Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.verschrobensten Richtung, bekennt, der liebt es, dieselbe nicht nur durch sich selbst zu vertreten, sondern wünscht auch für sie Propaganda zu machen; und damit soll man sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man einstweilen weder durch sein Alter noch durch seine Stellung berechtigt ist, vom andern zu verlangen, daß er einen für fertig und eines eignen Urteils fähig hält. Der gebildete Mensch sollte möglichst vermeiden, Dialekt zu sprechen. Wenn sich auch nur die allerwenigsten Personen eine ganz reine, dialektlose Aussprache aneignen können, so sollte man doch als gebildeter Mensch anderseits auch nichts darin suchen, wie es allerdings viele thun, erst recht, gewissermaßen aus unwillkürlicher Opposition, die heimatliche Sprechweise zu gebrauchen, besonders wenn deren Ausdrücke vom "Gebildeten Gesellschafts-Deutsch" allzuviel abweichen. Wer sich im Feuer der Unterhaltung einmal gehen läßt, dem wird das niemand übel nehmen, vor allem wenn er einen Dialekt spricht, den andre gern hören. So ist die sächsische Sprechweise z. B. in Süddeutschland, die süddeutsche in Norddeutschland sehr beliebt. Andre Dialekte, wie z. B. der darmstädtische, wirken oft ein wenig lächerlich. Immerhin aber ist es besser, wenn man nicht anders kann, verschrobensten Richtung, bekennt, der liebt es, dieselbe nicht nur durch sich selbst zu vertreten, sondern wünscht auch für sie Propaganda zu machen; und damit soll man sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man einstweilen weder durch sein Alter noch durch seine Stellung berechtigt ist, vom andern zu verlangen, daß er einen für fertig und eines eignen Urteils fähig hält. Der gebildete Mensch sollte möglichst vermeiden, Dialekt zu sprechen. Wenn sich auch nur die allerwenigsten Personen eine ganz reine, dialektlose Aussprache aneignen können, so sollte man doch als gebildeter Mensch anderseits auch nichts darin suchen, wie es allerdings viele thun, erst recht, gewissermaßen aus unwillkürlicher Opposition, die heimatliche Sprechweise zu gebrauchen, besonders wenn deren Ausdrücke vom „Gebildeten Gesellschafts-Deutsch“ allzuviel abweichen. Wer sich im Feuer der Unterhaltung einmal gehen läßt, dem wird das niemand übel nehmen, vor allem wenn er einen Dialekt spricht, den andre gern hören. So ist die sächsische Sprechweise z. B. in Süddeutschland, die süddeutsche in Norddeutschland sehr beliebt. Andre Dialekte, wie z. B. der darmstädtische, wirken oft ein wenig lächerlich. Immerhin aber ist es besser, wenn man nicht anders kann, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="196"/> verschrobensten Richtung, bekennt, der liebt es, dieselbe nicht nur durch sich selbst zu vertreten, sondern wünscht auch für sie Propaganda zu machen; und damit soll man sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man einstweilen weder durch sein Alter noch durch seine Stellung berechtigt ist, vom andern zu verlangen, daß er einen für fertig und eines eignen Urteils fähig hält.</p> <p>Der gebildete Mensch sollte möglichst vermeiden, <hi rendition="#g">Dialekt</hi> zu sprechen. Wenn sich auch nur die allerwenigsten Personen eine ganz reine, dialektlose Aussprache aneignen können, so sollte man doch als gebildeter Mensch anderseits auch nichts darin suchen, wie es allerdings viele thun, erst recht, gewissermaßen aus unwillkürlicher Opposition, die heimatliche Sprechweise zu gebrauchen, besonders wenn deren Ausdrücke vom „Gebildeten Gesellschafts-Deutsch“ allzuviel abweichen. Wer sich im Feuer der Unterhaltung einmal gehen läßt, dem wird das niemand übel nehmen, vor allem wenn er einen Dialekt spricht, den andre gern hören. So ist die sächsische Sprechweise z. B. in Süddeutschland, die süddeutsche in Norddeutschland sehr beliebt. Andre Dialekte, wie z. B. der darmstädtische, wirken oft ein wenig lächerlich. Immerhin aber ist es besser, wenn man nicht anders kann, </p> </div> </body> </text> </TEI> [196/0206]
verschrobensten Richtung, bekennt, der liebt es, dieselbe nicht nur durch sich selbst zu vertreten, sondern wünscht auch für sie Propaganda zu machen; und damit soll man sehr vorsichtig sein, vor allem, wenn man einstweilen weder durch sein Alter noch durch seine Stellung berechtigt ist, vom andern zu verlangen, daß er einen für fertig und eines eignen Urteils fähig hält.
Der gebildete Mensch sollte möglichst vermeiden, Dialekt zu sprechen. Wenn sich auch nur die allerwenigsten Personen eine ganz reine, dialektlose Aussprache aneignen können, so sollte man doch als gebildeter Mensch anderseits auch nichts darin suchen, wie es allerdings viele thun, erst recht, gewissermaßen aus unwillkürlicher Opposition, die heimatliche Sprechweise zu gebrauchen, besonders wenn deren Ausdrücke vom „Gebildeten Gesellschafts-Deutsch“ allzuviel abweichen. Wer sich im Feuer der Unterhaltung einmal gehen läßt, dem wird das niemand übel nehmen, vor allem wenn er einen Dialekt spricht, den andre gern hören. So ist die sächsische Sprechweise z. B. in Süddeutschland, die süddeutsche in Norddeutschland sehr beliebt. Andre Dialekte, wie z. B. der darmstädtische, wirken oft ein wenig lächerlich. Immerhin aber ist es besser, wenn man nicht anders kann,
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