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Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876.

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Gregarinen in ihrer ersten Jugend ganz einfache Cytoden
sind. Die Keimkügelchen derselben bestehen blos aus
homogenem Plasson und erst nachträglich erfolgt die Son¬
derung oder Differenzirung, durch welche der innere Zell¬
kern sich vom äusseren Zellstoff scheidet. Das "Bildende"
(Plasson) sondert oder differenzirt sich in das "Erstgebilde"
(Protoplasma) und das "Kerngebilde" (Cytoblastus).
Weit wichtiger und interessanter aber noch ist die be¬
deutungsvolle Thatsache, dass auch jeder höhere Orga¬
nismus im Beginne seiner individuellen Entwicklung vor¬
übergehend auf der Cytoden-Stufe sich befindet. Entweder
schon vor der Befruchtung oder unmittelbar nach derselben
verliert die weibliche Eizelle ihren Kern. Der Befruch¬
tungsact selbst besteht in der Verschmelzung dieser "kern¬
losen Eizelle" mit der männlichen Spermazelle oder Samen¬
zelle. Auch der Kern der letzteren löst sich in der
Mischung ganz oder doch grösstentheils auf. Das Product
dieser Verschmelzung ist aber zunächst nicht eine echte
Zelle, sondern eine Cytode. Da diese kernlose Cytode,
mit der eigentlich erst der erzeugte Organismus seine
individuelle Existenz beginnt, nach dem biogenetischen
Grundgesetze eine durch Vererbung bedingte Wiederholung
der uralten Moneren-Stammform ist, so habe ich diese
entsprechende Keimform als "Monerula" bezeichnet.
Erst nachträglich sondert sich das Plasson dieser Mone¬
rula wieder in zwei verschiedene Substanzen: ein Theil der
inneren Moleküle gestaltet sich zum Zellkern (Nucleus)
und sondert sich von der umgebenden Zellsubstanz (Proto¬
plasma); so entsteht aus der ersten Cytode die erste Zelle.
Offenbar sind sowohl die Lebenserscheinungen jener selbst¬

Gregarinen in ihrer ersten Jugend ganz einfache Cytoden
sind. Die Keimkügelchen derselben bestehen blos aus
homogenem Plasson und erst nachträglich erfolgt die Son¬
derung oder Differenzirung, durch welche der innere Zell¬
kern sich vom äusseren Zellstoff scheidet. Das „Bildende“
(Plasson) sondert oder differenzirt sich in das „Erstgebilde“
(Protoplasma) und das „Kerngebilde“ (Cytoblastus).
Weit wichtiger und interessanter aber noch ist die be¬
deutungsvolle Thatsache, dass auch jeder höhere Orga¬
nismus im Beginne seiner individuellen Entwicklung vor¬
übergehend auf der Cytoden-Stufe sich befindet. Entweder
schon vor der Befruchtung oder unmittelbar nach derselben
verliert die weibliche Eizelle ihren Kern. Der Befruch¬
tungsact selbst besteht in der Verschmelzung dieser „kern¬
losen Eizelle“ mit der männlichen Spermazelle oder Samen¬
zelle. Auch der Kern der letzteren löst sich in der
Mischung ganz oder doch grösstentheils auf. Das Product
dieser Verschmelzung ist aber zunächst nicht eine echte
Zelle, sondern eine Cytode. Da diese kernlose Cytode,
mit der eigentlich erst der erzeugte Organismus seine
individuelle Existenz beginnt, nach dem biogenetischen
Grundgesetze eine durch Vererbung bedingte Wiederholung
der uralten Moneren-Stammform ist, so habe ich diese
entsprechende Keimform als „Monerula“ bezeichnet.
Erst nachträglich sondert sich das Plasson dieser Mone¬
rula wieder in zwei verschiedene Substanzen: ein Theil der
inneren Moleküle gestaltet sich zum Zellkern (Nucleus)
und sondert sich von der umgebenden Zellsubstanz (Proto¬
plasma); so entsteht aus der ersten Cytode die erste Zelle.
Offenbar sind sowohl die Lebenserscheinungen jener selbst¬

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[29/0035] Gregarinen in ihrer ersten Jugend ganz einfache Cytoden sind. Die Keimkügelchen derselben bestehen blos aus homogenem Plasson und erst nachträglich erfolgt die Son¬ derung oder Differenzirung, durch welche der innere Zell¬ kern sich vom äusseren Zellstoff scheidet. Das „Bildende“ (Plasson) sondert oder differenzirt sich in das „Erstgebilde“ (Protoplasma) und das „Kerngebilde“ (Cytoblastus). Weit wichtiger und interessanter aber noch ist die be¬ deutungsvolle Thatsache, dass auch jeder höhere Orga¬ nismus im Beginne seiner individuellen Entwicklung vor¬ übergehend auf der Cytoden-Stufe sich befindet. Entweder schon vor der Befruchtung oder unmittelbar nach derselben verliert die weibliche Eizelle ihren Kern. Der Befruch¬ tungsact selbst besteht in der Verschmelzung dieser „kern¬ losen Eizelle“ mit der männlichen Spermazelle oder Samen¬ zelle. Auch der Kern der letzteren löst sich in der Mischung ganz oder doch grösstentheils auf. Das Product dieser Verschmelzung ist aber zunächst nicht eine echte Zelle, sondern eine Cytode. Da diese kernlose Cytode, mit der eigentlich erst der erzeugte Organismus seine individuelle Existenz beginnt, nach dem biogenetischen Grundgesetze eine durch Vererbung bedingte Wiederholung der uralten Moneren-Stammform ist, so habe ich diese entsprechende Keimform als „Monerula“ bezeichnet. Erst nachträglich sondert sich das Plasson dieser Mone¬ rula wieder in zwei verschiedene Substanzen: ein Theil der inneren Moleküle gestaltet sich zum Zellkern (Nucleus) und sondert sich von der umgebenden Zellsubstanz (Proto¬ plasma); so entsteht aus der ersten Cytode die erste Zelle. Offenbar sind sowohl die Lebenserscheinungen jener selbst¬

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Perigenesis der Plastidule oder die Wellenerzeugung der Lebenstheilchen. Berlin, 1876, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_plastidule_1876/35>, abgerufen am 24.11.2024.