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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Promorphologische Thesen.
33. Bei den Centraxonien, den stereometrischen Grundformen mit
einer Mittellinie (Axe), ist die natürliche Mitte der Form eine Linie
(Hauptaxe oder Längsaxe); dies ist der Fall bei der Formengruppe
der Monaxonien (Sphaeroid, Doppelkegel, Ellipsoid, Cylinder, Ei, Kegel,
Hemisphaeroid, abgestumpfter Kegel); bei den Doppelpyramiden, den
regulären Pyramiden und den amphithecten Pyramiden.
34. Bei den Centrepipeden, den stereometrischen Grundformen mit
einer Mittelebene, ist die natürliche Mitte der Form einer Ebene (Me-
dianebene oder Sagittalebene). Dies ist der Fall bei der Formen-
gruppe der Zeugiten oder allopolen Heterostauren, deren allgemeine
Grundform die halbe amphithecte Pyramide ist.
35. Die Centrostigmen sind die niedersten und unvollkommensten,
die Centrepipeden die höchsten und vollkommensten organischen
Grundformen: zwischen Beiden in der Mitte stehen die Centraxonien.
36. Alle verschiedene Grundformen, welche als untergeordnete
Formarten dieser drei Hauptgruppen auftreten, lassen sich je nach
der fortschreitenden Differenzirung ihrer Axen und deren Pole in eine
aufsteigende Stufenleiter ordnen, deren Stufenordnung zugleich die
stufenweis fortschreitende Vollkommenheit der Form bezeichnet.
37. Es existirt also ein promorphologischer Vollkommenheits-
Grad jedes Organismus, welcher lediglich durch die Differenzirungs-
stufe seiner Grundform bedingt, und zunächst unabhängig von seinem
tectologischen Vollkommenheits-Grade ist.
V. Thesen von den lipostauren Grundformen.
38. In Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse der Axen zerfallen
alle organischen Grundformen in zwei grosse Gruppen, nämlich For-
men mit Kreuzaxen (Stauraxonia) und Formen ohne Kreuzaxen (Lipo-
staura).
39. Die Lipostauren oder Grundformen ohne Kreuzaxen stehen im
Allgemeinen weit niedriger als die Stauraxonien oder Grundformen
mit Kreuzaxen. Erstere kommen vorzugsweise nur bei den niederen
und unvollkommeneren, letztere bei den höheren und vollkommeneren
organischen Individuen vor.
40. Die lipostauren Grundformen haben entweder gar keine be-
stimmten Axen (Anaxonia) oder lauter gleiche Axen (Homaxonien,
Kugeln) oder eine bestimmte Anzahl von constanten Axen, die aber
alle gleich sind (Polyaxonien) oder endlich nur eine einzige constante
Axe (Monaxonien); auf alle diese Formen ist weder die Bezeichnung
regulär oder strahlig, noch die Bezeichnung bilateral oder symmetrisch
nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche der organischen Morphologie
Haeckel, Generelle Morphologie. 35
Promorphologische Thesen.
33. Bei den Centraxonien, den stereometrischen Grundformen mit
einer Mittellinie (Axe), ist die natürliche Mitte der Form eine Linie
(Hauptaxe oder Längsaxe); dies ist der Fall bei der Formengruppe
der Monaxonien (Sphaeroid, Doppelkegel, Ellipsoid, Cylinder, Ei, Kegel,
Hemisphaeroid, abgestumpfter Kegel); bei den Doppelpyramiden, den
regulären Pyramiden und den amphithecten Pyramiden.
34. Bei den Centrepipeden, den stereometrischen Grundformen mit
einer Mittelebene, ist die natürliche Mitte der Form einer Ebene (Me-
dianebene oder Sagittalebene). Dies ist der Fall bei der Formen-
gruppe der Zeugiten oder allopolen Heterostauren, deren allgemeine
Grundform die halbe amphithecte Pyramide ist.
35. Die Centrostigmen sind die niedersten und unvollkommensten,
die Centrepipeden die höchsten und vollkommensten organischen
Grundformen: zwischen Beiden in der Mitte stehen die Centraxonien.
36. Alle verschiedene Grundformen, welche als untergeordnete
Formarten dieser drei Hauptgruppen auftreten, lassen sich je nach
der fortschreitenden Differenzirung ihrer Axen und deren Pole in eine
aufsteigende Stufenleiter ordnen, deren Stufenordnung zugleich die
stufenweis fortschreitende Vollkommenheit der Form bezeichnet.
