Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

begehrliche Raubthierblicke auf die langen, lichtererstrahlenden Fensterscheiben werfend, plötzlich, von einem wilden, ihnen unerklärlichen Rachegefühl erfaßt, den Nächstbesten niederschlagen, damit wenigstens einer büße. Wenn auch ein Unschuldiger, aber büßen soll er für ihr ebenfalls unverschuldetes Elend. Wenn sich ein solcher "Mordgeselle" ohne die geringste Reue, aber im vollsten Bewußtsein dessen, was er gethan, etwa so vertheidigen würde:

"Ihr seid verpflichtet, mich zu verurtheilen, verpflichtet, weil ich euch und euere ehrenwerte Sippe, diese vollgefressene Sippe, in Schrecken gesetzt habe. Es wäre ja auch wider alles Recht, wider alles Gesetz, wider alle Sitte, wenn ich straflos meine schwache Kraft an der übermächtigen Gesellschaft, die uns alle aussaugt bis aufs Mark, erproben wollte. Schleift mich zum Galgen, reißt mich auf die Guillotine, aber versucht es nur, mir mit all den Qualen, die ihr ersinnen möget, nur einen Schrei des Schmerzes, mit den hohltönenden, wohlgedrechselten Phrasen nur ein Wort der Reue zu entlocken! " - . . . . . . . . bei meinem Ich, den spräche ich frei.

Die Gesellschaft von heute und gestern hat den Muth, einen zu verurtheilen wegen dieses und jenes

begehrliche Raubthierblicke auf die langen, lichtererstrahlenden Fensterscheiben werfend, plötzlich, von einem wilden, ihnen unerklärlichen Rachegefühl erfaßt, den Nächstbesten niederschlagen, damit wenigstens einer büße. Wenn auch ein Unschuldiger, aber büßen soll er für ihr ebenfalls unverschuldetes Elend. Wenn sich ein solcher „Mordgeselle“ ohne die geringste Reue, aber im vollsten Bewußtsein dessen, was er gethan, etwa so vertheidigen würde:

„Ihr seid verpflichtet, mich zu verurtheilen, verpflichtet, weil ich euch und euere ehrenwerte Sippe, diese vollgefressene Sippe, in Schrecken gesetzt habe. Es wäre ja auch wider alles Recht, wider alles Gesetz, wider alle Sitte, wenn ich straflos meine schwache Kraft an der übermächtigen Gesellschaft, die uns alle aussaugt bis aufs Mark, erproben wollte. Schleift mich zum Galgen, reißt mich auf die Guillotine, aber versucht es nur, mir mit all den Qualen, die ihr ersinnen möget, nur einen Schrei des Schmerzes, mit den hohltönenden, wohlgedrechselten Phrasen nur ein Wort der Reue zu entlocken! “ – . . . . . . . . bei meinem Ich, den spräche ich frei.

Die Gesellschaft von heute und gestern hat den Muth, einen zu verurtheilen wegen dieses und jenes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="50"/>
begehrliche Raubthierblicke auf die langen, lichtererstrahlenden Fensterscheiben werfend, plötzlich, von einem wilden, ihnen unerklärlichen Rachegefühl erfaßt, den Nächstbesten niederschlagen, damit wenigstens einer büße. Wenn auch ein Unschuldiger, aber büßen soll er für ihr ebenfalls unverschuldetes Elend. Wenn sich ein solcher &#x201E;Mordgeselle&#x201C; ohne die geringste Reue, aber im vollsten Bewußtsein dessen, was er gethan, etwa so vertheidigen würde:</p>
          <p>&#x201E;Ihr seid verpflichtet, mich zu verurtheilen, verpflichtet, weil ich euch und euere ehrenwerte Sippe, diese vollgefressene Sippe, in Schrecken gesetzt habe. Es wäre ja auch wider alles Recht, wider alles Gesetz, wider alle Sitte, wenn ich straflos meine schwache Kraft an der übermächtigen Gesellschaft, die uns alle aussaugt bis aufs Mark, erproben wollte. Schleift mich zum Galgen, reißt mich auf die Guillotine, aber versucht es nur, mir mit all den Qualen, die ihr ersinnen möget, nur einen Schrei des Schmerzes, mit den hohltönenden, wohlgedrechselten Phrasen nur ein Wort der Reue zu entlocken! &#x201C; &#x2013; . . . . . . . . bei meinem Ich, den spräche ich frei.</p>
          <p>Die Gesellschaft von heute und gestern hat den Muth, einen zu verurtheilen wegen dieses und jenes
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0048] begehrliche Raubthierblicke auf die langen, lichtererstrahlenden Fensterscheiben werfend, plötzlich, von einem wilden, ihnen unerklärlichen Rachegefühl erfaßt, den Nächstbesten niederschlagen, damit wenigstens einer büße. Wenn auch ein Unschuldiger, aber büßen soll er für ihr ebenfalls unverschuldetes Elend. Wenn sich ein solcher „Mordgeselle“ ohne die geringste Reue, aber im vollsten Bewußtsein dessen, was er gethan, etwa so vertheidigen würde: „Ihr seid verpflichtet, mich zu verurtheilen, verpflichtet, weil ich euch und euere ehrenwerte Sippe, diese vollgefressene Sippe, in Schrecken gesetzt habe. Es wäre ja auch wider alles Recht, wider alles Gesetz, wider alle Sitte, wenn ich straflos meine schwache Kraft an der übermächtigen Gesellschaft, die uns alle aussaugt bis aufs Mark, erproben wollte. Schleift mich zum Galgen, reißt mich auf die Guillotine, aber versucht es nur, mir mit all den Qualen, die ihr ersinnen möget, nur einen Schrei des Schmerzes, mit den hohltönenden, wohlgedrechselten Phrasen nur ein Wort der Reue zu entlocken! “ – . . . . . . . . bei meinem Ich, den spräche ich frei. Die Gesellschaft von heute und gestern hat den Muth, einen zu verurtheilen wegen dieses und jenes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/48
Zitationshilfe: Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/48>, abgerufen am 21.11.2024.