch Bildung anderer Stoffe abgenutzt, aufgebraucht wird,
von innen her, durch Auflösung der äussern Kernschichten, ersetzt

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[288/0327] Morphologische Individualität der Organismen. Organismen, der Plastiden anwenden können. Hier scheinen nun die beiden Functionen der Erblichkeit und der Anpassung bei den kern- losen Cytoden noch nicht auf differente Substanzen vertheilt zu sein, sondern der gesammten homogenen Materie des Plasma zu inhäriren, während dieselben bei den kernführenden Zellen in der Weise auf die beiden heterogenen activen Substanzen der Zelle vertheilt sind, dass der innere Kern die Vererbung der erblichen Charactere, das äussere Plasma dagegen die Anpassung, die Accommodation oder Adaptation an die Verhältnisse der Aussenwelt zu besorgen hat. Für diese Auffassung dürfte auch namentlich die bedeutende Rolle sprechen, welche der Kern allgemein bei der Fortpflanzung der Zellen spielt. Fast immer geht der Theilung des Plasma die Thei- lung des Zellenkerns vorher und die beiden so entstandenen Kerne wirken nun als selbstständige Attractionscentra, um welche sich die Substanz des Plasma sammelt. Das Plasma dagegen ist von grös- serer Bedeutung für die Ernährung der Zelle. Ihm scheint bei der Zellenvermehrung eine mehr passive Rolle zugetheilt zu sein, und seine Hauptaufgabe scheint in der Zuführung des Nahrungs-Materials zum Kerne, und in der Vermittlung des Verkehrs der Zelle mit der Aus- senwelt zu liegen. Wenn wir demgemäss das Plasma vorzugsweise als den nutritiven, den Nucleus dagegen vorzugsweise als den reproductiven Bestandtheil der Zelle ansehen können, und wenn wir dazu den im fünften Buche nachgewiesenen Zusammenhang einer- seits zwischen der Ernährung und Anpassung, andererseits zwischen der Fortpflanzung und Erblichkeit in Erwägung ziehen, so werden wir mit Recht den Kern der Zellen als das hauptsächliche Organ der Vererbung, das Plasma als das hauptsächliche Organ der An- passung betrachten können. Bei den Cytoden, wo Kern und Plasma noch nicht differenzirt sind, werden wir das gesammte Plasma als das gemeinsame Organ beider Functionen zu betrachten haben. Hieraus ergiebt sich, dass der Kern nicht bloss als ein Reservekör- per für das Plasma zu betrachten ist, wie diese Auffassung namentlich von Beale neuerdings vertreten worden ist. Gewiss ist es ein gros- ses Verdienst von Beale, die activen Theile der Gewebe (als „germinal matter“ oder Keimsubstanz) als die eigentlich lebenden und bildenden Elementar-Organismen, scharf von den passiven Theilen (der „formed matter“, oder geformten Substanz) getrennt zu haben. Auch ist es ge- wiss sehr richtig, wenn er die Zellmembran und die Intercellular- substanzen lediglich als geformte Substanzen und das Plasma nebst Kern vorzugsweise als bildende Substanz auffasst. Dagegen geht er wohl zu weit, wenn er das Plasma stets in demselben Grade, als es äusserlich durch Bildung anderer Stoffe abgenutzt, aufgebraucht wird, von innen her, durch Auflösung der äussern Kernschichten, ersetzt

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/327>, abgerufen am 26.11.2024.