Meerleuchten oder Noctiluken. Wurzelfüßer oder Rhizopoden.
nach außen geöffnet und läßt dadurch den eingeschlossenen weichen Plasmaleib mit der Außenwelt communiciren. Die Kieselschalen finden sich massenhaft versteinert vor und setzen manche Gesteine, z. B. den Biliner Polirschiefer, das schwedische Bergmehl u. s. w. vorwiegend zusammen.
Eine eigene, siebente Protistenclasse bilden die Meerleuchten (Noctilucae). Es sind kleine, weiche, schleimige Bläschen, von der Form einer Pfirsich. Sie haben gewöhnlich nur etwa eine halbe Linie oder einen Millimeter Durchmesser, bedecken aber die Meeresoberfläche oft in so erstaunlichen Massen, daß sie in meilenweiter Ausdehnung eine mehr als zolldicke Schleimschicht auf der Oberfläche bilden. Sie gehören neben den obenerwähnten Peridinien, und neben vielen niede- ren Seethieren (besonders Medusen und Krebsen) zu den wesentlich- sten Ursachen des Meerleuchtens, indem sie im Dunkeln einen phos- phorischen Glanz ausstrahlen. Trotzdem sie in so ungeheuren Massen in der Nordsee, im Mittelmeere u. s. w. vorkommen, kennen wir den- noch die Naturgeschichte der Noctiluken nur sehr unvollständig. Es ist möglich, daß sie den Pflanzen näher als den Thieren verwandt sind, obwohl die meisten Naturforscher sie gegenwärtig zu den Thieren zählen. Wahrscheinlich sind es neutrale Protisten.
Ebenso zweifelhaft ist auch die Natur der achten und letzten Klasse des Protistenreichs, der Wurzelfüßer(Rhizopoda). Diese merk- würdigen Organismen bevölkern das Meer seit den ältesten Zeiten der organischen Erdgeschichte in einer außerordentlichen Formenmannichfal- tigkeit, theils auf dem Meeresboden kriechend, theils an der Ober- fläche schwimmend. Nur sehr wenige leben im süßen Wasser (Gromia, Actinosphaerium). Die meisten besitzen feste, aus Kalkerde oder Kiesel- erde bestehende und höchst zierlich zusammengesetzte Schalen, welche in versteinertem Zustande sich vortrefflich erhalten. Oft sind dieselben zu dicken Gebirgsmassen angehäuft, obwohl die einzelnen Jndividuen sehr klein und häufig für das bloße Auge kaum oder gar nicht sichtbar sind. Nur wenige erreichen einen Durchmesser von einigen Linien oder selbst von ein paar Zollen. Jhren Namen führt die ganze Klasse davon, daß ihr nackter schleimiger Leib an der ganzen Oberfläche tau-
Meerleuchten oder Noctiluken. Wurzelfuͤßer oder Rhizopoden.
nach außen geoͤffnet und laͤßt dadurch den eingeſchloſſenen weichen Plasmaleib mit der Außenwelt communiciren. Die Kieſelſchalen finden ſich maſſenhaft verſteinert vor und ſetzen manche Geſteine, z. B. den Biliner Polirſchiefer, das ſchwediſche Bergmehl u. ſ. w. vorwiegend zuſammen.
Eine eigene, ſiebente Protiſtenclaſſe bilden die Meerleuchten (Noctilucae). Es ſind kleine, weiche, ſchleimige Blaͤschen, von der Form einer Pfirſich. Sie haben gewoͤhnlich nur etwa eine halbe Linie oder einen Millimeter Durchmeſſer, bedecken aber die Meeresoberflaͤche oft in ſo erſtaunlichen Maſſen, daß ſie in meilenweiter Ausdehnung eine mehr als zolldicke Schleimſchicht auf der Oberflaͤche bilden. Sie gehoͤren neben den obenerwaͤhnten Peridinien, und neben vielen niede- ren Seethieren (beſonders Meduſen und Krebſen) zu den weſentlich- ſten Urſachen des Meerleuchtens, indem ſie im Dunkeln einen phos- phoriſchen Glanz ausſtrahlen. Trotzdem ſie in ſo ungeheuren Maſſen in der Nordſee, im Mittelmeere u. ſ. w. vorkommen, kennen wir den- noch die Naturgeſchichte der Noctiluken nur ſehr unvollſtaͤndig. Es iſt moͤglich, daß ſie den Pflanzen naͤher als den Thieren verwandt ſind, obwohl die meiſten Naturforſcher ſie gegenwaͤrtig zu den Thieren zaͤhlen. Wahrſcheinlich ſind es neutrale Protiſten.
