Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

wabe zeigt, hatte man die selbstständigen aber dicht an
einander liegenden Elementartheile des ersteren mit den
Honigzellen der letzteren verglichen und danach eben
"Zellen" genannt. Hier wie dort schien die "Zelle" ein
geschlossenes, mit Flüssigkeit erfülltes Säckchen oder
Bläschen zu sein. Bald aber zeigte es sich, dass bei sehr
vielen Zellen eine äussere, feste, umschliessende Hülle,
eine eigentliche Zellmembran, ganz fehlt; und dass die Zelle
wesentlich nur aus dem weichen, nicht flüssigen, sondern
festflüssigen "Zelleninhalte", richtiger der eigentlichen
"Zellsubstanz" besteht. Diese Zellsubstanz wird bald aus¬
schliesslich, bald zu ihrem wichtigsten Theile aus einem
eiweissartigen Stoffe gebildet, welchen zuerst Hugo v. Mohl
erkannte und als Protoplasma, als "das zuerst Gebildete"
bezeichnete. Das Protoplasma oder die eigentliche "Zell¬
substanz" im engeren Sinne ist überall eine stickstoffhaltige
Kohlenstoff-Verbindung von sehr verwickelter chemischer
Zusammensetzung: sie befindet sich an der lebenden Zelle
stets in einem weichen, festflüssigen Dichtigkeits- oder
Aggregats-Zustande; was aber das Wichtigste ist, sie
erscheint als der eigentliche Träger der Lebens-Erschei¬
nungen, als der active Factor des Zellenlebens: das Proto¬
plasma vollzieht die Functionen der Ernährung und Fort¬
pflanzung, der Empfindung und Bewegung: das Protoplasma
ist die eigentliche "Lebens-Substanz", oder wie Huxley
sagt: "die physikalische Basis des Lebens."

Während so das Protoplasma oder "die lebendige Zell¬
substanz" in den Vordergrund der Zellen-Theorie trat,
wurden durch diese primäre, active Lebens-Substanz
bald alle anderen, noch im entwickelten Organismus be¬

wabe zeigt, hatte man die selbstständigen aber dicht an
einander liegenden Elementartheile des ersteren mit den
Honigzellen der letzteren verglichen und danach eben
„Zellen“ genannt. Hier wie dort schien die „Zelle“ ein
geschlossenes, mit Flüssigkeit erfülltes Säckchen oder
Bläschen zu sein. Bald aber zeigte es sich, dass bei sehr
vielen Zellen eine äussere, feste, umschliessende Hülle,
eine eigentliche Zellmembran, ganz fehlt; und dass die Zelle
wesentlich nur aus dem weichen, nicht flüssigen, sondern
festflüssigen „Zelleninhalte“, richtiger der eigentlichen
„Zellsubstanz“ besteht. Diese Zellsubstanz wird bald aus¬
schliesslich, bald zu ihrem wichtigsten Theile aus einem
eiweissartigen Stoffe gebildet, welchen zuerst Hugo v. Mohl
erkannte und als Protoplasma, als „das zuerst Gebildete“
bezeichnete. Das Protoplasma oder die eigentliche „Zell¬
substanz“ im engeren Sinne ist überall eine stickstoffhaltige
Kohlenstoff-Verbindung von sehr verwickelter chemischer
Zusammensetzung: sie befindet sich an der lebenden Zelle
stets in einem weichen, festflüssigen Dichtigkeits- oder
Aggregats-Zustande; was aber das Wichtigste ist, sie
erscheint als der eigentliche Träger der Lebens-Erschei¬
nungen, als der active Factor des Zellenlebens: das Proto¬
plasma vollzieht die Functionen der Ernährung und Fort¬
pflanzung, der Empfindung und Bewegung: das Protoplasma
ist die eigentliche „Lebens-Substanz“, oder wie Huxley
sagt: „die physikalische Basis des Lebens.“

