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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Menschenaffen oder Anthropoiden.

Einer genaueren Feststellung des menschlichen Stammbaums ste-
hen gegenwärtig noch große Schwierigkeiten entgegen. Nur das läßt
sich noch weiterhin als höchst wahrscheinlich behaupten, daß die nächsten
Stammeltern des Menschengeschlechts schwanzlose Katarrhinen
(Lipocerca) waren, ähnlich den heute noch lebenden Menschenaffen,
die sich offenbar erst später aus den geschwänzten Katarrhinen
(Menocerca), als der ursprünglicheren Affenform, entwickelt haben.
Von jenen schwanzlosen Katarrhinen, die jetzt auch häufig Menschen-
affen oder Anthropoiden
genannt werden, leben heutzutage
noch vier verschiedene Gattungen mit ungefähr einem Dutzend ver-
schiedener Arten. Der größte Menschenaffe ist der berühmte Gorilla
(Gorilla engena oder Pongo gorilla genannt), welcher in der Tropen-
zone des westlichen Afrika einheimisch ist und am Flusse Gaboon erst
1847 von dem Missionär Savage entdeckt wurde. Diesem schließt sich
als nächster Verwandter der längst bekannte Schimpanse an (En-
geco troglodytes
oder Pongo troglodytes), ebenfalls im westlichen
Afrika einheimisch, aber bedeutend kleiner als der Gorilla, welcher in
aufrechter Stellung den Menschen an Größe übertrifft. Der dritte von
den drei großen menschenähnlichen Affen ist der auf Borneo und an-
deren Sunda-Jnseln einheimische Orang oder Orang-Utang, von wel-
chem man neuerdings zwei nahe verwandte Arten unterscheidet, den
großen Orang (Satyrus orang oder Pithecus satyrus) und den
kleinen Orang (Satyrus morio oder Pithecus morio). Endlich
lebt noch im südlichen Asien die Gattung Gibbon (Hylobates), von
welcher man 4--8 verschiedene Arten unterscheidet. Sie sind bedeu-
tend kleiner als die drei erstgenannten Anthropoiden und entfernen sich
in den meisten Merkmalen schon weiter vom Menschen.

Die schwanzlosen Menschenaffen haben neuerdings, namentlich
seit der genaueren Bekanntschaft mit dem Gorilla und seit ihrer Ver-
knüpfung mit der Anwendung der Descendenztheorie auf den Men-
schen, ein so allgemeines Jnteresse erregt, und eine solche Fluth von
Schriften hervorgerufen, daß ich hier gar keine Veranlassung finde,
näher auf dieselben einzugehen. Was ihre Beziehungen zum Menschen

Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 32
Menſchenaffen oder Anthropoiden.

Einer genaueren Feſtſtellung des menſchlichen Stammbaums ſte-
hen gegenwaͤrtig noch große Schwierigkeiten entgegen. Nur das laͤßt
ſich noch weiterhin als hoͤchſt wahrſcheinlich behaupten, daß die naͤchſten
Stammeltern des Menſchengeſchlechts ſchwanzloſe Katarrhinen
(Lipocerca) waren, aͤhnlich den heute noch lebenden Menſchenaffen,
die ſich offenbar erſt ſpaͤter aus den geſchwaͤnzten Katarrhinen
(Menocerca), als der urſpruͤnglicheren Affenform, entwickelt haben.
Von jenen ſchwanzloſen Katarrhinen, die jetzt auch haͤufig Menſchen-
affen oder Anthropoiden
genannt werden, leben heutzutage
noch vier verſchiedene Gattungen mit ungefaͤhr einem Dutzend ver-
ſchiedener Arten. Der groͤßte Menſchenaffe iſt der beruͤhmte Gorilla
(Gorilla engena oder Pongo gorilla genannt), welcher in der Tropen-
zone des weſtlichen Afrika einheimiſch iſt und am Fluſſe Gaboon erſt
1847 von dem Miſſionaͤr Savage entdeckt wurde. Dieſem ſchließt ſich
als naͤchſter Verwandter der laͤngſt bekannte Schimpanſe an (En-
geco troglodytes
oder Pongo troglodytes), ebenfalls im weſtlichen
Afrika einheimiſch, aber bedeutend kleiner als der Gorilla, welcher in
aufrechter Stellung den Menſchen an Groͤße uͤbertrifft. Der dritte von
den drei großen menſchenaͤhnlichen Affen iſt der auf Borneo und an-
deren Sunda-Jnſeln einheimiſche Orang oder Orang-Utang, von wel-
chem man neuerdings zwei nahe verwandte Arten unterſcheidet, den
großen Orang (Satyrus orang oder Pithecus satyrus) und den
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lebt noch im ſuͤdlichen Aſien die Gattung Gibbon (Hylobates), von
welcher man 4—8 verſchiedene Arten unterſcheidet. Sie ſind bedeu-
tend kleiner als die drei erſtgenannten Anthropoiden und entfernen ſich
in den meiſten Merkmalen ſchon weiter vom Menſchen.

