Agassiz' Ansichten vom Schöpfer und von der Schöpfung.
menschliche Architekt vielleicht noch besser als der göttliche Schöpfer daran, daß ihm in der Anzahl der Gruppenstufen alle Freiheit gelassen wäre. Der Schöpfer dagegen darf sich nach Agassiz immer nur in- nerhalb der genannten sechs Gruppenstufen oder Kategorien bewegen, innerhalb der Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klasse und Typus. Mehr als diese sechs Kategorien giebt es für ihn nicht.
Wenn Sie in Agassiz' Werk über die Klassifikation selbst die weitere Ausführung und Begründung dieser seltsamen Ansichten lesen, -- und ich kann Jhnen dies nur empfehlen, -- so werden Sie kaum begreifen, wie man mit allem Anschein wissenschaftlichen Ernstes die Vermenschlichung (den Anthropomorphismus) des göttli- chen Schöpfers so weit treiben, und eben durch die Ausführung im Einzelnen bis zum verkehrtesten Unsinn ausmalen kann. Jn dieser ganzen Vorstellungsreihe ist der Schöpfer weiter nichts als ein allmäch- tiger Mensch, der von Langerweile geplagt, sich mit dem Ausdenken und Aufbauen möglichst mannichfaltiger Spielzeuge, der organischen Arten, belustigt. Nachdem er sich mit denselben eine Reihe von Jahr- tausenden hindurch unterhalten, werden sie ihm langweilig; er ver- nichtet sie durch eine allgemeine Revolution der Erdoberfläche, indem er das ganze unnütze Spielzeug in Haufen zusammenwirft, und ruft nun, um sich an etwas Neuem und Besserem die Zeit zu vertreiben, eine neue und vollkommnere Thier- und Pflanzenwelt ins Leben. Um jedoch nicht die Mühe der ganzen Schöpfungsarbeit von vorn anzu- fangen, behält er immer den einmal ausgedachten Schöpfungsplan im Großen und Ganzen bei, und schafft nur lauter neue Arten, oder höchstens neue Gattungen, viel seltener neue Familien, Ordnungen oder gar Klassen. Zu einem neuen Typus oder Style bringt er es nie. Dabei bleibt er immer streng innerhalb jener sechs Kategorien.
Nachdem der Schöpfer so nach Agassiz' Ansicht sich Millionen von Jahrtausenden hindurch mit dem Aufbauen und Zerstören einer Reihe verschiedener Schöpfungen unterhalten hatte, kömmt er endlich zuletzt -- obwohl sehr spät! -- auf den guten Gedanken, sich seines- gleichen zu erschaffen, und er formt den Menschen nach seinem Eben-
Agaſſiz’ Anſichten vom Schoͤpfer und von der Schoͤpfung.
menſchliche Architekt vielleicht noch beſſer als der goͤttliche Schoͤpfer daran, daß ihm in der Anzahl der Gruppenſtufen alle Freiheit gelaſſen waͤre. Der Schoͤpfer dagegen darf ſich nach Agaſſiz immer nur in- nerhalb der genannten ſechs Gruppenſtufen oder Kategorien bewegen, innerhalb der Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klaſſe und Typus. Mehr als dieſe ſechs Kategorien giebt es fuͤr ihn nicht.
Wenn Sie in Agaſſiz’ Werk uͤber die Klaſſifikation ſelbſt die weitere Ausfuͤhrung und Begruͤndung dieſer ſeltſamen Anſichten leſen, — und ich kann Jhnen dies nur empfehlen, — ſo werden Sie kaum begreifen, wie man mit allem Anſchein wiſſenſchaftlichen Ernſtes die Vermenſchlichung (den Anthropomorphismus) des goͤttli- chen Schoͤpfers ſo weit treiben, und eben durch die Ausfuͤhrung im Einzelnen bis zum verkehrteſten Unſinn ausmalen kann. Jn dieſer ganzen Vorſtellungsreihe iſt der Schoͤpfer weiter nichts als ein allmaͤch- tiger Menſch, der von Langerweile geplagt, ſich mit dem Ausdenken und Aufbauen moͤglichſt mannichfaltiger Spielzeuge, der organiſchen Arten, beluſtigt. Nachdem er ſich mit denſelben eine Reihe von Jahr- tauſenden hindurch unterhalten, werden ſie ihm langweilig; er ver- nichtet ſie durch eine allgemeine Revolution der Erdoberflaͤche, indem er das ganze unnuͤtze Spielzeug in Haufen zuſammenwirft, und ruft nun, um ſich an etwas Neuem und Beſſerem die Zeit zu vertreiben, eine neue und vollkommnere Thier- und Pflanzenwelt ins Leben. Um jedoch nicht die Muͤhe der ganzen Schoͤpfungsarbeit von vorn anzu- fangen, behaͤlt er immer den einmal ausgedachten Schoͤpfungsplan im Großen und Ganzen bei, und ſchafft nur lauter neue Arten, oder hoͤchſtens neue Gattungen, viel ſeltener neue Familien, Ordnungen oder gar Klaſſen. Zu einem neuen Typus oder Style bringt er es nie. Dabei bleibt er immer ſtreng innerhalb jener ſechs Kategorien.
