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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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I. Monismus und Dualismus.
gegen (ebenfalls im weitesten Sinn begriffen!) erkennt im Uni-
versum nur eine einzige Substanz, die "Gott und Natur" zugleich
ist: Körper und Geist (oder Materie und Energie) sind für sie
untrennbar verbunden. Der extramundane Gott des Dualis-
mus führt nothwendig zum Theismus; hingegen der intra-
mundane
Gott des Monismus zum Pantheismus.

Materialismus und Spiritualismus. Sehr häufig wer-
den auch heute noch die verschiedenen Begriffe Monismus und
Materialismus und ebenso die wesentlich verschiedenen Rich-
tungen des theoretischen und des praktischen Materialismus ver-
wechselt. Da diese und andere ähnliche Begriffs-Verwirrungen
höchst nachtheilig wirken und zahlreiche Irrthümer veranlassen,
wollen wir zur Vermeidung aller Mißverständnisse nur kurz noch
Folgendes bemerken: I. Unser reiner Monismus ist weder
mit dem theoretischen Materialismus identisch, welcher den
Geist leugnet und die Welt in eine Summe von todten Atomen
auflöst, noch mit dem theoretischen Spiritualismus (neuer-
dings von Ostwald als Energetik bezeichnet *), welcher die
Materie leugnet und die Welt nur als eine räumlich geordnete
Gruppe von Energien oder immateriellen Naturkräften betrachtet.
II. Vielmehr sind wir mit Goethe der festen Ueberzeugung,
daß "die Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie
existirt und wirksam sein kann". Wir halten fest an dem reinen
und unzweideutigen Monismus von Spinoza: Die Materie,
als die unendlich ausgedehnte Substanz, und der Geist (oder die
Energie), als die empfindende oder denkende Substanz, sind die
beiden fundamentalen Attribute oder Grundeigenschaften des
allumfassenden göttlichen Weltwesens, der universalen Substanz.
(Vergl. Kapitel 12.)





*) Wilhelm Ostwald, Die Ueberwindung des wissenschaftlichen
Materialismus. 1895.

I. Monismus und Dualismus.
gegen (ebenfalls im weiteſten Sinn begriffen!) erkennt im Uni-
verſum nur eine einzige Subſtanz, die „Gott und Natur“ zugleich
iſt: Körper und Geiſt (oder Materie und Energie) ſind für ſie
untrennbar verbunden. Der extramundane Gott des Dualis-
mus führt nothwendig zum Theismus; hingegen der intra-
mundane
Gott des Monismus zum Pantheismus.

Materialismus und Spiritualismus. Sehr häufig wer-
den auch heute noch die verſchiedenen Begriffe Monismus und
Materialismus und ebenſo die weſentlich verſchiedenen Rich-
tungen des theoretiſchen und des praktiſchen Materialismus ver-
wechſelt. Da dieſe und andere ähnliche Begriffs-Verwirrungen
höchſt nachtheilig wirken und zahlreiche Irrthümer veranlaſſen,
wollen wir zur Vermeidung aller Mißverſtändniſſe nur kurz noch
Folgendes bemerken: I. Unſer reiner Monismus iſt weder
mit dem theoretiſchen Materialismus identiſch, welcher den
Geiſt leugnet und die Welt in eine Summe von todten Atomen
auflöſt, noch mit dem theoretiſchen Spiritualismus (neuer-
dings von Oſtwald als Energetik bezeichnet *), welcher die
Materie leugnet und die Welt nur als eine räumlich geordnete
Gruppe von Energien oder immateriellen Naturkräften betrachtet.
II. Vielmehr ſind wir mit Goethe der feſten Ueberzeugung,
daß „die Materie nie ohne Geiſt, der Geiſt nie ohne Materie
exiſtirt und wirkſam ſein kann“. Wir halten feſt an dem reinen
und unzweideutigen Monismus von Spinoza: Die Materie,
als die unendlich ausgedehnte Subſtanz, und der Geiſt (oder die
Energie), als die empfindende oder denkende Subſtanz, ſind die
beiden fundamentalen Attribute oder Grundeigenſchaften des
allumfaſſenden göttlichen Weltweſens, der univerſalen Subſtanz.
(Vergl. Kapitel 12.)





*) Wilhelm Oſtwald, Die Ueberwindung des wiſſenſchaftlichen
Materialismus. 1895.
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[23/0039] I. Monismus und Dualismus. gegen (ebenfalls im weiteſten Sinn begriffen!) erkennt im Uni- verſum nur eine einzige Subſtanz, die „Gott und Natur“ zugleich iſt: Körper und Geiſt (oder Materie und Energie) ſind für ſie untrennbar verbunden. Der extramundane Gott des Dualis- mus führt nothwendig zum Theismus; hingegen der intra- mundane Gott des Monismus zum Pantheismus. Materialismus und Spiritualismus. Sehr häufig wer- den auch heute noch die verſchiedenen Begriffe Monismus und Materialismus und ebenſo die weſentlich verſchiedenen Rich- tungen des theoretiſchen und des praktiſchen Materialismus ver- wechſelt. Da dieſe und andere ähnliche Begriffs-Verwirrungen höchſt nachtheilig wirken und zahlreiche Irrthümer veranlaſſen, wollen wir zur Vermeidung aller Mißverſtändniſſe nur kurz noch Folgendes bemerken: I. Unſer reiner Monismus iſt weder mit dem theoretiſchen Materialismus identiſch, welcher den Geiſt leugnet und die Welt in eine Summe von todten Atomen auflöſt, noch mit dem theoretiſchen Spiritualismus (neuer- dings von Oſtwald als Energetik bezeichnet *), welcher die Materie leugnet und die Welt nur als eine räumlich geordnete Gruppe von Energien oder immateriellen Naturkräften betrachtet. II. Vielmehr ſind wir mit Goethe der feſten Ueberzeugung, daß „die Materie nie ohne Geiſt, der Geiſt nie ohne Materie exiſtirt und wirkſam ſein kann“. Wir halten feſt an dem reinen und unzweideutigen Monismus von Spinoza: Die Materie, als die unendlich ausgedehnte Subſtanz, und der Geiſt (oder die Energie), als die empfindende oder denkende Subſtanz, ſind die beiden fundamentalen Attribute oder Grundeigenſchaften des allumfaſſenden göttlichen Weltweſens, der univerſalen Subſtanz. (Vergl. Kapitel 12.) *) Wilhelm Oſtwald, Die Ueberwindung des wiſſenſchaftlichen Materialismus. 1895.

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/39>, abgerufen am 23.11.2024.