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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe.
gans an sich ohne besondere Bedeutung ist. Die letztere erfolgt ohne
Rücksicht darauf, ob die einzelnen Zellen, wie bei den Cytocormen,
hautlos und innig verschmolzen, oder ob sie durch Membranen oder
Intercellularsubstanzen getrennt und also relativ selbstständig sind.

Als solche einfache oder homoplastische Organe lassen sich bei
Wirbelthieren anführen die gesammte Oberhaut (Epidermis) sammt
ihren Anhängen (Haare, Nägel, Schuppen, Drüsen etc.) die Krystall-
linse (Epidermis-Product), Knorpel (Chorda dorsalis, viele Arten von
hyalinem und faserigem Knorpel), und manche andere, gefässlose und
nervenlose Formen der Bindesubstanz, z. B. das Schleimgewebe der
Whartonschen Sulze des Nabelstranges. Unter den Pflanzen sind
gleiche einfache oder homoplastische Organe insbesondere auf den
niederen Stufen sehr verbreitet, und es gehören dahin alle diejenigen
Blattorgane und Axenorgane, welche nur aus einer einzigen Art von
Plastiden (aus einem einzigen Gewebe) zusammengesetzt sind (z. B. der
Thallus vieler Cryptogamen, die Blätter vieler Zellencryptogamen etc.)

C. Organe dritter Ordnung:
Zusammengesetzte oder heteroplastische Organe.

(Ungleichartige Plastiden-Gemeinden oder heterogene Plastiden-Complexe.)
Heteroplasten. "Organe" im engsten Sinne.

Die bei weitem grösste Mehrzahl aller Organe besteht bei den
höheren Organismen, sowohl Thieren als Pflanzen, nicht aus einer
einzigen, sondern aus mehreren Arten von Zellen oder Geweben, in-
dem mehrere verschieden differenzirte Zellcomplexe, seien es Organe
erster oder zweiter Ordnung, sich vereinigen, um ein Organ dritter
Ordnung, ein zusammengesetztes oder heteroplastisches Organ
zu bilden. Die zwischen den anfänglich gleichartigen Zellen eingetre-
tene Arbeitstheilung befähigt dieselben in ihrer Verbindung zu einem
einheitlichen Ganzen zu höheren Leistungen.

Bei der grossen Mehrzahl der Thiere ist die Zusammensetzung
der meisten Organe aus mehreren Geweben, aus mehr als einer Art
von Zellen, schon dadurch bedingt, dass in sehr früher Zeit des Lebens
eine, später immer weiter gehende Differenzirung der anfangs gleich-
artigen Plastiden eintritt, und dass aus dieser Gewebs-Differenzirung
einerseits sehr verschiedenartig zusammengesetzte Organe hervorgehen,
andererseits eigenthümliche Relations-Organe oder Centralisations-
Organe, welche die verschiedenen anderen Organe in mehr oder
weniger nahe Verbindung unter einander und mit den Central-Organen
bringen. Ein solches Beziehungs-Organ des Thierleibes ist das Nerven-
system, ein anderes das ernährende Gefässsystem. Ferner wird eine
räumliche Verbindung und zugleich Sonderung der benachbarten Or-

II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe.
gans an sich ohne besondere Bedeutung ist. Die letztere erfolgt ohne
Rücksicht darauf, ob die einzelnen Zellen, wie bei den Cytocormen,
hautlos und innig verschmolzen, oder ob sie durch Membranen oder
Intercellularsubstanzen getrennt und also relativ selbstständig sind.

Als solche einfache oder homoplastische Organe lassen sich bei
Wirbelthieren anführen die gesammte Oberhaut (Epidermis) sammt
ihren Anhängen (Haare, Nägel, Schuppen, Drüsen etc.) die Krystall-
linse (Epidermis-Product), Knorpel (Chorda dorsalis, viele Arten von
hyalinem und faserigem Knorpel), und manche andere, gefässlose und
nervenlose Formen der Bindesubstanz, z. B. das Schleimgewebe der
Whartonschen Sulze des Nabelstranges. Unter den Pflanzen sind
gleiche einfache oder homoplastische Organe insbesondere auf den
niederen Stufen sehr verbreitet, und es gehören dahin alle diejenigen
Blattorgane und Axenorgane, welche nur aus einer einzigen Art von
Plastiden (aus einem einzigen Gewebe) zusammengesetzt sind (z. B. der
Thallus vieler Cryptogamen, die Blätter vieler Zellencryptogamen etc.)

C. Organe dritter Ordnung:
Zusammengesetzte oder heteroplastische Organe.

(Ungleichartige Plastiden-Gemeinden oder heterogene Plastiden-Complexe.)
Heteroplasten. „Organe“ im engsten Sinne.

