Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Licht der elektrischen Lampen in den unzähligen Schaufenstern. Glanz und Reflexe. Glanz und Reflexe und Schneeflocken.

In meinem Innern hatte ich ein eigenthümliches Gefühl, wie ich so dahinschritt. Wie eine offene, sehrende Wunde. Es that mir etwas weh. Eine Bemerkung, welche Ernst gestern gemacht hatte, gewiß nur ein harmloser Scherz, aber ich ward ihm gegenüber nachgerade von einer krankhaften, knabenartigen Empfindlichkeit.

Ich bog in eine verlassene Seitengasse ein. Hier war es ganz öde und dunkel. Wenige Schritte, und ich befand mich vor dem Hause, welches Ernst bewohnte. Ein hoher, kahler, schmuckloser Neubau mit elegantem Interieur - breite, teppichbelegte Treppen, blankgeputzte, messingene Treppengeländer. Der Flur war hell erleuchtet. Ich stieg langsam die Stufen empor. Mich fröstelte.

Eine, in einem mit Zobel verbrämten, blauen Sammetmantel gehüllte Dame, der ich Platz machte, indem ich mich bescheiden an die Wand drückte, streifte mit freundlichem Nicken an mir vorüber. Ich dachte unwillkürlich an jene Enterbten, die heute hungernd und frierend unter irgend einem Brückenpfeiler kauern müssen und fieberglänzende,

Licht der elektrischen Lampen in den unzähligen Schaufenstern. Glanz und Reflexe. Glanz und Reflexe und Schneeflocken.

In meinem Innern hatte ich ein eigenthümliches Gefühl, wie ich so dahinschritt. Wie eine offene, sehrende Wunde. Es that mir etwas weh. Eine Bemerkung, welche Ernst gestern gemacht hatte, gewiß nur ein harmloser Scherz, aber ich ward ihm gegenüber nachgerade von einer krankhaften, knabenartigen Empfindlichkeit.

Ich bog in eine verlassene Seitengasse ein. Hier war es ganz öde und dunkel. Wenige Schritte, und ich befand mich vor dem Hause, welches Ernst bewohnte. Ein hoher, kahler, schmuckloser Neubau mit elegantem Intérieur – breite, teppichbelegte Treppen, blankgeputzte, messingene Treppengeländer. Der Flur war hell erleuchtet. Ich stieg langsam die Stufen empor. Mich fröstelte.

Eine, in einem mit Zobel verbrämten, blauen Sammetmantel gehüllte Dame, der ich Platz machte, indem ich mich bescheiden an die Wand drückte, streifte mit freundlichem Nicken an mir vorüber. Ich dachte unwillkürlich an jene Enterbten, die heute hungernd und frierend unter irgend einem Brückenpfeiler kauern müssen und fieberglänzende,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="49"/>
Licht der elektrischen Lampen in den unzähligen Schaufenstern. Glanz und Reflexe. Glanz und Reflexe und Schneeflocken.</p>
          <p>In meinem Innern hatte ich ein eigenthümliches Gefühl, wie ich so dahinschritt. Wie eine offene, sehrende Wunde. Es that mir etwas weh. Eine Bemerkung, welche Ernst gestern gemacht hatte, gewiß nur ein harmloser Scherz, aber ich ward ihm gegenüber nachgerade von einer krankhaften, knabenartigen Empfindlichkeit.</p>
          <p>Ich bog in eine verlassene Seitengasse ein. Hier war es ganz öde und dunkel. Wenige Schritte, und ich befand mich vor dem Hause, welches Ernst bewohnte. Ein hoher, kahler, schmuckloser Neubau mit elegantem Intérieur &#x2013; breite, teppichbelegte Treppen, blankgeputzte, messingene Treppengeländer. Der Flur war hell erleuchtet. Ich stieg langsam die Stufen empor. Mich fröstelte.</p>
          <p>Eine, in einem mit Zobel verbrämten, blauen Sammetmantel gehüllte Dame, der ich Platz machte, indem ich mich bescheiden an die Wand drückte, streifte mit freundlichem Nicken an mir vorüber. Ich dachte unwillkürlich an jene Enterbten, die heute hungernd und frierend unter irgend einem Brückenpfeiler kauern müssen und fieberglänzende,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0047] Licht der elektrischen Lampen in den unzähligen Schaufenstern. Glanz und Reflexe. Glanz und Reflexe und Schneeflocken. In meinem Innern hatte ich ein eigenthümliches Gefühl, wie ich so dahinschritt. Wie eine offene, sehrende Wunde. Es that mir etwas weh. Eine Bemerkung, welche Ernst gestern gemacht hatte, gewiß nur ein harmloser Scherz, aber ich ward ihm gegenüber nachgerade von einer krankhaften, knabenartigen Empfindlichkeit. Ich bog in eine verlassene Seitengasse ein. Hier war es ganz öde und dunkel. Wenige Schritte, und ich befand mich vor dem Hause, welches Ernst bewohnte. Ein hoher, kahler, schmuckloser Neubau mit elegantem Intérieur – breite, teppichbelegte Treppen, blankgeputzte, messingene Treppengeländer. Der Flur war hell erleuchtet. Ich stieg langsam die Stufen empor. Mich fröstelte. Eine, in einem mit Zobel verbrämten, blauen Sammetmantel gehüllte Dame, der ich Platz machte, indem ich mich bescheiden an die Wand drückte, streifte mit freundlichem Nicken an mir vorüber. Ich dachte unwillkürlich an jene Enterbten, die heute hungernd und frierend unter irgend einem Brückenpfeiler kauern müssen und fieberglänzende,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/47
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/47>, abgerufen am 21.11.2024.