37. Es existirt also ein promorphologischer Vollkommenheits-
Grad jedes Organismus, welcher lediglich durch die Differenzirungs-
stufe seiner Grundform bedingt, und zunächst unabhängig von seinem
tectologischen Vollkommenheits-Grade ist.
V. Thesen von den lipostauren Grundformen.
38. In Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse der Axen zerfallen
alle organischen Grundformen in zwei grosse Gruppen, nämlich For-
men mit Kreuzaxen (Stauraxonia) und Formen ohne Kreuzaxen (Lipo-
staura).
39. Die Lipostauren oder Grundformen ohne Kreuzaxen stehen im
Allgemeinen weit niedriger als die Stauraxonien oder Grundformen
mit Kreuzaxen. Erstere kommen vorzugsweise nur bei den niederen
und unvollkommeneren, letztere bei den höheren und vollkommeneren
organischen Individuen vor.
40. Die lipostauren Grundformen haben entweder gar keine be-
stimmten Axen (Anaxonia) oder lauter gleiche Axen (Homaxonien,
Kugeln) oder eine bestimmte Anzahl von constanten Axen, die aber
alle gleich sind (Polyaxonien) oder endlich nur eine einzige constante
Axe (Monaxonien); auf alle diese Formen ist weder die Bezeichnung
regulär oder strahlig, noch die Bezeichnung bilateral oder symmetrisch
nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche der organischen Morphologie
Haeckel, Generelle Morphologie. 35
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[545/0584] Promorphologische Thesen. 33. Bei den Centraxonien, den stereometrischen Grundformen mit einer Mittellinie (Axe), ist die natürliche Mitte der Form eine Linie (Hauptaxe oder Längsaxe); dies ist der Fall bei der Formengruppe der Monaxonien (Sphaeroid, Doppelkegel, Ellipsoid, Cylinder, Ei, Kegel, Hemisphaeroid, abgestumpfter Kegel); bei den Doppelpyramiden, den regulären Pyramiden und den amphithecten Pyramiden. 34. Bei den Centrepipeden, den stereometrischen Grundformen mit einer Mittelebene, ist die natürliche Mitte der Form einer Ebene (Me- dianebene oder Sagittalebene). Dies ist der Fall bei der Formen- gruppe der Zeugiten oder allopolen Heterostauren, deren allgemeine Grundform die halbe amphithecte Pyramide ist. 35. Die Centrostigmen sind die niedersten und unvollkommensten, die Centrepipeden die höchsten und vollkommensten organischen Grundformen: zwischen Beiden in der Mitte stehen die Centraxonien. 36. Alle verschiedene Grundformen, welche als untergeordnete Formarten dieser drei Hauptgruppen auftreten, lassen sich je nach der fortschreitenden Differenzirung ihrer Axen und deren Pole in eine aufsteigende Stufenleiter ordnen, deren Stufenordnung zugleich die stufenweis fortschreitende Vollkommenheit der Form bezeichnet. 37. Es existirt also ein promorphologischer Vollkommenheits- Grad jedes Organismus, welcher lediglich durch die Differenzirungs- stufe seiner Grundform bedingt, und zunächst unabhängig von seinem tectologischen Vollkommenheits-Grade ist. V. Thesen von den lipostauren Grundformen. 38. In Bezug auf die allgemeinen Verhältnisse der Axen zerfallen alle organischen Grundformen in zwei grosse Gruppen, nämlich For- men mit Kreuzaxen (Stauraxonia) und Formen ohne Kreuzaxen (Lipo- staura). 39. Die Lipostauren oder Grundformen ohne Kreuzaxen stehen im Allgemeinen weit niedriger als die Stauraxonien oder Grundformen mit Kreuzaxen. Erstere kommen vorzugsweise nur bei den niederen und unvollkommeneren, letztere bei den höheren und vollkommeneren organischen Individuen vor. 40. Die lipostauren Grundformen haben entweder gar keine be- stimmten Axen (Anaxonia) oder lauter gleiche Axen (Homaxonien, Kugeln) oder eine bestimmte Anzahl von constanten Axen, die aber alle gleich sind (Polyaxonien) oder endlich nur eine einzige constante Axe (Monaxonien); auf alle diese Formen ist weder die Bezeichnung regulär oder strahlig, noch die Bezeichnung bilateral oder symmetrisch nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche der organischen Morphologie Haeckel, Generelle Morphologie. 35

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/584>, abgerufen am 02.06.2024.