Die ſchwanzloſen Menſchenaffen haben neuerdings, namentlich
ſeit der genaueren Bekanntſchaft mit dem Gorilla und ſeit ihrer Ver-
knuͤpfung mit der Anwendung der Deſcendenztheorie auf den Men-
ſchen, ein ſo allgemeines Jntereſſe erregt, und eine ſolche Fluth von
Schriften hervorgerufen, daß ich hier gar keine Veranlaſſung finde,
naͤher auf dieſelben einzugehen. Was ihre Beziehungen zum Menſchen

Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 32
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[497/0522] Menſchenaffen oder Anthropoiden. Einer genaueren Feſtſtellung des menſchlichen Stammbaums ſte- hen gegenwaͤrtig noch große Schwierigkeiten entgegen. Nur das laͤßt ſich noch weiterhin als hoͤchſt wahrſcheinlich behaupten, daß die naͤchſten Stammeltern des Menſchengeſchlechts ſchwanzloſe Katarrhinen (Lipocerca) waren, aͤhnlich den heute noch lebenden Menſchenaffen, die ſich offenbar erſt ſpaͤter aus den geſchwaͤnzten Katarrhinen (Menocerca), als der urſpruͤnglicheren Affenform, entwickelt haben. Von jenen ſchwanzloſen Katarrhinen, die jetzt auch haͤufig Menſchen- affen oder Anthropoiden genannt werden, leben heutzutage noch vier verſchiedene Gattungen mit ungefaͤhr einem Dutzend ver- ſchiedener Arten. Der groͤßte Menſchenaffe iſt der beruͤhmte Gorilla (Gorilla engena oder Pongo gorilla genannt), welcher in der Tropen- zone des weſtlichen Afrika einheimiſch iſt und am Fluſſe Gaboon erſt 1847 von dem Miſſionaͤr Savage entdeckt wurde. Dieſem ſchließt ſich als naͤchſter Verwandter der laͤngſt bekannte Schimpanſe an (En- geco troglodytes oder Pongo troglodytes), ebenfalls im weſtlichen Afrika einheimiſch, aber bedeutend kleiner als der Gorilla, welcher in aufrechter Stellung den Menſchen an Groͤße uͤbertrifft. Der dritte von den drei großen menſchenaͤhnlichen Affen iſt der auf Borneo und an- deren Sunda-Jnſeln einheimiſche Orang oder Orang-Utang, von wel- chem man neuerdings zwei nahe verwandte Arten unterſcheidet, den großen Orang (Satyrus orang oder Pithecus satyrus) und den kleinen Orang (Satyrus morio oder Pithecus morio). Endlich lebt noch im ſuͤdlichen Aſien die Gattung Gibbon (Hylobates), von welcher man 4—8 verſchiedene Arten unterſcheidet. Sie ſind bedeu- tend kleiner als die drei erſtgenannten Anthropoiden und entfernen ſich in den meiſten Merkmalen ſchon weiter vom Menſchen. Die ſchwanzloſen Menſchenaffen haben neuerdings, namentlich ſeit der genaueren Bekanntſchaft mit dem Gorilla und ſeit ihrer Ver- knuͤpfung mit der Anwendung der Deſcendenztheorie auf den Men- ſchen, ein ſo allgemeines Jntereſſe erregt, und eine ſolche Fluth von Schriften hervorgerufen, daß ich hier gar keine Veranlaſſung finde, naͤher auf dieſelben einzugehen. Was ihre Beziehungen zum Menſchen Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 32

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/522>, abgerufen am 22.11.2024.