Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.III. Morphologie und Chemie. übliche erhebt, sagt in dieser Beziehung mit Recht, "dass die Kenntnissder chemischen Natur des lebensfähigen Substrates einen integri- renden Theil der statischen Biologie ausmacht, insofern die während des Lebens auftretenden chemischen Vorgänge, (welche das Object der Physiologie bilden) nicht verstanden werden können ohne das Ver- ständniss der chemischen Mittel, die das Substrat mit sich bringt." Freilich wird gewöhnlich auch dieser Theil der Chemie von der Phy- siologie beansprucht; so sehr aber auch praktische Gründe diese An- nexion rechtfertigen (so vor Allem der Mangel an chemischen Kennt- nissen bei den meisten Morphologen), so kann doch theoretisch die- selbe nicht zugestanden werden; vielmehr müssen wir die Chemie der Substrate von unserem Standpunkt aus als rein statisch der Mor- phologie zuweisen. So ist sie von Schleiden in seinen ausgezeich- neten Grundzügen der wissenschaftlichen Botanik als "vegetabilische oder botanische Stofflehre" der Lehre von der Pflanzenzelle und der Morphologie vorausgeschickt worden. Ebenso sollte auch die "thie- rische Stofflehre" als erstes Capitel der thierischen Morphologie vor- ausgehen. Indess fügen wir dieser theoretisch berechtigten Forderung zugleich die Entschuldigung bei, dass der unvollkommene Zustand dieses Theils der Wissenschaft, und vor Allem unsere höchst mangel- hafte Kenntniss von dem Causal-Zusammenhang zwischen Stoff und Form allerdings zunächst eine Ausscheidung der statischen Chemie aus dem Arbeitsgebiet der Morphologie rechtfertigen, und dass wir selbst aus diesen Gründen auf eine allgemeine Darstellung der che- mischen Substrate der Organismen in unserer generellen Morphologie grösstentheils verzichten werden. Die dynamische Chemie, welche sich der Physik unterordnet, III. Morphologie und Chemie. übliche erhebt, sagt in dieser Beziehung mit Recht, „dass die Kenntnissder chemischen Natur des lebensfähigen Substrates einen integri- renden Theil der statischen Biologie ausmacht, insofern die während des Lebens auftretenden chemischen Vorgänge, (welche das Object der Physiologie bilden) nicht verstanden werden können ohne das Ver- ständniss der chemischen Mittel, die das Substrat mit sich bringt.“ Freilich wird gewöhnlich auch dieser Theil der Chemie von der Phy- siologie beansprucht; so sehr aber auch praktische Gründe diese An- nexion rechtfertigen (so vor Allem der Mangel an chemischen Kennt- nissen bei den meisten Morphologen), so kann doch theoretisch die- selbe nicht zugestanden werden; vielmehr müssen wir die Chemie der Substrate von unserem Standpunkt aus als rein statisch der Mor- phologie zuweisen. So ist sie von Schleiden in seinen ausgezeich- neten Grundzügen der wissenschaftlichen Botanik als „vegetabilische oder botanische Stofflehre“ der Lehre von der Pflanzenzelle und der Morphologie vorausgeschickt worden. Ebenso sollte auch die „thie- rische Stofflehre“ als erstes Capitel der thierischen Morphologie vor- ausgehen. Indess fügen wir dieser theoretisch berechtigten Forderung zugleich die Entschuldigung bei, dass der unvollkommene Zustand dieses Theils der Wissenschaft, und vor Allem unsere höchst mangel- hafte Kenntniss von dem Causal-Zusammenhang zwischen Stoff und Form allerdings zunächst eine Ausscheidung der statischen Chemie aus dem Arbeitsgebiet der Morphologie rechtfertigen, und dass wir selbst aus diesen Gründen auf eine allgemeine Darstellung der che- mischen Substrate der Organismen in unserer generellen Morphologie grösstentheils verzichten werden. 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III. Morphologie und Chemie.
übliche erhebt, sagt in dieser Beziehung mit Recht, „dass die Kenntniss
der chemischen Natur des lebensfähigen Substrates einen integri-
renden Theil der statischen Biologie ausmacht, insofern die während
des Lebens auftretenden chemischen Vorgänge, (welche das Object
der Physiologie bilden) nicht verstanden werden können ohne das Ver-
ständniss der chemischen Mittel, die das Substrat mit sich bringt.“
Freilich wird gewöhnlich auch dieser Theil der Chemie von der Phy-
siologie beansprucht; so sehr aber auch praktische Gründe diese An-
nexion rechtfertigen (so vor Allem der Mangel an chemischen Kennt-
nissen bei den meisten Morphologen), so kann doch theoretisch die-
selbe nicht zugestanden werden; vielmehr müssen wir die Chemie der
Substrate von unserem Standpunkt aus als rein statisch der Mor-
phologie zuweisen. So ist sie von Schleiden in seinen ausgezeich-
neten Grundzügen der wissenschaftlichen Botanik als „vegetabilische
oder botanische Stofflehre“ der Lehre von der Pflanzenzelle und der
Morphologie vorausgeschickt worden. Ebenso sollte auch die „thie-
rische Stofflehre“ als erstes Capitel der thierischen Morphologie vor-
ausgehen. Indess fügen wir dieser theoretisch berechtigten Forderung
zugleich die Entschuldigung bei, dass der unvollkommene Zustand
dieses Theils der Wissenschaft, und vor Allem unsere höchst mangel-
hafte Kenntniss von dem Causal-Zusammenhang zwischen Stoff und
Form allerdings zunächst eine Ausscheidung der statischen Chemie
aus dem Arbeitsgebiet der Morphologie rechtfertigen, und dass wir
selbst aus diesen Gründen auf eine allgemeine Darstellung der che-
mischen Substrate der Organismen in unserer generellen Morphologie
grösstentheils verzichten werden.
Die dynamische Chemie, welche sich der Physik unterordnet,
ist die Chemie der Processe und strebt nach der Erkenntniss
der chemischen Veränderungen, des Stoffwechsels in den Natur-
körpern, deren Function Object der Betrachtung ist. Auf dem Ge-
biete der Abiologie würde hierher der chemische Theil der Meteoro-
logie und der Geologie gehören, die Lehre von den in der anorga-
nischen Natur auftretenden Zersetzungsprocessen der Mineralien, des
Wassers, der atmosphärischen Luft etc. Auf dem Gebiete der Biologie
dagegen würden wir hierher die eigentliche „physiologische Chemie“
im wahren Sinne des Worts rechnen müssen, d. h. die Lehre von den
chemischen Processen der lebenden Naturkörper, die Lehre von den
Veränderungen in ihrer chemischen Zusammensetzung, welche mit den
Bewegungs-Erscheinungen, die wir Leben nennen, wesentlich verbun-
den sind. Dieser Theil der „Zoochemie“ und „Phytochemie“ ist es,
welcher einen integrirenden und höchst wesentlichen Bestandtheil der
Physiologie bildet, sobald wir die Chemie als der Statik und Dynamik
subordinirt betrachten.
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