I. Monistische Kosmogenie. Den ersten "Versuch, die Verfassung und den mechanischen Ursprung des ganzen Welt- gebäudes nach Newton'schen Grundsätzen" -- d. h. durch mathematische und physikalische Gesetze -- in einfachster Weise zu erklären, unternahm Immanuel Kant in seinem berühmten Jugendwerke, der "Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels" (1755). Leider blieb dieses großartige und kühne Werk 90 Jahre hindurch fast unbekannt; es wurde erst 1845 durch Alexander Humboldt wieder ausgegraben, im ersten Bande seines "Kosmos". Inzwischen war aber der große fran- zösische Mathematiker Pierre Laplace selbständig auf ähnliche Theorien wie Kant gekommen und führte dieselben mit mathe- matischer Begründung weiter aus in seiner "Exposition du systeme du monde" (1796). Sein Hauptwerk "Mecanique celeste" erschien vor hundert Jahren. Die übereinstimmenden Grundzüge der Kosmogenie von Kant und Laplace beruhen bekanntlich auf einer mechanischen Erklärung der Planeten- Bewegungen und der daraus abgeleiteten Annahme, daß alle Weltkörper ursprünglich aus rotirenden Nebelbällen durch Ver- dichtung entstanden sind. Diese "Nebular-Hypothese" oder "kosmologische Gas-Theorie" ist zwar später vielfach verbessert und ergänzt worden, sie besteht aber noch heute un- erschüttert als der beste von allen Versuchen, die Entstehung des Weltgebäudes einheitlich und mechanisch zu erklären*). In neuester Zeit hat dieselbe eine bedeutungsvolle Ergänzung und zugleich Verstärkung durch die Annahme gewonnen, daß dieser kosmogonische Proceß nicht nur einmal stattgefunden, sondern sich periodisch wiederholt hat. Während in gewissen Theilen des unendlichen Weltraumes aus rotirenden Nebelbällen neue Weltkörper entstehen und sich entwickeln, werden in anderen
*) Vergl. Wilhelm Bölsche, Entwickelungsgeschichte der Natur. I. Bd. 1894.
Kosmogoniſche Proceſſe. XIII.
I. Moniſtiſche Kosmogenie. Den erſten „Verſuch, die Verfaſſung und den mechaniſchen Urſprung des ganzen Welt- gebäudes nach Newton'ſchen Grundſätzen“ — d. h. durch mathematiſche und phyſikaliſche Geſetze — in einfachſter Weiſe zu erklären, unternahm Immanuel Kant in ſeinem berühmten Jugendwerke, der „Allgemeinen Naturgeſchichte und Theorie des Himmels“ (1755). Leider blieb dieſes großartige und kühne Werk 90 Jahre hindurch faſt unbekannt; es wurde erſt 1845 durch Alexander Humboldt wieder ausgegraben, im erſten Bande ſeines „Kosmos“. Inzwiſchen war aber der große fran- zöſiſche Mathematiker Pierre Laplace ſelbſtändig auf ähnliche Theorien wie Kant gekommen und führte dieſelben mit mathe- matiſcher Begründung weiter aus in ſeiner „Expoſition du ſyſtème du monde“ (1796). Sein Hauptwerk „Mécanique céleſte“ erſchien vor hundert Jahren. Die übereinſtimmenden Grundzüge der Kosmogenie von Kant und Laplace beruhen bekanntlich auf einer mechaniſchen Erklärung der Planeten- Bewegungen und der daraus abgeleiteten Annahme, daß alle Weltkörper urſprünglich aus rotirenden Nebelbällen durch Ver- dichtung entſtanden ſind. Dieſe „Nebular-Hypotheſe“ oder „kosmologiſche Gas-Theorie“ iſt zwar ſpäter vielfach verbeſſert und ergänzt worden, ſie beſteht aber noch heute un- erſchüttert als der beſte von allen Verſuchen, die Entſtehung des Weltgebäudes einheitlich und mechaniſch zu erklären*). In neueſter Zeit hat dieſelbe eine bedeutungsvolle Ergänzung und zugleich Verſtärkung durch die Annahme gewonnen, daß dieſer kosmogoniſche Proceß nicht nur einmal ſtattgefunden, ſondern ſich periodiſch wiederholt hat. Während in gewiſſen Theilen des unendlichen Weltraumes aus rotirenden Nebelbällen neue Weltkörper entſtehen und ſich entwickeln, werden in anderen
*) Vergl. Wilhelm Bölſche, Entwickelungsgeſchichte der Natur. I. Bd. 1894.
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Kosmogoniſche Proceſſe. XIII.
I. Moniſtiſche Kosmogenie. Den erſten „Verſuch, die
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gebäudes nach Newton'ſchen Grundſätzen“ — d. h. durch
mathematiſche und phyſikaliſche Geſetze — in einfachſter Weiſe
zu erklären, unternahm Immanuel Kant in ſeinem berühmten
Jugendwerke, der „Allgemeinen Naturgeſchichte und Theorie des
Himmels“ (1755). Leider blieb dieſes großartige und kühne
Werk 90 Jahre hindurch faſt unbekannt; es wurde erſt 1845
durch Alexander Humboldt wieder ausgegraben, im erſten
Bande ſeines „Kosmos“. Inzwiſchen war aber der große fran-
zöſiſche Mathematiker Pierre Laplace ſelbſtändig auf ähnliche
Theorien wie Kant gekommen und führte dieſelben mit mathe-
matiſcher Begründung weiter aus in ſeiner „Expoſition du
ſyſtème du monde“ (1796). Sein Hauptwerk „Mécanique
céleſte“ erſchien vor hundert Jahren. Die übereinſtimmenden
Grundzüge der Kosmogenie von Kant und Laplace beruhen
bekanntlich auf einer mechaniſchen Erklärung der Planeten-
Bewegungen und der daraus abgeleiteten Annahme, daß alle
Weltkörper urſprünglich aus rotirenden Nebelbällen durch Ver-
dichtung entſtanden ſind. Dieſe „Nebular-Hypotheſe“ oder
„kosmologiſche Gas-Theorie“ iſt zwar ſpäter vielfach
verbeſſert und ergänzt worden, ſie beſteht aber noch heute un-
erſchüttert als der beſte von allen Verſuchen, die Entſtehung des
Weltgebäudes einheitlich und mechaniſch zu erklären *). In
neueſter Zeit hat dieſelbe eine bedeutungsvolle Ergänzung und
zugleich Verſtärkung durch die Annahme gewonnen, daß dieſer
kosmogoniſche Proceß nicht nur einmal ſtattgefunden,
ſondern ſich periodiſch wiederholt hat. Während in gewiſſen
Theilen des unendlichen Weltraumes aus rotirenden Nebelbällen
neue Weltkörper entſtehen und ſich entwickeln, werden in anderen
*) Vergl. Wilhelm Bölſche, Entwickelungsgeſchichte der Natur.
I. Bd. 1894.
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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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