Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Agassiz' Ansichten vom natürlichen System der Organismen. solchen Periode durchlebten, hehauptet Agassiz, daß niemals eineund dieselbe Species in zwei verschiedenen Perioden vorkomme, und daß vielmehr jede einzelne Periode durch eine ganz eigenthümliche, ihr ausschließlich angehörige Bevölkerung von Thier- und Pflanzenarten charakterisirt sei. Er theilt ferner Cuviers Ansicht, daß durch die großen und allgemeinen Revolutionen der Erdoberfläche, welche je zwei auf einander folgende Perioden trennten, jene ganze Bevölke- rung vernichtet und nach deren Untergang eine neue, davon specifisch verschiedene geschaffen wurde. Diese Neuschöpfung läßt Agassiz in der Weise geschehen, daß jedesmal die gesammte Erdbevölkerung in ihrer durchschnittlichen Jndividuenzahl und in den der Oekonomie der Natur entsprechenden Wechselbeziehungen der einzelnen Arten vom Schöpfer als Ganzes plötzlich in die Welt gesetzt worden sei. Hiermit tritt er einem der bestbegründeten und wichtigsten Gesetze der Thier- und Pflanzengeographie entgegen, dem Gesetze nämlich, daß jede Species einen einzigen ursprünglichen Entstehungsort oder einen soge- nannten Schöpfungsmittelpunkt besitzt, von dem aus sie sich über die übrige Erde allmählich verbreitet hat. Statt dessen läßt Agassiz jede Species an verschiedenen Stellen der Erdoberfläche und sogleich in einer größeren Anzahl von Jndividuen geschaffen werden. Das natürliche System der Organismen, dessen ver- Agaſſiz’ Anſichten vom natuͤrlichen Syſtem der Organismen. ſolchen Periode durchlebten, hehauptet Agaſſiz, daß niemals eineund dieſelbe Species in zwei verſchiedenen Perioden vorkomme, und daß vielmehr jede einzelne Periode durch eine ganz eigenthuͤmliche, ihr ausſchließlich angehoͤrige Bevoͤlkerung von Thier- und Pflanzenarten charakteriſirt ſei. Er theilt ferner Cuviers Anſicht, daß durch die großen und allgemeinen Revolutionen der Erdoberflaͤche, welche je zwei auf einander folgende Perioden trennten, jene ganze Bevoͤlke- rung vernichtet und nach deren Untergang eine neue, davon ſpecifiſch verſchiedene geſchaffen wurde. Dieſe Neuſchoͤpfung laͤßt Agaſſiz in der Weiſe geſchehen, daß jedesmal die geſammte Erdbevoͤlkerung in ihrer durchſchnittlichen Jndividuenzahl und in den der Oekonomie der Natur entſprechenden Wechſelbeziehungen der einzelnen Arten vom Schoͤpfer als Ganzes ploͤtzlich in die Welt geſetzt worden ſei. Hiermit tritt er einem der beſtbegruͤndeten und wichtigſten Geſetze der Thier- und Pflanzengeographie entgegen, dem Geſetze naͤmlich, daß jede Species einen einzigen urſpruͤnglichen Entſtehungsort oder einen ſoge- nannten Schoͤpfungsmittelpunkt beſitzt, von dem aus ſie ſich uͤber die uͤbrige Erde allmaͤhlich verbreitet hat. Statt deſſen laͤßt Agaſſiz jede Species an verſchiedenen Stellen der Erdoberflaͤche und ſogleich in einer groͤßeren Anzahl von Jndividuen geſchaffen werden. Das natuͤrliche Syſtem der Organismen, deſſen ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="52"/><fw place="top" type="header">Agaſſiz’ Anſichten vom natuͤrlichen Syſtem der Organismen.</fw><lb/> ſolchen Periode durchlebten, hehauptet <hi rendition="#g">Agaſſiz,</hi> daß niemals eine<lb/> und dieſelbe Species in zwei verſchiedenen Perioden vorkomme, und<lb/> daß vielmehr jede einzelne Periode durch eine ganz eigenthuͤmliche, ihr<lb/> ausſchließlich angehoͤrige Bevoͤlkerung von Thier- und Pflanzenarten<lb/> charakteriſirt ſei. 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Agaſſiz’ Anſichten vom natuͤrlichen Syſtem der Organismen.
ſolchen Periode durchlebten, hehauptet Agaſſiz, daß niemals eine
und dieſelbe Species in zwei verſchiedenen Perioden vorkomme, und
daß vielmehr jede einzelne Periode durch eine ganz eigenthuͤmliche, ihr
ausſchließlich angehoͤrige Bevoͤlkerung von Thier- und Pflanzenarten
charakteriſirt ſei. Er theilt ferner Cuviers Anſicht, daß durch die
großen und allgemeinen Revolutionen der Erdoberflaͤche, welche je
zwei auf einander folgende Perioden trennten, jene ganze Bevoͤlke-
rung vernichtet und nach deren Untergang eine neue, davon ſpecifiſch
verſchiedene geſchaffen wurde. Dieſe Neuſchoͤpfung laͤßt Agaſſiz in
der Weiſe geſchehen, daß jedesmal die geſammte Erdbevoͤlkerung in
ihrer durchſchnittlichen Jndividuenzahl und in den der Oekonomie der
Natur entſprechenden Wechſelbeziehungen der einzelnen Arten vom
Schoͤpfer als Ganzes ploͤtzlich in die Welt geſetzt worden ſei. Hiermit
tritt er einem der beſtbegruͤndeten und wichtigſten Geſetze der Thier-
und Pflanzengeographie entgegen, dem Geſetze naͤmlich, daß jede
Species einen einzigen urſpruͤnglichen Entſtehungsort oder einen ſoge-
nannten Schoͤpfungsmittelpunkt beſitzt, von dem aus ſie ſich uͤber die
uͤbrige Erde allmaͤhlich verbreitet hat. Statt deſſen laͤßt Agaſſiz
jede Species an verſchiedenen Stellen der Erdoberflaͤche und ſogleich
in einer groͤßeren Anzahl von Jndividuen geſchaffen werden.
Das natuͤrliche Syſtem der Organismen, deſſen ver-
ſchiedene uͤber einander geordnete Gruppenſtufen oder Kategorien, die
Zweige, Klaſſen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten, wir
der Abſtammungslehre gemaͤß als verſchiedene Aeſte und Zweige des
gemeinſchaftlichen organiſchen Stammbaumes betrachten, iſt nach
Agaſſiz der unmittelbare Ausdruck des goͤttlichen Schoͤpfungsplanes,
und indem der Naturforſcher das natuͤrliche Syſtem erforſcht, denkt er
die Schoͤpfungsgedanken Gottes nach. Hierin findet Agaſſiz den kraͤf-
tigſten Beweis dafuͤr, daß der Menſch das Ebenbild und Kind Gottes
iſt. Die verſchiedenen Gruppenſtufen oder Kategorien des natuͤrlichen
Syſtems entſprechen den verſchiedenen Stufen der Ausbildung, welche
der goͤttliche Schoͤpfungsplan erlangt hatte. Beim Entwurfe und
bei der Ausfuͤhrung dieſes Planes vertiefte ſich der Schoͤpfer, von all-
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