Die bei weitem grösste Mehrzahl aller Organe besteht bei den
höheren Organismen, sowohl Thieren als Pflanzen, nicht aus einer
einzigen, sondern aus mehreren Arten von Zellen oder Geweben, in-
dem mehrere verschieden differenzirte Zellcomplexe, seien es Organe
erster oder zweiter Ordnung, sich vereinigen, um ein Organ dritter
Ordnung, ein zusammengesetztes oder heteroplastisches Organ
zu bilden. Die zwischen den anfänglich gleichartigen Zellen eingetre-
tene Arbeitstheilung befähigt dieselben in ihrer Verbindung zu einem
einheitlichen Ganzen zu höheren Leistungen.

Bei der grossen Mehrzahl der Thiere ist die Zusammensetzung
der meisten Organe aus mehreren Geweben, aus mehr als einer Art
von Zellen, schon dadurch bedingt, dass in sehr früher Zeit des Lebens
eine, später immer weiter gehende Differenzirung der anfangs gleich-
artigen Plastiden eintritt, und dass aus dieser Gewebs-Differenzirung
einerseits sehr verschiedenartig zusammengesetzte Organe hervorgehen,
andererseits eigenthümliche Relations-Organe oder Centralisations-
Organe, welche die verschiedenen anderen Organe in mehr oder
weniger nahe Verbindung unter einander und mit den Central-Organen
bringen. Ein solches Beziehungs-Organ des Thierleibes ist das Nerven-
system, ein anderes das ernährende Gefässsystem. Ferner wird eine
räumliche Verbindung und zugleich Sonderung der benachbarten Or-

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[299/0338] II. Morphologische Individuen zweiter Ordnung: Organe. gans an sich ohne besondere Bedeutung ist. Die letztere erfolgt ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Zellen, wie bei den Cytocormen, hautlos und innig verschmolzen, oder ob sie durch Membranen oder Intercellularsubstanzen getrennt und also relativ selbstständig sind. Als solche einfache oder homoplastische Organe lassen sich bei Wirbelthieren anführen die gesammte Oberhaut (Epidermis) sammt ihren Anhängen (Haare, Nägel, Schuppen, Drüsen etc.) die Krystall- linse (Epidermis-Product), Knorpel (Chorda dorsalis, viele Arten von hyalinem und faserigem Knorpel), und manche andere, gefässlose und nervenlose Formen der Bindesubstanz, z. B. das Schleimgewebe der Whartonschen Sulze des Nabelstranges. Unter den Pflanzen sind gleiche einfache oder homoplastische Organe insbesondere auf den niederen Stufen sehr verbreitet, und es gehören dahin alle diejenigen Blattorgane und Axenorgane, welche nur aus einer einzigen Art von Plastiden (aus einem einzigen Gewebe) zusammengesetzt sind (z. B. der Thallus vieler Cryptogamen, die Blätter vieler Zellencryptogamen etc.) C. Organe dritter Ordnung: Zusammengesetzte oder heteroplastische Organe. (Ungleichartige Plastiden-Gemeinden oder heterogene Plastiden-Complexe.) Heteroplasten. „Organe“ im engsten Sinne. Die bei weitem grösste Mehrzahl aller Organe besteht bei den höheren Organismen, sowohl Thieren als Pflanzen, nicht aus einer einzigen, sondern aus mehreren Arten von Zellen oder Geweben, in- dem mehrere verschieden differenzirte Zellcomplexe, seien es Organe erster oder zweiter Ordnung, sich vereinigen, um ein Organ dritter Ordnung, ein zusammengesetztes oder heteroplastisches Organ zu bilden. Die zwischen den anfänglich gleichartigen Zellen eingetre- tene Arbeitstheilung befähigt dieselben in ihrer Verbindung zu einem einheitlichen Ganzen zu höheren Leistungen. Bei der grossen Mehrzahl der Thiere ist die Zusammensetzung der meisten Organe aus mehreren Geweben, aus mehr als einer Art von Zellen, schon dadurch bedingt, dass in sehr früher Zeit des Lebens eine, später immer weiter gehende Differenzirung der anfangs gleich- artigen Plastiden eintritt, und dass aus dieser Gewebs-Differenzirung einerseits sehr verschiedenartig zusammengesetzte Organe hervorgehen, andererseits eigenthümliche Relations-Organe oder Centralisations- Organe, welche die verschiedenen anderen Organe in mehr oder weniger nahe Verbindung unter einander und mit den Central-Organen bringen. Ein solches Beziehungs-Organ des Thierleibes ist das Nerven- system, ein anderes das ernährende Gefässsystem. Ferner wird eine räumliche Verbindung und zugleich Sonderung der benachbarten Or-

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/338>, abgerufen am 02.06.2024.