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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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V. Affen-Abstammung des Menschen.
losen Ahnen zu erforschen; denn von ihren weichen, skelettlosen
Körpern kennen wir keine versteinerten Ueberreste; die Palä-
ontologie kann uns hier keinerlei Zeugniß liefern. Um so wich-
tiger werden hier die Urkunden der vergleichenden Anatomie
und Ontogenie. Da der menschliche Keim denselben Chordula-
Zustand durchläuft wie der Embryo aller anderen Wirbelthiere,
da er sich ebenso aus zwei Keimblättern einer Gastrula ent-
wickelt, schließen wir nach dem biogenetischen Grundgesetze auf
die frühere Existenz entsprechender Ahnen-Formen (Vermalien,
Gastraeaden)
. Vor Allem wichtig aber ist die fundamentale
Thatsache, daß auch der Keim des Menschen, gleich demjenigen
aller anderen Thiere, sich ursprünglich aus einer einfachen Zelle
entwickelt; denn diese Stammzelle (Cytula) -- die "befruch-
tete Eizelle" -- weist zweifellos auf eine entsprechende einzellige
Stammform hin, ein uraltes (laurentisches) Protozoon.

Für unsere monistische Philosophie ist es übrigens
zunächst ziemlich gleichgültig, wie sich im Einzelnen die Stufen-
reihe unserer thierischen Vorfahren noch sicherer feststellen lassen
wird. Für sie bleibt als sichere historische Thatsache
die folgenschwere Erkenntniß bestehen, daß der Mensch zu-
nächst vom Affen abstammt,
weiterhin von einer langen
Reihe niederer Wirbelthiere. Die logische Begründung dieses
Pithekometra-Satzes habe ich schon 1866 im siebenten Buche der
"Generellen Morphologie" betont (S. 427): "Der Satz, daß der
Mensch sich aus niederen Wirbelthieren, und zwar zunächst aus
echten Affen, entwickelt hat, ist ein specieller Deduktions-Schluß,
welcher sich aus dem generellen Induktions-Gesetze der Descendenz-
Theorie mit absoluter Nothwendigkeit ergiebt."

Von größter Bedeutung für die definitive Feststellung und
Anerkennung dieses fundamentalen Pithekometra-Satzes
sind die paläontologischen Entdeckungen der letzten drei
Decennien geworden; insbesondere haben uns die überraschenden

Haeckel, Welträthsel. 7

V. Affen-Abſtammung des Menſchen.
loſen Ahnen zu erforſchen; denn von ihren weichen, ſkelettloſen
Körpern kennen wir keine verſteinerten Ueberreſte; die Palä-
ontologie kann uns hier keinerlei Zeugniß liefern. Um ſo wich-
tiger werden hier die Urkunden der vergleichenden Anatomie
und Ontogenie. Da der menſchliche Keim denſelben Chordula-
Zuſtand durchläuft wie der Embryo aller anderen Wirbelthiere,
da er ſich ebenſo aus zwei Keimblättern einer Gaſtrula ent-
wickelt, ſchließen wir nach dem biogenetiſchen Grundgeſetze auf
die frühere Exiſtenz entſprechender Ahnen-Formen (Vermalien,
Gaſtraeaden)
. Vor Allem wichtig aber iſt die fundamentale
Thatſache, daß auch der Keim des Menſchen, gleich demjenigen
aller anderen Thiere, ſich urſprünglich aus einer einfachen Zelle
entwickelt; denn dieſe Stammzelle (Cytula) — die „befruch-
tete Eizelle“ — weiſt zweifellos auf eine entſprechende einzellige
Stammform hin, ein uraltes (laurentiſches) Protozoon.

Für unſere moniſtiſche Philoſophie iſt es übrigens
zunächſt ziemlich gleichgültig, wie ſich im Einzelnen die Stufen-
reihe unſerer thieriſchen Vorfahren noch ſicherer feſtſtellen laſſen
wird. Für ſie bleibt als ſichere hiſtoriſche Thatſache
die folgenſchwere Erkenntniß beſtehen, daß der Menſch zu-
nächſt vom Affen abſtammt,
weiterhin von einer langen
Reihe niederer Wirbelthiere. Die logiſche Begründung dieſes
Pithekometra-Satzes habe ich ſchon 1866 im ſiebenten Buche der
„Generellen Morphologie“ betont (S. 427): „Der Satz, daß der
Menſch ſich aus niederen Wirbelthieren, und zwar zunächſt aus
echten Affen, entwickelt hat, iſt ein ſpecieller Deduktions-Schluß,
welcher ſich aus dem generellen Induktions-Geſetze der Deſcendenz-
Theorie mit abſoluter Nothwendigkeit ergiebt.“

Von größter Bedeutung für die definitive Feſtſtellung und
Anerkennung dieſes fundamentalen Pithekometra-Satzes
ſind die paläontologiſchen Entdeckungen der letzten drei
Decennien geworden; insbeſondere haben uns die überraſchenden

Haeckel, Welträthſel. 7
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[97/0113] V. Affen-Abſtammung des Menſchen. loſen Ahnen zu erforſchen; denn von ihren weichen, ſkelettloſen Körpern kennen wir keine verſteinerten Ueberreſte; die Palä- ontologie kann uns hier keinerlei Zeugniß liefern. Um ſo wich- tiger werden hier die Urkunden der vergleichenden Anatomie und Ontogenie. Da der menſchliche Keim denſelben Chordula- Zuſtand durchläuft wie der Embryo aller anderen Wirbelthiere, da er ſich ebenſo aus zwei Keimblättern einer Gaſtrula ent- wickelt, ſchließen wir nach dem biogenetiſchen Grundgeſetze auf die frühere Exiſtenz entſprechender Ahnen-Formen (Vermalien, Gaſtraeaden). Vor Allem wichtig aber iſt die fundamentale Thatſache, daß auch der Keim des Menſchen, gleich demjenigen aller anderen Thiere, ſich urſprünglich aus einer einfachen Zelle entwickelt; denn dieſe Stammzelle (Cytula) — die „befruch- tete Eizelle“ — weiſt zweifellos auf eine entſprechende einzellige Stammform hin, ein uraltes (laurentiſches) Protozoon. Für unſere moniſtiſche Philoſophie iſt es übrigens zunächſt ziemlich gleichgültig, wie ſich im Einzelnen die Stufen- reihe unſerer thieriſchen Vorfahren noch ſicherer feſtſtellen laſſen wird. Für ſie bleibt als ſichere hiſtoriſche Thatſache die folgenſchwere Erkenntniß beſtehen, daß der Menſch zu- nächſt vom Affen abſtammt, weiterhin von einer langen Reihe niederer Wirbelthiere. Die logiſche Begründung dieſes Pithekometra-Satzes habe ich ſchon 1866 im ſiebenten Buche der „Generellen Morphologie“ betont (S. 427): „Der Satz, daß der Menſch ſich aus niederen Wirbelthieren, und zwar zunächſt aus echten Affen, entwickelt hat, iſt ein ſpecieller Deduktions-Schluß, welcher ſich aus dem generellen Induktions-Geſetze der Deſcendenz- Theorie mit abſoluter Nothwendigkeit ergiebt.“ Von größter Bedeutung für die definitive Feſtſtellung und Anerkennung dieſes fundamentalen Pithekometra-Satzes ſind die paläontologiſchen Entdeckungen der letzten drei Decennien geworden; insbeſondere haben uns die überraſchenden Haeckel, Welträthſel. 7

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/113>, abgerufen am 21.11.2024.