Ebenſo zweifelhaft iſt auch die Natur der achten und letzten Klaſſe des Protiſtenreichs, der Wurzelfuͤßer(Rhizopoda). Dieſe merk- wuͤrdigen Organismen bevoͤlkern das Meer ſeit den aͤlteſten Zeiten der organiſchen Erdgeſchichte in einer außerordentlichen Formenmannichfal- tigkeit, theils auf dem Meeresboden kriechend, theils an der Ober- flaͤche ſchwimmend. Nur ſehr wenige leben im ſuͤßen Waſſer (Gromia, Actinosphaerium). Die meiſten beſitzen feſte, aus Kalkerde oder Kieſel- erde beſtehende und hoͤchſt zierlich zuſammengeſetzte Schalen, welche in verſteinertem Zuſtande ſich vortrefflich erhalten. Oft ſind dieſelben zu dicken Gebirgsmaſſen angehaͤuft, obwohl die einzelnen Jndividuen ſehr klein und haͤufig fuͤr das bloße Auge kaum oder gar nicht ſichtbar ſind. Nur wenige erreichen einen Durchmeſſer von einigen Linien oder ſelbſt von ein paar Zollen. Jhren Namen fuͤhrt die ganze Klaſſe davon, daß ihr nackter ſchleimiger Leib an der ganzen Oberflaͤche tau-
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Meerleuchten oder Noctiluken. Wurzelfuͤßer oder Rhizopoden.
nach außen geoͤffnet und laͤßt dadurch den eingeſchloſſenen weichen
Plasmaleib mit der Außenwelt communiciren. Die Kieſelſchalen finden ſich
maſſenhaft verſteinert vor und ſetzen manche Geſteine, z. B. den Biliner
Polirſchiefer, das ſchwediſche Bergmehl u. ſ. w. vorwiegend zuſammen.
Eine eigene, ſiebente Protiſtenclaſſe bilden die Meerleuchten
(Noctilucae). Es ſind kleine, weiche, ſchleimige Blaͤschen, von der
Form einer Pfirſich. Sie haben gewoͤhnlich nur etwa eine halbe Linie
oder einen Millimeter Durchmeſſer, bedecken aber die Meeresoberflaͤche
oft in ſo erſtaunlichen Maſſen, daß ſie in meilenweiter Ausdehnung
eine mehr als zolldicke Schleimſchicht auf der Oberflaͤche bilden. Sie
gehoͤren neben den obenerwaͤhnten Peridinien, und neben vielen niede-
ren Seethieren (beſonders Meduſen und Krebſen) zu den weſentlich-
ſten Urſachen des Meerleuchtens, indem ſie im Dunkeln einen phos-
phoriſchen Glanz ausſtrahlen. Trotzdem ſie in ſo ungeheuren Maſſen
in der Nordſee, im Mittelmeere u. ſ. w. vorkommen, kennen wir den-
noch die Naturgeſchichte der Noctiluken nur ſehr unvollſtaͤndig. Es
iſt moͤglich, daß ſie den Pflanzen naͤher als den Thieren verwandt
ſind, obwohl die meiſten Naturforſcher ſie gegenwaͤrtig zu den Thieren
zaͤhlen. Wahrſcheinlich ſind es neutrale Protiſten.
Ebenſo zweifelhaft iſt auch die Natur der achten und letzten Klaſſe
des Protiſtenreichs, der Wurzelfuͤßer (Rhizopoda). Dieſe merk-
wuͤrdigen Organismen bevoͤlkern das Meer ſeit den aͤlteſten Zeiten der
organiſchen Erdgeſchichte in einer außerordentlichen Formenmannichfal-
tigkeit, theils auf dem Meeresboden kriechend, theils an der Ober-
flaͤche ſchwimmend. Nur ſehr wenige leben im ſuͤßen Waſſer (Gromia,
Actinosphaerium). Die meiſten beſitzen feſte, aus Kalkerde oder Kieſel-
erde beſtehende und hoͤchſt zierlich zuſammengeſetzte Schalen, welche in
verſteinertem Zuſtande ſich vortrefflich erhalten. Oft ſind dieſelben
zu dicken Gebirgsmaſſen angehaͤuft, obwohl die einzelnen Jndividuen
ſehr klein und haͤufig fuͤr das bloße Auge kaum oder gar nicht ſichtbar
ſind. Nur wenige erreichen einen Durchmeſſer von einigen Linien
oder ſelbſt von ein paar Zollen. Jhren Namen fuͤhrt die ganze Klaſſe
davon, daß ihr nackter ſchleimiger Leib an der ganzen Oberflaͤche tau-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/360>, abgerufen am 26.11.2024.
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