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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Unsere monistische Religion. XVIII.
Altenburger Vortrage niedergelegt habe: "Der Monismus als
Band zwischen Religion und Wissenschaft". In dem Vorwort
zu diesem "Glaubensbekenntniß eines Naturforschers" habe ich
mich über dessen doppelten Zweck mit folgenden Worten ge-
äußert: "Erstens möchte ich damit derjenigen vernünftigen
Weltanschauung
Ausdruck geben, welche uns durch die
neueren Fortschritte der einheitlichen Naturerkenntniß mit logischer
Nothwendigkeit aufgedrungen wird; sie wohnt im Innersten von
fast allen unbefangenen und denkenden Naturforschern, wenn auch
nur Wenige den Muth oder das Bedürfniß haben, sie offen zu
bekennen. Zweitens möchte ich dadurch ein Band zwischen
Religion und Wissenschaft
knüpfen und somit zur Aus-
gleichung des Gegensatzes beitragen, welcher zwischen diesen
beiden Gebieten der höchsten menschlichen Geistesthätigkeit un-
nöthiger Weise aufrecht erhalten wird; das ethische Bedürfniß
unseres Gemüthes wird durch den Monismus ebenso be-
friedigt wie das logische Kausalitäts-Bedürfniß unseres Ver-
standes
."

Die starke Wirkung, welche dieser Altenburger Vortrag
hatte, beweist, daß ich mit diesem monistischen Glaubensbekenntniß
nicht nur dasjenige vieler Naturforscher, sondern auch zahlreicher
gebildeter Männer und Frauen aus verschiedenen Berufskreisen
ausgesprochen hatte. Nicht nur wurde ich durch Hunderte von
zustimmenden Briefen belohnt, sondern auch durch die weite Ver-
breitung des Vortrags, von welchem innerhalb sechs Monaten
sechs Auflagen erschienen. Ich darf diesen unerwarteten Erfolg
um so höher anschlagen, als jenes Glaubensbekenntniß ur-
sprünglich eine freie Gelegenheitsrede war, die unvorbereitet am
9. Oktober 1892 in Altenburg während des Jubiläums der
Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes entstand. Natürlich
erfolgte auch bald die nothwendige Gegenwirkung nach der
anderen Seite; ich wurde nicht nur von der ultramontanen

Unſere moniſtiſche Religion. XVIII.
Altenburger Vortrage niedergelegt habe: „Der Monismus als
Band zwiſchen Religion und Wiſſenſchaft“. In dem Vorwort
zu dieſem „Glaubensbekenntniß eines Naturforſchers“ habe ich
mich über deſſen doppelten Zweck mit folgenden Worten ge-
äußert: „Erſtens möchte ich damit derjenigen vernünftigen
Weltanſchauung
Ausdruck geben, welche uns durch die
neueren Fortſchritte der einheitlichen Naturerkenntniß mit logiſcher
Nothwendigkeit aufgedrungen wird; ſie wohnt im Innerſten von
faſt allen unbefangenen und denkenden Naturforſchern, wenn auch
nur Wenige den Muth oder das Bedürfniß haben, ſie offen zu
bekennen. Zweitens möchte ich dadurch ein Band zwiſchen
Religion und Wiſſenſchaft
knüpfen und ſomit zur Aus-
gleichung des Gegenſatzes beitragen, welcher zwiſchen dieſen
beiden Gebieten der höchſten menſchlichen Geiſtesthätigkeit un-
nöthiger Weiſe aufrecht erhalten wird; das ethiſche Bedürfniß
unſeres Gemüthes wird durch den Monismus ebenſo be-
friedigt wie das logiſche Kauſalitäts-Bedürfniß unſeres Ver-
ſtandes
.“

Die ſtarke Wirkung, welche dieſer Altenburger Vortrag
hatte, beweiſt, daß ich mit dieſem moniſtiſchen Glaubensbekenntniß
nicht nur dasjenige vieler Naturforſcher, ſondern auch zahlreicher
gebildeter Männer und Frauen aus verſchiedenen Berufskreiſen
ausgeſprochen hatte. Nicht nur wurde ich durch Hunderte von
zuſtimmenden Briefen belohnt, ſondern auch durch die weite Ver-
breitung des Vortrags, von welchem innerhalb ſechs Monaten
ſechs Auflagen erſchienen. Ich darf dieſen unerwarteten Erfolg
um ſo höher anſchlagen, als jenes Glaubensbekenntniß ur-
ſprünglich eine freie Gelegenheitsrede war, die unvorbereitet am
9. Oktober 1892 in Altenburg während des Jubiläums der
Naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes entſtand. Natürlich
erfolgte auch bald die nothwendige Gegenwirkung nach der
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[384/0400] Unſere moniſtiſche Religion. XVIII. Altenburger Vortrage niedergelegt habe: „Der Monismus als Band zwiſchen Religion und Wiſſenſchaft“. In dem Vorwort zu dieſem „Glaubensbekenntniß eines Naturforſchers“ habe ich mich über deſſen doppelten Zweck mit folgenden Worten ge- äußert: „Erſtens möchte ich damit derjenigen vernünftigen Weltanſchauung Ausdruck geben, welche uns durch die neueren Fortſchritte der einheitlichen Naturerkenntniß mit logiſcher Nothwendigkeit aufgedrungen wird; ſie wohnt im Innerſten von faſt allen unbefangenen und denkenden Naturforſchern, wenn auch nur Wenige den Muth oder das Bedürfniß haben, ſie offen zu bekennen. Zweitens möchte ich dadurch ein Band zwiſchen Religion und Wiſſenſchaft knüpfen und ſomit zur Aus- gleichung des Gegenſatzes beitragen, welcher zwiſchen dieſen beiden Gebieten der höchſten menſchlichen Geiſtesthätigkeit un- nöthiger Weiſe aufrecht erhalten wird; das ethiſche Bedürfniß unſeres Gemüthes wird durch den Monismus ebenſo be- friedigt wie das logiſche Kauſalitäts-Bedürfniß unſeres Ver- ſtandes.“ Die ſtarke Wirkung, welche dieſer Altenburger Vortrag hatte, beweiſt, daß ich mit dieſem moniſtiſchen Glaubensbekenntniß nicht nur dasjenige vieler Naturforſcher, ſondern auch zahlreicher gebildeter Männer und Frauen aus verſchiedenen Berufskreiſen ausgeſprochen hatte. Nicht nur wurde ich durch Hunderte von zuſtimmenden Briefen belohnt, ſondern auch durch die weite Ver- breitung des Vortrags, von welchem innerhalb ſechs Monaten ſechs Auflagen erſchienen. Ich darf dieſen unerwarteten Erfolg um ſo höher anſchlagen, als jenes Glaubensbekenntniß ur- ſprünglich eine freie Gelegenheitsrede war, die unvorbereitet am 9. Oktober 1892 in Altenburg während des Jubiläums der Naturforſchenden Geſellſchaft des Oſterlandes entſtand. Natürlich erfolgte auch bald die nothwendige Gegenwirkung nach der anderen Seite; ich wurde nicht nur von der ultramontanen

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/400>, abgerufen am 27.11.2024.