Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

in dieser starren Maske. Der Blutstrom wurde schwächer. Ich preßte meine Lippen an die Wundränder und schlürfte das Blut ein, langsam, in großen Tropfen, wie schweren, kostbaren Wein, wie eine seltene Delicatesse. Es war köstlich.

Ein wohliger Rausch kam über mich.

Plötzlich ekelte mich. Das war geronnenes, klumpiges Zeug. Ohne Zweifel, jetzt war er todt.

Ich stand auf und sah mir in aller Seelenruhe das Zimmer an. Es war nur sehr einfach eingerichtet. Dann trat ich zu dem mit weißer Glasur übertünchten Waschtisch, that einige Körnchen Kalium hypermanganicum in ein geschliffenes Glas und spülte mir den Mund aus. Über dem Lavoir aus Milchglas lag eine kleine Pincette. Ich nahm dieselbe zwischen meine Finger, prüfte sie und trat vor die Leiche. Es interessierte mich, zu erfahren, wie tief ich geschnitten hatte. Ich fand auf dem porzellanenen Tintenzeug eine rostige Stricknadel. Mit derselben sondierte ich die Wunde und suchte dann mit der Pincette das eine Ende der Carotide zu fassen. Es gelang mir aber erst nach großer Mühe.

Mit meinen Zähnen versuchte ich nun ein Stück davon abzubeißen. Ich war es indessen nicht

in dieser starren Maske. Der Blutstrom wurde schwächer. Ich preßte meine Lippen an die Wundränder und schlürfte das Blut ein, langsam, in großen Tropfen, wie schweren, kostbaren Wein, wie eine seltene Delicatesse. Es war köstlich.

Ein wohliger Rausch kam über mich.

Plötzlich ekelte mich. Das war geronnenes, klumpiges Zeug. Ohne Zweifel, jetzt war er todt.

Ich stand auf und sah mir in aller Seelenruhe das Zimmer an. Es war nur sehr einfach eingerichtet. Dann trat ich zu dem mit weißer Glasur übertünchten Waschtisch, that einige Körnchen Kalium hypermanganicum in ein geschliffenes Glas und spülte mir den Mund aus. Über dem Lavoir aus Milchglas lag eine kleine Pincette. Ich nahm dieselbe zwischen meine Finger, prüfte sie und trat vor die Leiche. Es interessierte mich, zu erfahren, wie tief ich geschnitten hatte. Ich fand auf dem porzellanenen Tintenzeug eine rostige Stricknadel. Mit derselben sondierte ich die Wunde und suchte dann mit der Pincette das eine Ende der Carotide zu fassen. Es gelang mir aber erst nach großer Mühe.

Mit meinen Zähnen versuchte ich nun ein Stück davon abzubeißen. Ich war es indessen nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="123"/>
in dieser starren Maske. Der Blutstrom wurde schwächer. Ich preßte meine Lippen an die Wundränder und schlürfte das Blut ein, langsam, in großen Tropfen, wie schweren, kostbaren Wein, wie eine seltene Delicatesse. Es war köstlich.</p>
          <p>Ein wohliger Rausch kam über mich.</p>
          <p>Plötzlich ekelte mich. Das war geronnenes, klumpiges Zeug. Ohne Zweifel, jetzt war er todt.</p>
          <p>Ich stand auf und sah mir in aller Seelenruhe das Zimmer an. Es war nur sehr einfach eingerichtet. Dann trat ich zu dem mit weißer Glasur übertünchten Waschtisch, that einige Körnchen <hi rendition="#aq">Kalium hypermanganicum</hi> in ein geschliffenes Glas und spülte mir den Mund aus. Über dem Lavoir aus Milchglas lag eine kleine Pincette. Ich nahm dieselbe zwischen meine Finger, prüfte sie und trat vor die Leiche. Es interessierte mich, zu erfahren, wie tief ich geschnitten hatte. Ich fand auf dem porzellanenen Tintenzeug eine rostige Stricknadel. Mit derselben sondierte ich die Wunde und suchte dann mit der Pincette das eine Ende der Carotide zu fassen. Es gelang mir aber erst nach großer Mühe.</p>
          <p>Mit meinen Zähnen versuchte ich nun ein Stück davon abzubeißen. Ich war es indessen nicht
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0121] in dieser starren Maske. Der Blutstrom wurde schwächer. Ich preßte meine Lippen an die Wundränder und schlürfte das Blut ein, langsam, in großen Tropfen, wie schweren, kostbaren Wein, wie eine seltene Delicatesse. Es war köstlich. Ein wohliger Rausch kam über mich. Plötzlich ekelte mich. Das war geronnenes, klumpiges Zeug. Ohne Zweifel, jetzt war er todt. Ich stand auf und sah mir in aller Seelenruhe das Zimmer an. Es war nur sehr einfach eingerichtet. Dann trat ich zu dem mit weißer Glasur übertünchten Waschtisch, that einige Körnchen Kalium hypermanganicum in ein geschliffenes Glas und spülte mir den Mund aus. Über dem Lavoir aus Milchglas lag eine kleine Pincette. Ich nahm dieselbe zwischen meine Finger, prüfte sie und trat vor die Leiche. Es interessierte mich, zu erfahren, wie tief ich geschnitten hatte. Ich fand auf dem porzellanenen Tintenzeug eine rostige Stricknadel. Mit derselben sondierte ich die Wunde und suchte dann mit der Pincette das eine Ende der Carotide zu fassen. Es gelang mir aber erst nach großer Mühe. Mit meinen Zähnen versuchte ich nun ein Stück davon abzubeißen. Ich war es indessen nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/121
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/121>, abgerufen am 21.11.2024.