Nachdem der Schoͤpfer ſo nach Agaſſiz’ Anſicht ſich Millionen von Jahrtauſenden hindurch mit dem Aufbauen und Zerſtoͤren einer Reihe verſchiedener Schoͤpfungen unterhalten hatte, koͤmmt er endlich zuletzt — obwohl ſehr ſpaͤt! — auf den guten Gedanken, ſich ſeines- gleichen zu erſchaffen, und er formt den Menſchen nach ſeinem Eben-
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Agaſſiz’ Anſichten vom Schoͤpfer und von der Schoͤpfung.
menſchliche Architekt vielleicht noch beſſer als der goͤttliche Schoͤpfer
daran, daß ihm in der Anzahl der Gruppenſtufen alle Freiheit gelaſſen
waͤre. Der Schoͤpfer dagegen darf ſich nach Agaſſiz immer nur in-
nerhalb der genannten ſechs Gruppenſtufen oder Kategorien bewegen,
innerhalb der Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klaſſe und Typus.
Mehr als dieſe ſechs Kategorien giebt es fuͤr ihn nicht.
Wenn Sie in Agaſſiz’ Werk uͤber die Klaſſifikation ſelbſt die
weitere Ausfuͤhrung und Begruͤndung dieſer ſeltſamen Anſichten leſen,
— und ich kann Jhnen dies nur empfehlen, — ſo werden Sie kaum
begreifen, wie man mit allem Anſchein wiſſenſchaftlichen Ernſtes die
Vermenſchlichung (den Anthropomorphismus) des goͤttli-
chen Schoͤpfers ſo weit treiben, und eben durch die Ausfuͤhrung im
Einzelnen bis zum verkehrteſten Unſinn ausmalen kann. Jn dieſer
ganzen Vorſtellungsreihe iſt der Schoͤpfer weiter nichts als ein allmaͤch-
tiger Menſch, der von Langerweile geplagt, ſich mit dem Ausdenken
und Aufbauen moͤglichſt mannichfaltiger Spielzeuge, der organiſchen
Arten, beluſtigt. Nachdem er ſich mit denſelben eine Reihe von Jahr-
tauſenden hindurch unterhalten, werden ſie ihm langweilig; er ver-
nichtet ſie durch eine allgemeine Revolution der Erdoberflaͤche, indem
er das ganze unnuͤtze Spielzeug in Haufen zuſammenwirft, und ruft
nun, um ſich an etwas Neuem und Beſſerem die Zeit zu vertreiben,
eine neue und vollkommnere Thier- und Pflanzenwelt ins Leben. Um
jedoch nicht die Muͤhe der ganzen Schoͤpfungsarbeit von vorn anzu-
fangen, behaͤlt er immer den einmal ausgedachten Schoͤpfungsplan
im Großen und Ganzen bei, und ſchafft nur lauter neue Arten, oder
hoͤchſtens neue Gattungen, viel ſeltener neue Familien, Ordnungen oder
gar Klaſſen. Zu einem neuen Typus oder Style bringt er es nie.
Dabei bleibt er immer ſtreng innerhalb jener ſechs Kategorien.
Nachdem der Schoͤpfer ſo nach Agaſſiz’ Anſicht ſich Millionen
von Jahrtauſenden hindurch mit dem Aufbauen und Zerſtoͤren einer
Reihe verſchiedener Schoͤpfungen unterhalten hatte, koͤmmt er endlich
zuletzt — obwohl ſehr ſpaͤt! — auf den guten Gedanken, ſich ſeines-
gleichen zu erſchaffen, und er formt den Menſchen nach ſeinem Eben-
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/75>, abgerufen am 21.11.2024.
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