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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Urzeugung oder Archigonie. Autogonie und Plasmogonie.
unterscheiden, nämlich die Autogonie und die Plasmogonie.
Unter Autogonie verstehen wir die Entstehung eines einfachsten or-
ganischen Jndividuums in einer anorganischen Bildungs-
flüssigkeit,
d. h. in einer Flüssigkeit, welche die zur Zusammen-
setzung des Organismus erforderlichen Grundstoffe in einfachen und
festen Verbindungen gelöst enthält (z. B. Kohlensäure, Ammoniak,
binäre Salze u. s. w.). Plasmogonie dagegen nennen wir die
Urzeugung dann, wenn der Organismus in einer organischen
Bildungsflüssigkeit
entsteht, d. h. in einer Flüssigkeit, welche
jene erforderlichen Grundstoffe in Form von verwickelten und lockeren
Kohlenstoffverbindungen gelöst enthält (z. B. Eiweiß, Fett, Kohlen-
hydraten etc.) (Gen. Morph. I, 174; II, 33).

Der Vorgang der Autogonie sowohl als der Plasmogonie ist bis
jetzt noch nicht direct mit voller Sicherheit beobachtet. Jn älterer und
neuerer Zeit hat man über die Möglichkeit oder Wirklichkeit der Ur-
zeugung sehr zahlreiche und zum Theil auch interessante Versuche an-
gestellt. Allein diese Experimente beziehen sich fast sämmtlich nicht auf
die Autogonie, sondern auf die Plasmogonie, auf die Entstehung
eines Organismus aus bereits gebildeter organischer Materie. Offen-
bar hat aber für unsere Schöpfungsgeschichte dieser letztere Vorgang
nur ein untergeordnetes Jnteresse. Es kommt für uns vielmehr
darauf an, die Frage zu lösen: "Giebt es eine Autogenie?" Jst es
möglich, daß ein Organismus nicht aus vorgebildeter organischer, son-
dern aus rein anorganischer Materie entsteht?" Daher können wir hier
auch ruhig alle jene zahlreichen Experimente, welche sich nur auf die
Plasmogonie beziehen, welche in dem letzten Jahrzehnt mit besonde-
rem Eifer betrieben worden sind; und welche meist ein negatives Re-
sultat hatten, bei Seite lassen Denn angenommen auch, es würde
dadurch die Wirklichkeit der Plasmogonie streng bewiesen, so wäre
damit noch nicht die Autogonie erklärt.

Die Versuche über Autogonie haben bis jetzt ebenfalls kein siche-
res positives Resultat geliefert. Jedoch müssen wir uns von vorn
herein auf das Bestimmteste dagegen verwahren, daß durch diese

Urzeugung oder Archigonie. Autogonie und Plasmogonie.
unterſcheiden, naͤmlich die Autogonie und die Plasmogonie.
Unter Autogonie verſtehen wir die Entſtehung eines einfachſten or-
ganiſchen Jndividuums in einer anorganiſchen Bildungs-
fluͤſſigkeit,
d. h. in einer Fluͤſſigkeit, welche die zur Zuſammen-
ſetzung des Organismus erforderlichen Grundſtoffe in einfachen und
feſten Verbindungen geloͤſt enthaͤlt (z. B. Kohlenſaͤure, Ammoniak,
binaͤre Salze u. ſ. w.). Plasmogonie dagegen nennen wir die
Urzeugung dann, wenn der Organismus in einer organiſchen
Bildungsfluͤſſigkeit
entſteht, d. h. in einer Fluͤſſigkeit, welche
jene erforderlichen Grundſtoffe in Form von verwickelten und lockeren
Kohlenſtoffverbindungen geloͤſt enthaͤlt (z. B. Eiweiß, Fett, Kohlen-
hydraten ꝛc.) (Gen. Morph. I, 174; II, 33).

