Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Natürliches und künstliches System des Thierreichs. seres Jahrhunderts in der vergleichenden Anatomie und Ontogeniebedingt. Die Klassificationsversuche des vorigen Jahrhunderts be- wegten sich fast sämmtlich noch in der Bahn des künstlichen Systems, welches zuerst Carl Linne in strengerer Form aufgestellt hatte. Das künstliche System unterscheidet sich von dem natürlichen wesent- lich dadurch, daß es nicht die gesammte Organisation und die in- nere, auf der Blutsverwandtschaft beruhende Formverwandtschaft zur Grundlage der Eintheilung macht, sondern nur einzelne und da- zu meist noch äußerliche, leicht in die Augen fallende Merkmale. So unterschied Linne seine 24 Klassen des Pflanzenreichs wesentlich nach der Zahl, Bildung und Verbindung der Staubgefäße. Ebenso unterschied derselbe im Thierreiche sechs Klassen wesentlich nach der Beschaffenheit des Herzens und des Blutes. Diese sechs Klassen wa- ren: 1. die Säugethiere; 2. die Vögel; 3. die Amphibien; 4. die Fische; 5. die Jnsecten und 6. die Würmer. Diese sechs Thierklassen Linne's sind aber keineswegs von Den nächsten großen Fortschritt zum natürlichen System des Natuͤrliches und kuͤnſtliches Syſtem des Thierreichs. ſeres Jahrhunderts in der vergleichenden Anatomie und Ontogeniebedingt. Die Klaſſificationsverſuche des vorigen Jahrhunderts be- wegten ſich faſt ſaͤmmtlich noch in der Bahn des kuͤnſtlichen Syſtems, welches zuerſt Carl Linné in ſtrengerer Form aufgeſtellt hatte. Das kuͤnſtliche Syſtem unterſcheidet ſich von dem natuͤrlichen weſent- lich dadurch, daß es nicht die geſammte Organiſation und die in- nere, auf der Blutsverwandtſchaft beruhende Formverwandtſchaft zur Grundlage der Eintheilung macht, ſondern nur einzelne und da- zu meiſt noch aͤußerliche, leicht in die Augen fallende Merkmale. So unterſchied Linné ſeine 24 Klaſſen des Pflanzenreichs weſentlich nach der Zahl, Bildung und Verbindung der Staubgefaͤße. Ebenſo unterſchied derſelbe im Thierreiche ſechs Klaſſen weſentlich nach der Beſchaffenheit des Herzens und des Blutes. Dieſe ſechs Klaſſen wa- ren: 1. die Saͤugethiere; 2. die Voͤgel; 3. die Amphibien; 4. die Fiſche; 5. die Jnſecten und 6. die Wuͤrmer. Dieſe ſechs Thierklaſſen Linné’s ſind aber keineswegs von Den naͤchſten großen Fortſchritt zum natuͤrlichen Syſtem des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0409" n="384"/><fw place="top" type="header">Natuͤrliches und kuͤnſtliches Syſtem des Thierreichs.</fw><lb/> ſeres Jahrhunderts in der vergleichenden Anatomie und Ontogenie<lb/> bedingt. 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Natuͤrliches und kuͤnſtliches Syſtem des Thierreichs.
ſeres Jahrhunderts in der vergleichenden Anatomie und Ontogenie
bedingt. Die Klaſſificationsverſuche des vorigen Jahrhunderts be-
wegten ſich faſt ſaͤmmtlich noch in der Bahn des kuͤnſtlichen Syſtems,
welches zuerſt Carl Linné in ſtrengerer Form aufgeſtellt hatte.
Das kuͤnſtliche Syſtem unterſcheidet ſich von dem natuͤrlichen weſent-
lich dadurch, daß es nicht die geſammte Organiſation und die in-
nere, auf der Blutsverwandtſchaft beruhende Formverwandtſchaft
zur Grundlage der Eintheilung macht, ſondern nur einzelne und da-
zu meiſt noch aͤußerliche, leicht in die Augen fallende Merkmale.
So unterſchied Linné ſeine 24 Klaſſen des Pflanzenreichs weſentlich
nach der Zahl, Bildung und Verbindung der Staubgefaͤße. Ebenſo
unterſchied derſelbe im Thierreiche ſechs Klaſſen weſentlich nach der
Beſchaffenheit des Herzens und des Blutes. Dieſe ſechs Klaſſen wa-
ren: 1. die Saͤugethiere; 2. die Voͤgel; 3. die Amphibien; 4. die
Fiſche; 5. die Jnſecten und 6. die Wuͤrmer.
Dieſe ſechs Thierklaſſen Linné’s ſind aber keineswegs von
gleichem Werthe, und es war ſchon ein wichtiger Fortſchritt, als La-
marck zu Ende des vorigen Jahrhunderts die vier erſten Klaſſen als
Wirbelthiere (Vertebrata) zuſammenfaßte, und dieſen die uͤbrigen
Thiere, die Jnſecten und Wuͤrmer Linné’s, als eine zweite Haupt-
abtheilung, als Wirbelloſe (Invertebrata) gegenuͤberſtellte. Eigent-
lich griff Lamarck damit auf den Vater der Naturgeſchichte, auf
Ariſtoteles zuruͤck, welcher dieſe beiden großen Hauptgruppen be-
reits unterſchieden, und die erſteren Blutthiere, die letzteren Blut-
loſe genannt hatte.
Den naͤchſten großen Fortſchritt zum natuͤrlichen Syſtem des
Thierreichs thaten einige Decennien ſpaͤter zwei der verdienſtvollſten
Zoologen, Carl Ernſt Baͤr und George Cuvier. Wie ſchon
fruͤher erwaͤhnt wurde, ſtellten dieſelben faſt gleichzeitig, und unab-
haͤngig von einander, die Behauptung auf, daß mehrere grundver-
ſchiedene Hauptgruppen im Thierreich zu unterſcheiden ſeien, von de-
nen jede einen ganz eigenthuͤmlichen Bauplan oder Typus beſitze.
(Vergl. oben S. 42, 43). Jn jeder dieſer Hauptabtheilungen giebt
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