ferenzirung und Vervollkommnung der einzelnen Staatsbürger, der Zellen; und nicht etwa die künstlichen Einrichtungen eines zweckmäßig thätigen Schöpfers. Wenn Sie diesen Vergleich recht erwägen und weiter verfolgen, wird Jhnen deutlich die Verkehrtheit jener dualisti- schen Naturanschauung klar werden, welche in der Zweckmäßigkeit der Organisation die Wirkung eines schöpferischen Bauplans sucht.
Lassen Sie uns nun die individuelle Entwickelung des Wir bel- thierkörpers noch einige Schritte weiter verfolgen, und sehen, was die Staatsbürger dieses embryonalen Organismus zunächst anfangen. Jn der Mittellinie der geigenförmigen Scheibe, welche aus den drei zelligen Keimblättern zusammengesetzt ist, entsteht eine gerade feine Furche, die sogenannte "Primitivrinne," durch welche der geigenförmige Leib in zwei gleiche Seitenhälften abgetheilt wird, ein rechtes und ein linkes Gegenstück oder Antimer. Beiderseits jener Rinne oder Furche erhebt sich das obere oder äußere Keimblatt in Form einer Längsfalte, und beide Falten wachsen dann über der Rinne in der Mittellinie zusammen und bilden so ein cylindrisches Rohr. Dieses Rohr heißt das Markrohr oder Medullarrohr, weil es die Anlage des Centralnerven- systems, des Rückenmarks(Medulla spinalis) ist. Anfangs ist dasselbe vorn und hinten zugespitzt, und so bleibt dasselbe bei den nie- dersten Wirbelthieren, den gehirnlosen Röhrenherzen oder Leptocar- diern (Amphioxus) zeitlebens. Bei allen übrigen Wirbelthieren aber, die wir von letzteren als Beutelherzen oder Pachycardier unterschei- den, wird alsbald ein Unterschied zwischen vorderem und hinterem Ende des Medullarrohrs sichtbar, indem das erstere sich aufbläht und in eine rundliche Blase, die Anlage des Gehirns verwandelt.
Bei allen Pachycardiern, d. h. bei allen mit Gehirn versehenen Wirbelthieren, zerfällt das Gehirn, welches anfangs bloß die blasen- förmige Auftreibung vom vorderen Ende des Rückenmarks ist, bald in fünf hinter einander liegende Blasen, indem sich vier oberflächliche quere Einschnürungen bilden. Diese fünf ursprünglichen Hirn- blasen, aus denen sich späterhin alle verschiedenen Theile des so verwickelt gebauten Gehirns hervorbilden, haben folgende Bedeutung.
Entſtehung des Ruͤckenmarks der Wirbelthiere.
ferenzirung und Vervollkommnung der einzelnen Staatsbuͤrger, der Zellen; und nicht etwa die kuͤnſtlichen Einrichtungen eines zweckmaͤßig thaͤtigen Schoͤpfers. Wenn Sie dieſen Vergleich recht erwaͤgen und weiter verfolgen, wird Jhnen deutlich die Verkehrtheit jener dualiſti- ſchen Naturanſchauung klar werden, welche in der Zweckmaͤßigkeit der Organiſation die Wirkung eines ſchoͤpferiſchen Bauplans ſucht.
Laſſen Sie uns nun die individuelle Entwickelung des Wir bel- thierkoͤrpers noch einige Schritte weiter verfolgen, und ſehen, was die Staatsbuͤrger dieſes embryonalen Organismus zunaͤchſt anfangen. Jn der Mittellinie der geigenfoͤrmigen Scheibe, welche aus den drei zelligen Keimblaͤttern zuſammengeſetzt iſt, entſteht eine gerade feine Furche, die ſogenannte „Primitivrinne,“ durch welche der geigenfoͤrmige Leib in zwei gleiche Seitenhaͤlften abgetheilt wird, ein rechtes und ein linkes Gegenſtuͤck oder Antimer. Beiderſeits jener Rinne oder Furche erhebt ſich das obere oder aͤußere Keimblatt in Form einer Laͤngsfalte, und beide Falten wachſen dann uͤber der Rinne in der Mittellinie zuſammen und bilden ſo ein cylindriſches Rohr. Dieſes Rohr heißt das Markrohr oder Medullarrohr, weil es die Anlage des Centralnerven- ſyſtems, des Ruͤckenmarks(Medulla spinalis) iſt. Anfangs iſt daſſelbe vorn und hinten zugeſpitzt, und ſo bleibt daſſelbe bei den nie- derſten Wirbelthieren, den gehirnloſen Roͤhrenherzen oder Leptocar- diern (Amphioxus) zeitlebens. Bei allen uͤbrigen Wirbelthieren aber, die wir von letzteren als Beutelherzen oder Pachycardier unterſchei- den, wird alsbald ein Unterſchied zwiſchen vorderem und hinterem Ende des Medullarrohrs ſichtbar, indem das erſtere ſich aufblaͤht und in eine rundliche Blaſe, die Anlage des Gehirns verwandelt.
