Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.XIII. Zahl der Schöpfungs-Akte. Kräften, welche die Entwickelung der Organismen bewirken undleiten (Reinke)*). II. Trialistische Kreation: Gott hat die Welt in drei Hauptakten geschaffen: A. Schöpfung des Himmels (d. h. der außerirdischen Welt); B. Schöpfung der Erde (als Mittelpunkt der Welt) und ihrer Organismen: C. Schöpfung des Menschen (als Ebenbild Gottes); dieses Dogma ist noch heute weit verbreitet unter christlichen Theologen und anderen "Gebildeten"; es wird in vielen Schulen als Wahr- heit gelehrt. III. Heptamerale Kreation: die Schöpfung in sieben Tagen (nach Moses). Obgleich nur wenige Gebildete heute noch wirklich an diesen mosaischen Mythus glauben, wird er dennoch unseren Kindern schon in der frühesten Jugend mit dem Bibel-Unterricht fest eingeprägt. Die vielfachen, namentlich in England gemachten Versuche, denselben mit der modernen Entwickelungslehre in Einklang zu bringen, sind völlig fehl- geschlagen. Für die Naturwissenschaft gewann derselbe dadurch große Bedeutung, daß Linne bei Begründung seines Natur- Systems (1735) ihn annahm und zur Begriffs-Bestimmung der organischen (von ihm für beständig gehaltenen) Species be- nutzte: "Es giebt so viele verschiedene Arten von Thieren und Pflanzen, als im Anfang verschiedene Formen von dem unend- lichen Wesen erschaffen worden sind"**). Dieses Dogma wurde ziemlich allgemein bis auf Darwin (1859) festgehalten, obgleich Lamarck schon 1809 seine Unhaltbarkeit dargelegt hatte. IV. Periodische Kreation: im Anfang jeder Periode der Erdgeschichte wurde die ganze Thier- und Pflanzen-Bevölkerung neu geschaffen und am Ende derselben durch eine allgemeine Katastrophe vernichtet; es giebt so viele General-Schöpfungs- Akte, als getrennte geologische Perioden auf einander folgten (die Katastrophen-Theorie von Cuvier, 1818, und von Louis *) J. Reinke, Die Welt als That. 1899 (S. 451, 477 etc.). **) E. Haeckel, Natürl. Schöpfungsgeschichte. Neunte Auflage, S. 39. 18*
XIII. Zahl der Schöpfungs-Akte. Kräften, welche die Entwickelung der Organismen bewirken undleiten (Reinke)*). II. Trialiſtiſche Kreation: Gott hat die Welt in drei Hauptakten geſchaffen: A. Schöpfung des Himmels (d. h. der außerirdiſchen Welt); B. Schöpfung der Erde (als Mittelpunkt der Welt) und ihrer Organismen: C. Schöpfung des Menſchen (als Ebenbild Gottes); dieſes Dogma iſt noch heute weit verbreitet unter chriſtlichen Theologen und anderen „Gebildeten“; es wird in vielen Schulen als Wahr- heit gelehrt. III. Heptamerale Kreation: die Schöpfung in ſieben Tagen (nach Moſes). Obgleich nur wenige Gebildete heute noch wirklich an dieſen moſaiſchen Mythus glauben, wird er dennoch unſeren Kindern ſchon in der früheſten Jugend mit dem Bibel-Unterricht feſt eingeprägt. Die vielfachen, namentlich in England gemachten Verſuche, denſelben mit der modernen Entwickelungslehre in Einklang zu bringen, ſind völlig fehl- geſchlagen. Für die Naturwiſſenſchaft gewann derſelbe dadurch große Bedeutung, daß Linné bei Begründung ſeines Natur- Syſtems (1735) ihn annahm und zur Begriffs-Beſtimmung der organiſchen (von ihm für beſtändig gehaltenen) Species be- nutzte: „Es giebt ſo viele verſchiedene Arten von Thieren und Pflanzen, als im Anfang verſchiedene Formen von dem unend- lichen Weſen erſchaffen worden ſind“**). Dieſes Dogma wurde ziemlich allgemein bis auf Darwin (1859) feſtgehalten, obgleich Lamarck ſchon 1809 ſeine Unhaltbarkeit dargelegt hatte. IV. Periodiſche Kreation: im Anfang jeder Periode der Erdgeſchichte wurde die ganze Thier- und Pflanzen-Bevölkerung neu geſchaffen und am Ende derſelben durch eine allgemeine Kataſtrophe vernichtet; es giebt ſo viele General-Schöpfungs- Akte, als getrennte geologiſche Perioden auf einander folgten (die Kataſtrophen-Theorie von Cuvier, 1818, und von Louis *) J. Reinke, Die Welt als That. 1899 (S. 451, 477 ꝛc.). **) E. Haeckel, Natürl. Schöpfungsgeſchichte. Neunte Auflage, S. 39. 18*
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XIII. Zahl der Schöpfungs-Akte.
Kräften, welche die Entwickelung der Organismen bewirken und
leiten (Reinke) *). II. Trialiſtiſche Kreation: Gott hat
die Welt in drei Hauptakten geſchaffen: A. Schöpfung des
Himmels (d. h. der außerirdiſchen Welt); B. Schöpfung der
Erde (als Mittelpunkt der Welt) und ihrer Organismen:
C. Schöpfung des Menſchen (als Ebenbild Gottes); dieſes
Dogma iſt noch heute weit verbreitet unter chriſtlichen Theologen
und anderen „Gebildeten“; es wird in vielen Schulen als Wahr-
heit gelehrt. III. Heptamerale Kreation: die Schöpfung
in ſieben Tagen (nach Moſes). Obgleich nur wenige Gebildete
heute noch wirklich an dieſen moſaiſchen Mythus glauben, wird
er dennoch unſeren Kindern ſchon in der früheſten Jugend mit
dem Bibel-Unterricht feſt eingeprägt. Die vielfachen, namentlich
in England gemachten Verſuche, denſelben mit der modernen
Entwickelungslehre in Einklang zu bringen, ſind völlig fehl-
geſchlagen. Für die Naturwiſſenſchaft gewann derſelbe dadurch
große Bedeutung, daß Linné bei Begründung ſeines Natur-
Syſtems (1735) ihn annahm und zur Begriffs-Beſtimmung der
organiſchen (von ihm für beſtändig gehaltenen) Species be-
nutzte: „Es giebt ſo viele verſchiedene Arten von Thieren und
Pflanzen, als im Anfang verſchiedene Formen von dem unend-
lichen Weſen erſchaffen worden ſind“ **). Dieſes Dogma wurde
ziemlich allgemein bis auf Darwin (1859) feſtgehalten, obgleich
Lamarck ſchon 1809 ſeine Unhaltbarkeit dargelegt hatte.
IV. Periodiſche Kreation: im Anfang jeder Periode der
Erdgeſchichte wurde die ganze Thier- und Pflanzen-Bevölkerung
neu geſchaffen und am Ende derſelben durch eine allgemeine
Kataſtrophe vernichtet; es giebt ſo viele General-Schöpfungs-
Akte, als getrennte geologiſche Perioden auf einander folgten
(die Kataſtrophen-Theorie von Cuvier, 1818, und von Louis
*) J. Reinke, Die Welt als That. 1899 (S. 451, 477 ꝛc.).
**) E. Haeckel, Natürl. Schöpfungsgeſchichte. Neunte Auflage, S. 39.
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