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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Physiologie des Bewußtseins. X.
sprechenden Unterschiede zwischen letzteren und den höchst ent-
wickelten Vernunft-Menschen (Spinoza, Goethe, Lamarck,
Darwin
u. s. w.). Das Bewußtsein ist mithin nur ein
Theil der höheren Seelenthätigkeit,
und als solche
abhängig von der normalen Struktur des betreffenden Seelen-
Organs, des Gehirns.

Physiologische Beobachtung und Experiment haben seit
zwanzig Jahren den sicheren Beweis geführt, daß derjenige
engere Bezirk des Säugethier-Gehirns, den man in diesem
Sinne als "Sitz" (besser als "Organ") des Bewußtseins be-
zeichnet, ein Theil des Großhirns ist, und zwar jener spät
entstandene "graue Mantel" oder die "Großhirnrinde", welche
aus dem konvexen Dorsal-Theil der primären ersten Hirnblase,
des Vorderhirns sich entwickelt. Aber auch die morpho-
logische
Begründung dieser physiologischen Erkenntniß ist den
bewunderungswürdigen Fortschritten der mikroskopischen
Gehirn-Anatomie
gelungen, welche wir den vervollkommneten
Forschungs-Methoden der neuesten Zeit verdanken (Kölliker,
Flechsig, Golgi, Edinger, Weigert
u. s. w.).

Wohl die wichtigste von diesen Erkenntnissen ist die Ent-
deckung der Denkorgane durch Paul Flechsig in Leipzig;
er wies nach, daß in der grauen Rindenzone des Hirnmantels
vier Gebiete der centralen Sinnesorgane oder vier "innere
Empfindungssphären" liegen, die Körperfühlsphäre im Scheitel-
lappen, die Riechsphäre im Stirnlappen, die Sehsphäre im
Hinterhauptslappen, die Hörsphäre im Schläfenlappen. Zwischen
diesen vier "Sinnesherden" liegen die vier großen "Denk-
herde
" oder Associons-Centren, die realen Organe des
Geisteslebens
; sie sind jene höchsten Werkzeuge der Seelen-
thätigkeit, welche das Denken und das Bewußtsein ver-
mitteln: vorn das Stirnhirn oder das frontale Associons-Centrum,
hinten oben das Scheitelhirn oder parietale Associons-Centrum,

Phyſiologie des Bewußtſeins. X.
ſprechenden Unterſchiede zwiſchen letzteren und den höchſt ent-
wickelten Vernunft-Menſchen (Spinoza, Goethe, Lamarck,
Darwin
u. ſ. w.). Das Bewußtſein iſt mithin nur ein
Theil der höheren Seelenthätigkeit,
und als ſolche
abhängig von der normalen Struktur des betreffenden Seelen-
Organs, des Gehirns.

Phyſiologiſche Beobachtung und Experiment haben ſeit
zwanzig Jahren den ſicheren Beweis geführt, daß derjenige
engere Bezirk des Säugethier-Gehirns, den man in dieſem
Sinne als „Sitz“ (beſſer als „Organ“) des Bewußtſeins be-
zeichnet, ein Theil des Großhirns iſt, und zwar jener ſpät
entſtandene „graue Mantel“ oder die „Großhirnrinde“, welche
aus dem konvexen Dorſal-Theil der primären erſten Hirnblaſe,
des Vorderhirns ſich entwickelt. Aber auch die morpho-
logiſche
Begründung dieſer phyſiologiſchen Erkenntniß iſt den
bewunderungswürdigen Fortſchritten der mikroſkopiſchen
Gehirn-Anatomie
gelungen, welche wir den vervollkommneten
Forſchungs-Methoden der neueſten Zeit verdanken (Kölliker,
Flechſig, Golgi, Edinger, Weigert
u. ſ. w.).

Wohl die wichtigſte von dieſen Erkenntniſſen iſt die Ent-
deckung der Denkorgane durch Paul Flechſig in Leipzig;
er wies nach, daß in der grauen Rindenzone des Hirnmantels
vier Gebiete der centralen Sinnesorgane oder vier „innere
Empfindungsſphären“ liegen, die Körperfühlſphäre im Scheitel-
lappen, die Riechſphäre im Stirnlappen, die Sehſphäre im
Hinterhauptslappen, die Hörſphäre im Schläfenlappen. Zwiſchen
dieſen vier „Sinnesherden“ liegen die vier großen „Denk-
herde
“ oder Aſſocions-Centren, die realen Organe des
Geiſteslebens
; ſie ſind jene höchſten Werkzeuge der Seelen-
thätigkeit, welche das Denken und das Bewußtſein ver-
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[212/0228] Phyſiologie des Bewußtſeins. X. ſprechenden Unterſchiede zwiſchen letzteren und den höchſt ent- wickelten Vernunft-Menſchen (Spinoza, Goethe, Lamarck, Darwin u. ſ. w.). Das Bewußtſein iſt mithin nur ein Theil der höheren Seelenthätigkeit, und als ſolche abhängig von der normalen Struktur des betreffenden Seelen- Organs, des Gehirns. Phyſiologiſche Beobachtung und Experiment haben ſeit zwanzig Jahren den ſicheren Beweis geführt, daß derjenige engere Bezirk des Säugethier-Gehirns, den man in dieſem Sinne als „Sitz“ (beſſer als „Organ“) des Bewußtſeins be- zeichnet, ein Theil des Großhirns iſt, und zwar jener ſpät entſtandene „graue Mantel“ oder die „Großhirnrinde“, welche aus dem konvexen Dorſal-Theil der primären erſten Hirnblaſe, des Vorderhirns ſich entwickelt. Aber auch die morpho- logiſche Begründung dieſer phyſiologiſchen Erkenntniß iſt den bewunderungswürdigen Fortſchritten der mikroſkopiſchen Gehirn-Anatomie gelungen, welche wir den vervollkommneten Forſchungs-Methoden der neueſten Zeit verdanken (Kölliker, Flechſig, Golgi, Edinger, Weigert u. ſ. w.). Wohl die wichtigſte von dieſen Erkenntniſſen iſt die Ent- deckung der Denkorgane durch Paul Flechſig in Leipzig; er wies nach, daß in der grauen Rindenzone des Hirnmantels vier Gebiete der centralen Sinnesorgane oder vier „innere Empfindungsſphären“ liegen, die Körperfühlſphäre im Scheitel- lappen, die Riechſphäre im Stirnlappen, die Sehſphäre im Hinterhauptslappen, die Hörſphäre im Schläfenlappen. Zwiſchen dieſen vier „Sinnesherden“ liegen die vier großen „Denk- herde“ oder Aſſocions-Centren, die realen Organe des Geiſteslebens; ſie ſind jene höchſten Werkzeuge der Seelen- thätigkeit, welche das Denken und das Bewußtſein ver- mitteln: vorn das Stirnhirn oder das frontale Aſſocions-Centrum, hinten oben das Scheitelhirn oder parietale Aſſocions-Centrum,

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/228>, abgerufen am 24.11.2024.