Während so das Protoplasma oder „die lebendige Zell¬
substanz“ in den Vordergrund der Zellen-Theorie trat,
wurden durch diese primäre, active Lebens-Substanz
bald alle anderen, noch im entwickelten Organismus be¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="23"/>
wabe zeigt, hatte man die selbstständigen aber dicht an<lb/>
einander liegenden Elementartheile des ersteren mit den<lb/>
Honigzellen der letzteren verglichen und danach eben<lb/>
&#x201E;Zellen&#x201C; genannt. Hier wie dort schien die &#x201E;Zelle&#x201C; ein<lb/>
geschlossenes, mit Flüssigkeit erfülltes Säckchen oder<lb/>
Bläschen zu sein. Bald aber zeigte es sich, dass bei sehr<lb/>
vielen Zellen eine äussere, feste, umschliessende Hülle,<lb/>
eine eigentliche Zellmembran, ganz fehlt; und dass die Zelle<lb/>
wesentlich nur aus dem weichen, nicht flüssigen, sondern<lb/>
festflüssigen &#x201E;Zelleninhalte&#x201C;, richtiger der eigentlichen<lb/>
&#x201E;Zellsubstanz&#x201C; besteht. Diese Zellsubstanz wird bald aus¬<lb/>
schliesslich, bald zu ihrem wichtigsten Theile aus einem<lb/>
eiweissartigen Stoffe gebildet, welchen zuerst <hi rendition="#i">Hugo v. Mohl</hi><lb/>
erkannte und als <hi rendition="#g">Protoplasma</hi>, als &#x201E;das zuerst Gebildete&#x201C;<lb/>
bezeichnete. Das Protoplasma oder die eigentliche &#x201E;Zell¬<lb/>
substanz&#x201C; im engeren Sinne ist überall eine stickstoffhaltige<lb/>
Kohlenstoff-Verbindung von sehr verwickelter chemischer<lb/>
Zusammensetzung: sie befindet sich an der lebenden Zelle<lb/>
stets in einem weichen, festflüssigen Dichtigkeits- oder<lb/>
Aggregats-Zustande; was aber das Wichtigste ist, sie<lb/>
erscheint als der eigentliche Träger der Lebens-Erschei¬<lb/>
nungen, als der active Factor des Zellenlebens: das Proto¬<lb/>
plasma vollzieht die Functionen der Ernährung und Fort¬<lb/>
pflanzung, der Empfindung und Bewegung: das Protoplasma<lb/>
ist die eigentliche &#x201E;Lebens-Substanz&#x201C;, oder wie <hi rendition="#i">Huxley</hi><lb/>
sagt: &#x201E;die physikalische Basis des Lebens.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Während so das Protoplasma oder &#x201E;die lebendige Zell¬<lb/>
substanz&#x201C; in den Vordergrund der Zellen-Theorie trat,<lb/>
wurden durch diese primäre, active Lebens-Substanz<lb/>
bald alle anderen, noch im entwickelten Organismus be¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0029] wabe zeigt, hatte man die selbstständigen aber dicht an einander liegenden Elementartheile des ersteren mit den Honigzellen der letzteren verglichen und danach eben „Zellen“ genannt. Hier wie dort schien die „Zelle“ ein geschlossenes, mit Flüssigkeit erfülltes Säckchen oder Bläschen zu sein. Bald aber zeigte es sich, dass bei sehr vielen Zellen eine äussere, feste, umschliessende Hülle, eine eigentliche Zellmembran, ganz fehlt; und dass die Zelle wesentlich nur aus dem weichen, nicht flüssigen, sondern festflüssigen „Zelleninhalte“, richtiger der eigentlichen „Zellsubstanz“ besteht. Diese Zellsubstanz wird bald aus¬ schliesslich, bald zu ihrem wichtigsten Theile aus einem eiweissartigen Stoffe gebildet, welchen zuerst Hugo v. Mohl erkannte und als Protoplasma, als „das zuerst Gebildete“ bezeichnete. Das Protoplasma oder die eigentliche „Zell¬ substanz“ im engeren Sinne ist überall eine stickstoffhaltige Kohlenstoff-Verbindung von sehr verwickelter chemischer Zusammensetzung: sie befindet sich an der lebenden Zelle stets in einem weichen, festflüssigen Dichtigkeits- oder Aggregats-Zustande; was aber das Wichtigste ist, sie erscheint als der eigentliche Träger der Lebens-Erschei¬ nungen, als der active Factor des Zellenlebens: das Proto¬ plasma vollzieht die Functionen der Ernährung und Fort¬ pflanzung, der Empfindung und Bewegung: das Protoplasma ist die eigentliche „Lebens-Substanz“, oder wie Huxley sagt: „die physikalische Basis des Lebens.“ Während so das Protoplasma oder „die lebendige Zell¬ substanz“ in den Vordergrund der Zellen-Theorie trat, wurden durch diese primäre, active Lebens-Substanz bald alle anderen, noch im entwickelten Organismus be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/29
Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/29>, abgerufen am 21.11.2024.