Der Vorgang der Autogonie ſowohl als der Plasmogonie iſt bis
jetzt noch nicht direct mit voller Sicherheit beobachtet. Jn aͤlterer und
neuerer Zeit hat man uͤber die Moͤglichkeit oder Wirklichkeit der Ur-
zeugung ſehr zahlreiche und zum Theil auch intereſſante Verſuche an-
geſtellt. Allein dieſe Experimente beziehen ſich faſt ſaͤmmtlich nicht auf
die Autogonie, ſondern auf die Plasmogonie, auf die Entſtehung
eines Organismus aus bereits gebildeter organiſcher Materie. Offen-
bar hat aber fuͤr unſere Schoͤpfungsgeſchichte dieſer letztere Vorgang
nur ein untergeordnetes Jntereſſe. Es kommt fuͤr uns vielmehr
darauf an, die Frage zu loͤſen: „Giebt es eine Autogenie?“ Jſt es
moͤglich, daß ein Organismus nicht aus vorgebildeter organiſcher, ſon-
dern aus rein anorganiſcher Materie entſteht?“ Daher koͤnnen wir hier
auch ruhig alle jene zahlreichen Experimente, welche ſich nur auf die
Plasmogonie beziehen, welche in dem letzten Jahrzehnt mit beſonde-
rem Eifer betrieben worden ſind; und welche meiſt ein negatives Re-
ſultat hatten, bei Seite laſſen Denn angenommen auch, es wuͤrde
dadurch die Wirklichkeit der Plasmogonie ſtreng bewieſen, ſo waͤre
damit noch nicht die Autogonie erklaͤrt.

Die Verſuche uͤber Autogonie haben bis jetzt ebenfalls kein ſiche-
res poſitives Reſultat geliefert. Jedoch muͤſſen wir uns von vorn
herein auf das Beſtimmteſte dagegen verwahren, daß durch dieſe

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[280/0305] Urzeugung oder Archigonie. Autogonie und Plasmogonie. unterſcheiden, naͤmlich die Autogonie und die Plasmogonie. Unter Autogonie verſtehen wir die Entſtehung eines einfachſten or- ganiſchen Jndividuums in einer anorganiſchen Bildungs- fluͤſſigkeit, d. h. in einer Fluͤſſigkeit, welche die zur Zuſammen- ſetzung des Organismus erforderlichen Grundſtoffe in einfachen und feſten Verbindungen geloͤſt enthaͤlt (z. B. Kohlenſaͤure, Ammoniak, binaͤre Salze u. ſ. w.). Plasmogonie dagegen nennen wir die Urzeugung dann, wenn der Organismus in einer organiſchen Bildungsfluͤſſigkeit entſteht, d. h. in einer Fluͤſſigkeit, welche jene erforderlichen Grundſtoffe in Form von verwickelten und lockeren Kohlenſtoffverbindungen geloͤſt enthaͤlt (z. B. Eiweiß, Fett, Kohlen- hydraten ꝛc.) (Gen. Morph. I, 174; II, 33). Der Vorgang der Autogonie ſowohl als der Plasmogonie iſt bis jetzt noch nicht direct mit voller Sicherheit beobachtet. Jn aͤlterer und neuerer Zeit hat man uͤber die Moͤglichkeit oder Wirklichkeit der Ur- zeugung ſehr zahlreiche und zum Theil auch intereſſante Verſuche an- geſtellt. Allein dieſe Experimente beziehen ſich faſt ſaͤmmtlich nicht auf die Autogonie, ſondern auf die Plasmogonie, auf die Entſtehung eines Organismus aus bereits gebildeter organiſcher Materie. Offen- bar hat aber fuͤr unſere Schoͤpfungsgeſchichte dieſer letztere Vorgang nur ein untergeordnetes Jntereſſe. Es kommt fuͤr uns vielmehr darauf an, die Frage zu loͤſen: „Giebt es eine Autogenie?“ Jſt es moͤglich, daß ein Organismus nicht aus vorgebildeter organiſcher, ſon- dern aus rein anorganiſcher Materie entſteht?“ Daher koͤnnen wir hier auch ruhig alle jene zahlreichen Experimente, welche ſich nur auf die Plasmogonie beziehen, welche in dem letzten Jahrzehnt mit beſonde- rem Eifer betrieben worden ſind; und welche meiſt ein negatives Re- ſultat hatten, bei Seite laſſen Denn angenommen auch, es wuͤrde dadurch die Wirklichkeit der Plasmogonie ſtreng bewieſen, ſo waͤre damit noch nicht die Autogonie erklaͤrt. Die Verſuche uͤber Autogonie haben bis jetzt ebenfalls kein ſiche- res poſitives Reſultat geliefert. Jedoch muͤſſen wir uns von vorn herein auf das Beſtimmteſte dagegen verwahren, daß durch dieſe

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/305>, abgerufen am 24.11.2024.