Hagedorn, Friedrich von: Sammlung Neuer Oden und Lieder. Bd. 2. Hamburg, 1744.Der Neuern Kunst und Witz verehren, Zumahl wann sie durch Muster lehren, Das will die Pflicht: Allein den grossen Geist der Alten Für unsrer Zeiten Antheil halten, Das will sie nicht. Der Welt das Wasser anzupreisen, Erlaubt man Aerzten oder Weisen, Das will die Pflicht: Allein des Vorrangs dich berauben, Du freudenvoller Saft der Trauben! Das will sie nicht. Die frommen Blicke nicht verschmähen, Wo wir nur Zucht und Unschuld sehen, Das will die Pflicht: Doch deren Vorzugs-Recht verkennen, Jn welchen Lust und Jugend brennen, Das will sie nicht. Die scharfen Mütter nicht belachen, Die schlaue Töchter stets bewachen, Das will die Pflicht: Allein der Töchter List verrathen, Die das thun was die Mütter thaten, Das will sie nicht. Den Alten, die uns bessern können, Mehr Zehenden an Jahren gönnen, Das will die Pflicht: Allein zu ihrem längern Leben Von unserm eine Stunde geben, Das will sie nicht. C 2
Der Neuern Kunſt und Witz verehren, Zumahl wann ſie durch Muſter lehren, Das will die Pflicht: Allein den groſſen Geiſt der Alten Fuͤr unſrer Zeiten Antheil halten, Das will ſie nicht. Der Welt das Waſſer anzupreiſen, Erlaubt man Aerzten oder Weiſen, Das will die Pflicht: Allein des Vorrangs dich berauben, Du freudenvoller Saft der Trauben! Das will ſie nicht. Die frommen Blicke nicht verſchmaͤhen, Wo wir nur Zucht und Unſchuld ſehen, Das will die Pflicht: Doch deren Vorzugs-Recht verkennen, Jn welchen Luſt und Jugend brennen, Das will ſie nicht. Die ſcharfen Muͤtter nicht belachen, Die ſchlaue Toͤchter ſtets bewachen, Das will die Pflicht: Allein der Toͤchter Liſt verrathen, Die das thun was die Muͤtter thaten, Das will ſie nicht. Den Alten, die uns beſſern koͤnnen, Mehr Zehenden an Jahren goͤnnen, Das will die Pflicht: Allein zu ihrem laͤngern Leben Von unſerm eine Stunde geben, Das will ſie nicht. C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0069" n="19"/> <lg n="4"> <l>Der Neuern Kunſt und Witz verehren,</l><lb/> <l>Zumahl wann ſie durch Muſter lehren,</l><lb/> <l>Das will die Pflicht:</l><lb/> <l>Allein den groſſen Geiſt der Alten</l><lb/> <l>Fuͤr unſrer Zeiten Antheil halten,</l><lb/> <l>Das will ſie nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Der Welt das Waſſer anzupreiſen,</l><lb/> <l>Erlaubt man Aerzten oder Weiſen,</l><lb/> <l>Das will die Pflicht:</l><lb/> <l>Allein des Vorrangs dich berauben,</l><lb/> <l>Du freudenvoller Saft der Trauben!</l><lb/> <l>Das will ſie nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die frommen Blicke nicht verſchmaͤhen,</l><lb/> <l>Wo wir nur Zucht und Unſchuld ſehen,</l><lb/> <l>Das will die Pflicht:</l><lb/> <l>Doch deren Vorzugs-Recht verkennen,</l><lb/> <l>Jn welchen Luſt und Jugend brennen,</l><lb/> <l>Das will ſie nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Die ſcharfen Muͤtter nicht belachen,</l><lb/> <l>Die ſchlaue Toͤchter ſtets bewachen,</l><lb/> <l>Das will die Pflicht:</l><lb/> <l>Allein der Toͤchter Liſt verrathen,</l><lb/> <l>Die das thun was die Muͤtter thaten,</l><lb/> <l>Das will ſie nicht.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Den Alten, die uns beſſern koͤnnen,</l><lb/> <l>Mehr Zehenden an Jahren goͤnnen,</l><lb/> <l>Das will die Pflicht:</l><lb/> <l>Allein zu ihrem laͤngern Leben</l><lb/> <l>Von unſerm eine Stunde geben,</l><lb/> <l>Das will ſie nicht.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0069]
Der Neuern Kunſt und Witz verehren,
Zumahl wann ſie durch Muſter lehren,
Das will die Pflicht:
Allein den groſſen Geiſt der Alten
Fuͤr unſrer Zeiten Antheil halten,
Das will ſie nicht.
Der Welt das Waſſer anzupreiſen,
Erlaubt man Aerzten oder Weiſen,
Das will die Pflicht:
Allein des Vorrangs dich berauben,
Du freudenvoller Saft der Trauben!
Das will ſie nicht.
Die frommen Blicke nicht verſchmaͤhen,
Wo wir nur Zucht und Unſchuld ſehen,
Das will die Pflicht:
Doch deren Vorzugs-Recht verkennen,
Jn welchen Luſt und Jugend brennen,
Das will ſie nicht.
Die ſcharfen Muͤtter nicht belachen,
Die ſchlaue Toͤchter ſtets bewachen,
Das will die Pflicht:
Allein der Toͤchter Liſt verrathen,
Die das thun was die Muͤtter thaten,
Das will ſie nicht.
Den Alten, die uns beſſern koͤnnen,
Mehr Zehenden an Jahren goͤnnen,
Das will die Pflicht:
Allein zu ihrem laͤngern Leben
Von unſerm eine Stunde geben,
Das will ſie nicht.
C 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |