Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Zahl der Schöpfungs-Akte. XIII. würdig allein ist, sich zu denken, daß sie vor undenklicher Zeitdurch einen Schöpfungsakt die ganze Materie so geschaffen habe, daß nach den der Materie mitgegebenen unverbrüchlichen Gesetzen da, wo die Bedingungen für Entstehen und Fortbestehen von Lebewesen vorhanden waren, beispielsweise hier auf Erden, einfachste Lebewesen entstanden, aus denen ohne weitere Nachhülfe die heutige Natur von einer Urbacille bis zum Palmenwalde, von einem Urmikrokokkus bis zu Suleima's holden Gebärden, bis zu Newton's Gehirn ward. So kämen wir mit einem Schöpfungstage (!) aus und ließen ohne alten und neuen Vitalismus die organische Natur rein mechanisch entstehen." Hier wie bei der Bewußtseins-Frage in der Ignorabimus-Rede (S. 208) offenbart Du Bois-Reymond in auffallender Weise die geringe Tiefe und Folgerichtigkeit seines monistischen Denkens. Schöpfung der Einzeldinge (ontologischer Krea- Zahl der Schöpfungs-Akte. XIII. würdig allein iſt, ſich zu denken, daß ſie vor undenklicher Zeitdurch einen Schöpfungsakt die ganze Materie ſo geſchaffen habe, daß nach den der Materie mitgegebenen unverbrüchlichen Geſetzen da, wo die Bedingungen für Entſtehen und Fortbeſtehen von Lebeweſen vorhanden waren, beiſpielsweiſe hier auf Erden, einfachſte Lebeweſen entſtanden, aus denen ohne weitere Nachhülfe die heutige Natur von einer Urbacille bis zum Palmenwalde, von einem Urmikrokokkus bis zu Suleima's holden Gebärden, bis zu Newton's Gehirn ward. So kämen wir mit einem Schöpfungstage (!) aus und ließen ohne alten und neuen Vitalismus die organiſche Natur rein mechaniſch entſtehen.“ Hier wie bei der Bewußtſeins-Frage in der Ignorabimus-Rede (S. 208) offenbart Du Bois-Reymond in auffallender Weiſe die geringe Tiefe und Folgerichtigkeit ſeines moniſtiſchen Denkens. Schöpfung der Einzeldinge (ontologiſcher Krea- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0290" n="274"/><fw place="top" type="header">Zahl der Schöpfungs-Akte. <hi rendition="#aq">XIII.</hi></fw><lb/> würdig allein iſt, ſich zu denken, daß ſie vor undenklicher Zeit<lb/> durch <hi rendition="#g">einen Schöpfungsakt</hi> die ganze Materie ſo geſchaffen<lb/> habe, daß nach den der Materie mitgegebenen unverbrüchlichen<lb/> Geſetzen da, wo die Bedingungen für Entſtehen und Fortbeſtehen<lb/> von Lebeweſen vorhanden waren, beiſpielsweiſe hier auf Erden,<lb/> einfachſte Lebeweſen entſtanden, aus denen ohne weitere Nachhülfe<lb/> die heutige Natur von einer Urbacille bis zum Palmenwalde,<lb/> von einem Urmikrokokkus bis zu Suleima's holden Gebärden,<lb/> bis zu Newton's Gehirn ward. So kämen wir mit <hi rendition="#g">einem<lb/> Schöpfungstage (!)</hi> aus und ließen ohne alten und neuen<lb/> Vitalismus die organiſche Natur rein mechaniſch entſtehen.“ Hier<lb/> wie bei der Bewußtſeins-Frage in der <hi rendition="#g">Ignorabimus-</hi>Rede<lb/> (S. 208) offenbart <hi rendition="#g">Du Bois-Reymond</hi> in auffallender Weiſe<lb/> die geringe Tiefe und Folgerichtigkeit ſeines moniſtiſchen Denkens.