sich erinnert, dass auch die Blüthenstände der Phanerogamen als be- sondere Stöcke (als sexuelle Cormen) aufgefasst und von den ge- schlechtslosen Cormen (verzweigten blüthenlosen Aesten) unterschieden werden müssen. In Beiden verhält sich die physiologische Individua- lität verschieden. Es sind nicht alle Stöcke in gleichem Maasse fähig, als actuelle, virtuelle und partielle Bionten aufzutreten.
VI. A. Die Stöcke als actuelle Bionten.
Bei allen Arten von Organismen, welche überhaupt zur Stock- bildung gelangen, wird die reife, ausgebildete und fortpflanzungsfähige Species-Form durch das morphologische Individuum sechster Ordnung repräsentirt. Es ist also hier jedes entwickelte und vollkommen aus- gebildete Bion ein echter Stock (Cormus) in dem Sinne, wie wir diesen morphologischen Begriff oben festgestellt haben. Dies ist der Fall bei der grossen Mehrzahl aller Phanerogamen und bei sehr vielen Crypto- gamen, unter den Thieren aber nur bei einer grossen Anzahl von Coelenteraten (vielen Hydromedusen und Anthozoen) und bei einer geringen Anzahl von Mollusken (Botrylliden und gegliederten Bryozoen). Alle verschiedenen Formen der Stöcke, welche wir oben unterschieden haben, kommen hier vor. Die einfachen Stöcke (Cormi simplices) sind jedoch im Ganzen viel seltener, als die zusammengesetzten (Cormi compositi). Die grösste Mannichfaltigkeit in der Ausbildung der Cor- men als actueller Individuen wird einerseits durch das mehr oder minder bedeutende Uebergewicht des Hauptsprosses (Blastus primarius) über die Nebensprosse (Blasti secundarii) bedingt, andererseits durch die ausserordentlich verschiedenartig entwickelte Arbeitstheilung unter den Sprossen, welche den Cormus zusammensetzen. Unter den thie- rischen Cormen schliessen sich den Phanerogamen in dieser Beziehung am engsten die Siphonophoren-Stöcke an.
Der höchst complicirte Aufbau der zusammengesetzten Phanero- gamen-Stöcke aus zahlreichen über einander geordneten Generationen von einfachen Stöcken führt zur Bildung der colossalsten und gewal- tigsten Bionten, welche die organische Natur hervorbringt. Dahin gehören die riesigen Coniferen, welche die grösste Ausdehnung der or- ganischen Längsaxe unter allen Landbewohnern zeigen, und unter denen z. B. Pinus trigona, P. strobus, Araucaria excelsa etc. Stämme von gegen 300 Fuss Länge bilden; diese werden nur noch von den meerbe- wohnenden Algenriesen, der Macrocystis pyrifera etc. übertroffen, deren Hauptsprosse länger als 400 Fuss werden. Das Gewaltigste in der Entwickelung der Kreuzaxen leisten die imposanten Adansonien mit Stämmen von 30 Fuss Durchmesser. Als die Grossartigsten aller physiologischen Individuen müssen wir aber die Manglebäume (Rhizo- phora) und die indischen Feigenbäume (Ficus indica) betrachten, bei
VI. Die Stöcke als Bionten.
sich erinnert, dass auch die Blüthenstände der Phanerogamen als be- sondere Stöcke (als sexuelle Cormen) aufgefasst und von den ge- schlechtslosen Cormen (verzweigten blüthenlosen Aesten) unterschieden werden müssen. In Beiden verhält sich die physiologische Individua- lität verschieden. Es sind nicht alle Stöcke in gleichem Maasse fähig, als actuelle, virtuelle und partielle Bionten aufzutreten.
VI. A. Die Stöcke als actuelle Bionten.
Bei allen Arten von Organismen, welche überhaupt zur Stock- bildung gelangen, wird die reife, ausgebildete und fortpflanzungsfähige Species-Form durch das morphologische Individuum sechster Ordnung repräsentirt. Es ist also hier jedes entwickelte und vollkommen aus- gebildete Bion ein echter Stock (Cormus) in dem Sinne, wie wir diesen morphologischen Begriff oben festgestellt haben. Dies ist der Fall bei der grossen Mehrzahl aller Phanerogamen und bei sehr vielen Crypto- gamen, unter den Thieren aber nur bei einer grossen Anzahl von Coelenteraten (vielen Hydromedusen und Anthozoen) und bei einer geringen Anzahl von Mollusken (Botrylliden und gegliederten Bryozoen). Alle verschiedenen Formen der Stöcke, welche wir oben unterschieden haben, kommen hier vor. Die einfachen Stöcke (Cormi simplices) sind jedoch im Ganzen viel seltener, als die zusammengesetzten (Cormi compositi). Die grösste Mannichfaltigkeit in der Ausbildung der Cor- men als actueller Individuen wird einerseits durch das mehr oder minder bedeutende Uebergewicht des Hauptsprosses (Blastus primarius) über die Nebensprosse (Blasti secundarii) bedingt, andererseits durch die ausserordentlich verschiedenartig entwickelte Arbeitstheilung unter den Sprossen, welche den Cormus zusammensetzen. Unter den thie- rischen Cormen schliessen sich den Phanerogamen in dieser Beziehung am engsten die Siphonophoren-Stöcke an.
