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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften.
ten, so erhalten wir durch ihre Spaltung in einen biologischen und in
einen abiologischen Zweig folgendes Verhältniss von sechs coordinirten
Disciplinen.

1, Die Chemie, und zwar die vereinigte Chemie der Substrate
und der Processe, zerfällt in die beiden Aeste der anorganischen und
organischen Stofflehre. Da diese Begriffe in mehrfach verschiedenem
und unbestimmtem Sinne gebraucht werden, so wird die anorganische
Chemie besser als abiologische oder als Chemie der Anorgane be-
zeichnet, die organische richtiger als biologische oder Chemie der
Organismen
.
2, Die Physik oder Dynamik spaltet sich in die beiden Aeste
der anorganischen (Abiodynamik) und der organischen Kraftlehre
(Biodynamik). Die anorganische oder abiologische Physik, welche
die Leistungen der Anorgane untersucht, wird gewöhnlich als Physik
im engsten Sinne bezeichnet. Dagegen ist für die organische oder bio-
logische Physik (Biodynamik), welche die Functionen der Organis-
men erforscht, allgemein die Bezeichnung der Physiologie gebräuch-
lich. In dem beschränkten Sinne, in welchem letztere jetzt meistens
aufgefasst wird, ist sie in der That lediglich eine "Dynamik der Or-
ganismen" und entspricht mithin vollkommen der Dynamik oder Phy-
sik der Anorgane. Es ist also der Begriff der heutigen Physiologie
von beträchtlich geringerem Umfang und entsprechend grösserem In-
halt, als der Begriff der früheren Physiologie, welche nicht bloss die
Function, sondern zugleich die Gestaltung der Organismen unter-
suchte und mit unserer heutigen Biologie identisch ist. So ist z. B.
Johannes Müller's klassisches und unübertroffenes Werk, welches
den bescheidenen Titel eines "Handbuchs der Physiologie des Men-
schen" führt, vielmehr eine umfassende allgemeine vergleichende Bio-
logie der Thiere (und bis zu gewissem Grade selbst der Organismen,
insofern auch die Biologie der Pflanzen darin vielfach vergleichend
berücksichtigt wird).
3, Die Morphologie oder Statik endlich theilt sich in die beiden
Aeste der anorganischen und organischen Formenlehre. Die anorga-
nische oder abiologische Formenlehre (Abiostatik), umfasst die
Krystallographie, die Lehre von der Form der tropfbaren und elasti-
schen Flüssigkeiten im Gleichgewicht (Hydrostatik, Aerostatik etc.).
Ihr steht coordinirt und parallel gegenüber die Morphologie der Orga-
nismen, die organische oder biologische Formenlehre (Biostatik),
deren allgemeine Darstellung Gegenstand des vorliegenden Werkes ist.
Dass die sechs Wissenschaften, welche wir durch diese Eintheilung
der Gesammtwissenschaft von den irdischen Naturkörpern erhalten,
von dem oben sub II. erörterten Gesichtspunkte aus ihrem Range nach
beigeordnet sind und neben einander stehen, liegt auf der Hand. Die

Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften.
ten, so erhalten wir durch ihre Spaltung in einen biologischen und in
einen abiologischen Zweig folgendes Verhältniss von sechs coordinirten
Disciplinen.