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Schöpfung der Einzeldinge</hi> (<hi rendition="#g">ontologiſcher Krea-<lb/> tismus</hi>). Nach dieſer individuellen, noch jetzt herrſchenden<lb/> Schöpfungslehre hat Gott der Herr nicht nur die Welt im<lb/> Ganzen („aus Nichts“!) geſchaffen, ſondern auch alle einzelnen<lb/> Dinge in derſelben. In der chriſtlichen Kulturwelt beſitzt noch<lb/> heute die uralte ſemitiſche, aus dem erſten Buch Moſes herüber-<lb/> genommene Schöpfungsſage die weiteſte Geltung; ſelbſt unter<lb/> den modernen Naturforſchern findet ſie noch hie und da gläubige<lb/> Anhänger. Ich habe meine kritiſche Auffaſſung derſelben im<lb/> erſten Kapitel meiner „Natürlichen Schöpfungsgeſchichte“ ein-<lb/> gehend dargelegt. Als intereſſanteſte Modifikationen dieſes onto-<lb/> logiſchen Kreatismus dürften folgende Theorien zu unterſcheiden<lb/> ſein: <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Dualiſtiſche Kreation:</hi> Gott hat ſich auf <hi rendition="#g">zwei<lb/> Schöpfungsakte</hi> beſchränkt; zuerſt ſchuf er die anorganiſche<lb/> Welt, die todte Subſtanz, für die allein das Geſetz der Energie<lb/> gilt, blind und ziellos wirkend im Mechanismus der Weltkörper<lb/> und der Gebirgsbildung; ſpäter erwarb Gott Intelligenz und<lb/> theilte dieſe den Dominanten mit, den zielſtrebigen, intelligenten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0290]
Zahl der Schöpfungs-Akte. XIII.
würdig allein iſt, ſich zu denken, daß ſie vor undenklicher Zeit
durch einen Schöpfungsakt die ganze Materie ſo geſchaffen
habe, daß nach den der Materie mitgegebenen unverbrüchlichen
Geſetzen da, wo die Bedingungen für Entſtehen und Fortbeſtehen
von Lebeweſen vorhanden waren, beiſpielsweiſe hier auf Erden,
einfachſte Lebeweſen entſtanden, aus denen ohne weitere Nachhülfe
die heutige Natur von einer Urbacille bis zum Palmenwalde,
von einem Urmikrokokkus bis zu Suleima's holden Gebärden,
bis zu Newton's Gehirn ward. So kämen wir mit einem
Schöpfungstage (!) aus und ließen ohne alten und neuen
Vitalismus die organiſche Natur rein mechaniſch entſtehen.“ Hier
wie bei der Bewußtſeins-Frage in der Ignorabimus-Rede
(S. 208) offenbart Du Bois-Reymond in auffallender Weiſe
die geringe Tiefe und Folgerichtigkeit ſeines moniſtiſchen Denkens.
Schöpfung der Einzeldinge (ontologiſcher Krea-
tismus). Nach dieſer individuellen, noch jetzt herrſchenden
Schöpfungslehre hat Gott der Herr nicht nur die Welt im
Ganzen („aus Nichts“!) geſchaffen, ſondern auch alle einzelnen
Dinge in derſelben. In der chriſtlichen Kulturwelt beſitzt noch
heute die uralte ſemitiſche, aus dem erſten Buch Moſes herüber-
genommene Schöpfungsſage die weiteſte Geltung; ſelbſt unter
den modernen Naturforſchern findet ſie noch hie und da gläubige
Anhänger. Ich habe meine kritiſche Auffaſſung derſelben im
erſten Kapitel meiner „Natürlichen Schöpfungsgeſchichte“ ein-
gehend dargelegt. Als intereſſanteſte Modifikationen dieſes onto-
logiſchen Kreatismus dürften folgende Theorien zu unterſcheiden
ſein: I. Dualiſtiſche Kreation: Gott hat ſich auf zwei
Schöpfungsakte beſchränkt; zuerſt ſchuf er die anorganiſche
Welt, die todte Subſtanz, für die allein das Geſetz der Energie
gilt, blind und ziellos wirkend im Mechanismus der Weltkörper
und der Gebirgsbildung; ſpäter erwarb Gott Intelligenz und
theilte dieſe den Dominanten mit, den zielſtrebigen, intelligenten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |