Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn es schon jetzt zwischen ihnen, da sie von dem Glück ihrer Liebe gehoben und getragen sind, der Verstellung und des Verleugnens bedarf, wie wollen sie dann mit Vertrauen zu einander aufschauen, wenn sie erst, ganz verbunden, den Kampf mit dem Leben gemeinsam aufnehmen sollen.

Ebenso wahr aber, wie gegen die Braut ist es Pflicht des Bräutigams gegen deren Eltern zu sein. Auch hier würde eine Täuschung erst recht ein moralisches Verbrechen bedeuten, und die Vorwürfe, die ihm dereinst die "Schwiegereltern" machen würden, wären nur zu berechtigt. Wohl sagt der Volksmund, daß man ja Eltern und Geschwister nicht mit heirate, aber wenn man stets bedächte, wie viel größere und ältere Anrechte Eltern an ihr Kind haben, als ein Bräutigam, ein Gatte, der sie ihnen wegnimmt, so würde wohl manches unangenehme Verhältnis, bei dem das ominöse Wort "Schwieger" vorkommt, nicht bestehen. Anderseits ist es aber auch Pflicht jeder Braut, jedes Bräutigams, sich vorher zu überlegen, was sie aufgeben und aufgeben müssen, wenn sie einander heiraten wollen. Denn der Gattin, dem Gatten zu gehören und zugleich doch die Eltern, die Schwester nicht zu

wenn es schon jetzt zwischen ihnen, da sie von dem Glück ihrer Liebe gehoben und getragen sind, der Verstellung und des Verleugnens bedarf, wie wollen sie dann mit Vertrauen zu einander aufschauen, wenn sie erst, ganz verbunden, den Kampf mit dem Leben gemeinsam aufnehmen sollen.

Ebenso wahr aber, wie gegen die Braut ist es Pflicht des Bräutigams gegen deren Eltern zu sein. Auch hier würde eine Täuschung erst recht ein moralisches Verbrechen bedeuten, und die Vorwürfe, die ihm dereinst die „Schwiegereltern“ machen würden, wären nur zu berechtigt. Wohl sagt der Volksmund, daß man ja Eltern und Geschwister nicht mit heirate, aber wenn man stets bedächte, wie viel größere und ältere Anrechte Eltern an ihr Kind haben, als ein Bräutigam, ein Gatte, der sie ihnen wegnimmt, so würde wohl manches unangenehme Verhältnis, bei dem das ominöse Wort „Schwieger“ vorkommt, nicht bestehen. Anderseits ist es aber auch Pflicht jeder Braut, jedes Bräutigams, sich vorher zu überlegen, was sie aufgeben und aufgeben müssen, wenn sie einander heiraten wollen. Denn der Gattin, dem Gatten zu gehören und zugleich doch die Eltern, die Schwester nicht zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="131"/>
wenn es schon jetzt zwischen ihnen, da sie von dem Glück ihrer Liebe gehoben und getragen sind, der Verstellung und des Verleugnens bedarf, wie wollen sie dann mit Vertrauen zu einander aufschauen, wenn sie erst, ganz verbunden, den Kampf mit dem Leben gemeinsam aufnehmen sollen.</p>
        <p>Ebenso wahr aber, wie gegen die Braut ist es <hi rendition="#g">Pflicht des Bräutigams gegen deren Eltern</hi> zu sein. Auch hier würde eine Täuschung erst recht ein moralisches Verbrechen bedeuten, und die Vorwürfe, die ihm dereinst die &#x201E;Schwiegereltern&#x201C; machen würden, wären nur zu berechtigt. Wohl sagt der Volksmund, daß man ja Eltern und Geschwister nicht mit heirate, aber wenn man stets bedächte, wie viel größere und ältere Anrechte Eltern an ihr Kind haben, als ein Bräutigam, ein Gatte, der sie ihnen wegnimmt, so würde wohl manches unangenehme Verhältnis, bei dem das ominöse Wort &#x201E;Schwieger&#x201C; vorkommt, nicht bestehen. Anderseits ist es aber auch Pflicht jeder Braut, jedes Bräutigams, sich <hi rendition="#g">vorher</hi> zu überlegen, was sie aufgeben und aufgeben müssen, wenn sie einander heiraten wollen. Denn der Gattin, dem Gatten zu gehören und zugleich doch die Eltern, die Schwester nicht zu
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0141] wenn es schon jetzt zwischen ihnen, da sie von dem Glück ihrer Liebe gehoben und getragen sind, der Verstellung und des Verleugnens bedarf, wie wollen sie dann mit Vertrauen zu einander aufschauen, wenn sie erst, ganz verbunden, den Kampf mit dem Leben gemeinsam aufnehmen sollen. Ebenso wahr aber, wie gegen die Braut ist es Pflicht des Bräutigams gegen deren Eltern zu sein. Auch hier würde eine Täuschung erst recht ein moralisches Verbrechen bedeuten, und die Vorwürfe, die ihm dereinst die „Schwiegereltern“ machen würden, wären nur zu berechtigt. Wohl sagt der Volksmund, daß man ja Eltern und Geschwister nicht mit heirate, aber wenn man stets bedächte, wie viel größere und ältere Anrechte Eltern an ihr Kind haben, als ein Bräutigam, ein Gatte, der sie ihnen wegnimmt, so würde wohl manches unangenehme Verhältnis, bei dem das ominöse Wort „Schwieger“ vorkommt, nicht bestehen. Anderseits ist es aber auch Pflicht jeder Braut, jedes Bräutigams, sich vorher zu überlegen, was sie aufgeben und aufgeben müssen, wenn sie einander heiraten wollen. Denn der Gattin, dem Gatten zu gehören und zugleich doch die Eltern, die Schwester nicht zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-19T14:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-19T14:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/141
Zitationshilfe: Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/141>, abgerufen am 04.12.2024.