1, Die Chemie, und zwar die vereinigte Chemie der Substrate
und der Processe, zerfällt in die beiden Aeste der anorganischen und
organischen Stofflehre. Da diese Begriffe in mehrfach verschiedenem
und unbestimmtem Sinne gebraucht werden, so wird die anorganische
Chemie besser als abiologische oder als Chemie der Anorgane be-
zeichnet, die organische richtiger als biologische oder Chemie der
Organismen
.
2, Die Physik oder Dynamik spaltet sich in die beiden Aeste
der anorganischen (Abiodynamik) und der organischen Kraftlehre
(Biodynamik). Die anorganische oder abiologische Physik, welche
die Leistungen der Anorgane untersucht, wird gewöhnlich als Physik
im engsten Sinne bezeichnet. Dagegen ist für die organische oder bio-
logische Physik (Biodynamik), welche die Functionen der Organis-
men erforscht, allgemein die Bezeichnung der Physiologie gebräuch-
lich. In dem beschränkten Sinne, in welchem letztere jetzt meistens
aufgefasst wird, ist sie in der That lediglich eine „Dynamik der Or-
ganismen“ und entspricht mithin vollkommen der Dynamik oder Phy-
sik der Anorgane. Es ist also der Begriff der heutigen Physiologie
von beträchtlich geringerem Umfang und entsprechend grösserem In-
halt, als der Begriff der früheren Physiologie, welche nicht bloss die
Function, sondern zugleich die Gestaltung der Organismen unter-
suchte und mit unserer heutigen Biologie identisch ist. So ist z. B.
Johannes Müller’s klassisches und unübertroffenes Werk, welches
den bescheidenen Titel eines „Handbuchs der Physiologie des Men-
schen“ führt, vielmehr eine umfassende allgemeine vergleichende Bio-
logie der Thiere (und bis zu gewissem Grade selbst der Organismen,
insofern auch die Biologie der Pflanzen darin vielfach vergleichend
berücksichtigt wird).
3, Die Morphologie oder Statik endlich theilt sich in die beiden
Aeste der anorganischen und organischen Formenlehre. Die anorga-
nische oder abiologische Formenlehre (Abiostatik), umfasst die
Krystallographie, die Lehre von der Form der tropfbaren und elasti-
schen Flüssigkeiten im Gleichgewicht (Hydrostatik, Aërostatik etc.).
Ihr steht coordinirt und parallel gegenüber die Morphologie der Orga-
nismen, die organische oder biologische Formenlehre (Biostatik),
deren allgemeine Darstellung Gegenstand des vorliegenden Werkes ist.
Dass die sechs Wissenschaften, welche wir durch diese Eintheilung
der Gesammtwissenschaft von den irdischen Naturkörpern erhalten,
von dem oben sub II. erörterten Gesichtspunkte aus ihrem Range nach
beigeordnet sind und neben einander stehen, liegt auf der Hand. Die
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[18/0057] Verhältniss der Morphologie zu den anderen Naturwissenschaften. ten, so erhalten wir durch ihre Spaltung in einen biologischen und in einen abiologischen Zweig folgendes Verhältniss von sechs coordinirten Disciplinen. 1, Die Chemie, und zwar die vereinigte Chemie der Substrate und der Processe, zerfällt in die beiden Aeste der anorganischen und organischen Stofflehre. Da diese Begriffe in mehrfach verschiedenem und unbestimmtem Sinne gebraucht werden, so wird die anorganische Chemie besser als abiologische oder als Chemie der Anorgane be- zeichnet, die organische richtiger als biologische oder Chemie der Organismen. 2, Die Physik oder Dynamik spaltet sich in die beiden Aeste der anorganischen (Abiodynamik) und der organischen Kraftlehre (Biodynamik). Die anorganische oder abiologische Physik, welche die Leistungen der Anorgane untersucht, wird gewöhnlich als Physik im engsten Sinne bezeichnet. Dagegen ist für die organische oder bio- logische Physik (Biodynamik), welche die Functionen der Organis- men erforscht, allgemein die Bezeichnung der Physiologie gebräuch- lich. In dem beschränkten Sinne, in welchem letztere jetzt meistens aufgefasst wird, ist sie in der That lediglich eine „Dynamik der Or- ganismen“ und entspricht mithin vollkommen der Dynamik oder Phy- sik der Anorgane. Es ist also der Begriff der heutigen Physiologie von beträchtlich geringerem Umfang und entsprechend grösserem In- halt, als der Begriff der früheren Physiologie, welche nicht bloss die Function, sondern zugleich die Gestaltung der Organismen unter- suchte und mit unserer heutigen Biologie identisch ist. So ist z. B. Johannes Müller’s klassisches und unübertroffenes Werk, welches den bescheidenen Titel eines „Handbuchs der Physiologie des Men- schen“ führt, vielmehr eine umfassende allgemeine vergleichende Bio- logie der Thiere (und bis zu gewissem Grade selbst der Organismen, insofern auch die Biologie der Pflanzen darin vielfach vergleichend berücksichtigt wird). 3, Die Morphologie oder Statik endlich theilt sich in die beiden Aeste der anorganischen und organischen Formenlehre. Die anorga- nische oder abiologische Formenlehre (Abiostatik), umfasst die Krystallographie, die Lehre von der Form der tropfbaren und elasti- schen Flüssigkeiten im Gleichgewicht (Hydrostatik, Aërostatik etc.). Ihr steht coordinirt und parallel gegenüber die Morphologie der Orga- nismen, die organische oder biologische Formenlehre (Biostatik), deren allgemeine Darstellung Gegenstand des vorliegenden Werkes ist. Dass die sechs Wissenschaften, welche wir durch diese Eintheilung der Gesammtwissenschaft von den irdischen Naturkörpern erhalten, von dem oben sub II. erörterten Gesichtspunkte aus ihrem Range nach beigeordnet sind und neben einander stehen, liegt auf der Hand. Die

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/57>, abgerufen am 24.11.2024.