Bei allen Pachycardiern, d. h. bei allen mit Gehirn verſehenen Wirbelthieren, zerfaͤllt das Gehirn, welches anfangs bloß die blaſen- foͤrmige Auftreibung vom vorderen Ende des Ruͤckenmarks iſt, bald in fuͤnf hinter einander liegende Blaſen, indem ſich vier oberflaͤchliche quere Einſchnuͤrungen bilden. Dieſe fuͤnf urſpruͤnglichen Hirn- blaſen, aus denen ſich ſpaͤterhin alle verſchiedenen Theile des ſo verwickelt gebauten Gehirns hervorbilden, haben folgende Bedeutung.
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Entſtehung des Ruͤckenmarks der Wirbelthiere.
ferenzirung und Vervollkommnung der einzelnen Staatsbuͤrger, der
Zellen; und nicht etwa die kuͤnſtlichen Einrichtungen eines zweckmaͤßig
thaͤtigen Schoͤpfers. Wenn Sie dieſen Vergleich recht erwaͤgen und
weiter verfolgen, wird Jhnen deutlich die Verkehrtheit jener dualiſti-
ſchen Naturanſchauung klar werden, welche in der Zweckmaͤßigkeit
der Organiſation die Wirkung eines ſchoͤpferiſchen Bauplans ſucht.
Laſſen Sie uns nun die individuelle Entwickelung des Wir bel-
thierkoͤrpers noch einige Schritte weiter verfolgen, und ſehen, was die
Staatsbuͤrger dieſes embryonalen Organismus zunaͤchſt anfangen.
Jn der Mittellinie der geigenfoͤrmigen Scheibe, welche aus den drei
zelligen Keimblaͤttern zuſammengeſetzt iſt, entſteht eine gerade feine
Furche, die ſogenannte „Primitivrinne,“ durch welche der geigenfoͤrmige
Leib in zwei gleiche Seitenhaͤlften abgetheilt wird, ein rechtes und ein
linkes Gegenſtuͤck oder Antimer. Beiderſeits jener Rinne oder Furche
erhebt ſich das obere oder aͤußere Keimblatt in Form einer Laͤngsfalte,
und beide Falten wachſen dann uͤber der Rinne in der Mittellinie
zuſammen und bilden ſo ein cylindriſches Rohr. Dieſes Rohr heißt das
Markrohr oder Medullarrohr, weil es die Anlage des Centralnerven-
ſyſtems, des Ruͤckenmarks (Medulla spinalis) iſt. Anfangs iſt
daſſelbe vorn und hinten zugeſpitzt, und ſo bleibt daſſelbe bei den nie-
derſten Wirbelthieren, den gehirnloſen Roͤhrenherzen oder Leptocar-
diern (Amphioxus) zeitlebens. Bei allen uͤbrigen Wirbelthieren aber,
die wir von letzteren als Beutelherzen oder Pachycardier unterſchei-
den, wird alsbald ein Unterſchied zwiſchen vorderem und hinterem
Ende des Medullarrohrs ſichtbar, indem das erſtere ſich aufblaͤht und
in eine rundliche Blaſe, die Anlage des Gehirns verwandelt.
Bei allen Pachycardiern, d. h. bei allen mit Gehirn verſehenen
Wirbelthieren, zerfaͤllt das Gehirn, welches anfangs bloß die blaſen-
foͤrmige Auftreibung vom vorderen Ende des Ruͤckenmarks iſt, bald
in fuͤnf hinter einander liegende Blaſen, indem ſich vier oberflaͤchliche
quere Einſchnuͤrungen bilden. Dieſe fuͤnf urſpruͤnglichen Hirn-
blaſen, aus denen ſich ſpaͤterhin alle verſchiedenen Theile des ſo
verwickelt gebauten Gehirns hervorbilden, haben folgende Bedeutung.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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