Der höchst complicirte Aufbau der zusammengesetzten Phanero- gamen-Stöcke aus zahlreichen über einander geordneten Generationen von einfachen Stöcken führt zur Bildung der colossalsten und gewal- tigsten Bionten, welche die organische Natur hervorbringt. Dahin gehören die riesigen Coniferen, welche die grösste Ausdehnung der or- ganischen Längsaxe unter allen Landbewohnern zeigen, und unter denen z. B. Pinus trigona, P. strobus, Araucaria excelsa etc. Stämme von gegen 300 Fuss Länge bilden; diese werden nur noch von den meerbe- wohnenden Algenriesen, der Macrocystis pyrifera etc. übertroffen, deren Hauptsprosse länger als 400 Fuss werden. Das Gewaltigste in der Entwickelung der Kreuzaxen leisten die imposanten Adansonien mit Stämmen von 30 Fuss Durchmesser. Als die Grossartigsten aller physiologischen Individuen müssen wir aber die Manglebäume (Rhizo- phora) und die indischen Feigenbäume (Ficus indica) betrachten, bei
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VI. Die Stöcke als Bionten.
sich erinnert, dass auch die Blüthenstände der Phanerogamen als be-
sondere Stöcke (als sexuelle Cormen) aufgefasst und von den ge-
schlechtslosen Cormen (verzweigten blüthenlosen Aesten) unterschieden
werden müssen. In Beiden verhält sich die physiologische Individua-
lität verschieden. Es sind nicht alle Stöcke in gleichem Maasse fähig,
als actuelle, virtuelle und partielle Bionten aufzutreten.
VI. A. Die Stöcke als actuelle Bionten.
Bei allen Arten von Organismen, welche überhaupt zur Stock-
bildung gelangen, wird die reife, ausgebildete und fortpflanzungsfähige
Species-Form durch das morphologische Individuum sechster Ordnung
repräsentirt. Es ist also hier jedes entwickelte und vollkommen aus-
gebildete Bion ein echter Stock (Cormus) in dem Sinne, wie wir diesen
morphologischen Begriff oben festgestellt haben. Dies ist der Fall bei
der grossen Mehrzahl aller Phanerogamen und bei sehr vielen Crypto-
gamen, unter den Thieren aber nur bei einer grossen Anzahl von
Coelenteraten (vielen Hydromedusen und Anthozoen) und bei einer
geringen Anzahl von Mollusken (Botrylliden und gegliederten Bryozoen).
Alle verschiedenen Formen der Stöcke, welche wir oben unterschieden
haben, kommen hier vor. Die einfachen Stöcke (Cormi simplices)
sind jedoch im Ganzen viel seltener, als die zusammengesetzten (Cormi
compositi). Die grösste Mannichfaltigkeit in der Ausbildung der Cor-
men als actueller Individuen wird einerseits durch das mehr oder
minder bedeutende Uebergewicht des Hauptsprosses (Blastus primarius)
über die Nebensprosse (Blasti secundarii) bedingt, andererseits durch
die ausserordentlich verschiedenartig entwickelte Arbeitstheilung unter
den Sprossen, welche den Cormus zusammensetzen. Unter den thie-
rischen Cormen schliessen sich den Phanerogamen in dieser Beziehung
am engsten die Siphonophoren-Stöcke an.
Der höchst complicirte Aufbau der zusammengesetzten Phanero-
gamen-Stöcke aus zahlreichen über einander geordneten Generationen
von einfachen Stöcken führt zur Bildung der colossalsten und gewal-
tigsten Bionten, welche die organische Natur hervorbringt. Dahin
gehören die riesigen Coniferen, welche die grösste Ausdehnung der or-
ganischen Längsaxe unter allen Landbewohnern zeigen, und unter denen
z. B. Pinus trigona, P. strobus, Araucaria excelsa etc. Stämme von
gegen 300 Fuss Länge bilden; diese werden nur noch von den meerbe-
wohnenden Algenriesen, der Macrocystis pyrifera etc. übertroffen, deren
Hauptsprosse länger als 400 Fuss werden. Das Gewaltigste in der
Entwickelung der Kreuzaxen leisten die imposanten Adansonien mit
Stämmen von 30 Fuss Durchmesser. Als die Grossartigsten aller
physiologischen Individuen müssen wir aber die Manglebäume (Rhizo-
phora) und die indischen Feigenbäume (Ficus indica) betrachten, bei
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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/400>, abgerufen am 23.11.2024.
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