[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 1. Riga u. a., 1767.Vorrede. quellen größerer Begebenheiten, oder aufandere Art, von derselben unzertrennlich würden. Dieser hingegen, der Monarch, hat keine andre Geschichte, als diejenige seines Staats. Der Staat ist eine todte Masse, die der Monarch erst belebet; ei- ne stillstehende Maschine, die der Monarch erst aufzieht, richtet, und ihr ganzes Trieb- werk in Wirksamkeit setzet, die nicht eher wirkt, als auf sein Geheis, und nicht an- ders wirkt, als nach seinem Winke. Der Monarch lebt für den Staat, und der Staat lebet durch ihn. Jede Verände- rung, die im Staate vorgeht, jede Anwen- dung einer einzelnen Kraft, die er in sich heget, jede Art, wie er solche anwendet, ja sogar jede Versäumung in der Anwen- dung dieser Kräfte, kömmt auf Rechnung des Beherrschers zu stehen, und ist eine obgleich oft sehr mittelbare Folge seiner Einsichten, seiner Neigungen, seiner Ent- schlüsse, und seiner Handlungen. - - Ich rede von einem Monarchen, der selbst und nicht blos durch Minister regiert; von einem Monarchen, der selbst prüfet oder wohl gar selbst entwirft, wenigstens selbst wählet und selbst befielt; von einem unumschränkten Monarchen, der Gesetze macht und ändert, und nicht blos vollzie- het,
Vorrede. quellen groͤßerer Begebenheiten, oder aufandere Art, von derſelben unzertrennlich wuͤrden. Dieſer hingegen, der Monarch, hat keine andre Geſchichte, als diejenige ſeines Staats. Der Staat iſt eine todte Maſſe, die der Monarch erſt belebet; ei- ne ſtillſtehende Maſchine, die der Monarch erſt aufzieht, richtet, und ihr ganzes Trieb- werk in Wirkſamkeit ſetzet, die nicht eher wirkt, als auf ſein Geheis, und nicht an- ders wirkt, als nach ſeinem Winke. Der Monarch lebt fuͤr den Staat, und der Staat lebet durch ihn. Jede Veraͤnde- rung, die im Staate vorgeht, jede Anwen- dung einer einzelnen Kraft, die er in ſich heget, jede Art, wie er ſolche anwendet, ja ſogar jede Verſaͤumung in der Anwen- dung dieſer Kraͤfte, koͤmmt auf Rechnung des Beherrſchers zu ſtehen, und iſt eine obgleich oft ſehr mittelbare Folge ſeiner Einſichten, ſeiner Neigungen, ſeiner Ent- ſchluͤſſe, und ſeiner Handlungen. ‒ ‒ Ich rede von einem Monarchen, der ſelbſt und nicht blos durch Miniſter regiert; von einem Monarchen, der ſelbſt pruͤfet oder wohl gar ſelbſt entwirft, wenigſtens ſelbſt waͤhlet und ſelbſt befielt; von einem unumſchraͤnkten Monarchen, der Geſetze macht und aͤndert, und nicht blos vollzie- het,
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Vorrede.
quellen groͤßerer Begebenheiten, oder auf
andere Art, von derſelben unzertrennlich
wuͤrden. Dieſer hingegen, der Monarch,
hat keine andre Geſchichte, als diejenige
ſeines Staats. Der Staat iſt eine todte
Maſſe, die der Monarch erſt belebet; ei-
ne ſtillſtehende Maſchine, die der Monarch
erſt aufzieht, richtet, und ihr ganzes Trieb-
werk in Wirkſamkeit ſetzet, die nicht eher
wirkt, als auf ſein Geheis, und nicht an-
ders wirkt, als nach ſeinem Winke. Der
Monarch lebt fuͤr den Staat, und der
Staat lebet durch ihn. Jede Veraͤnde-
rung, die im Staate vorgeht, jede Anwen-
dung einer einzelnen Kraft, die er in ſich
heget, jede Art, wie er ſolche anwendet,
ja ſogar jede Verſaͤumung in der Anwen-
dung dieſer Kraͤfte, koͤmmt auf Rechnung
des Beherrſchers zu ſtehen, und iſt eine
obgleich oft ſehr mittelbare Folge ſeiner
Einſichten, ſeiner Neigungen, ſeiner Ent-
ſchluͤſſe, und ſeiner Handlungen. ‒ ‒ Ich
rede von einem Monarchen, der ſelbſt
und nicht blos durch Miniſter regiert;
von einem Monarchen, der ſelbſt pruͤfet
oder wohl gar ſelbſt entwirft, wenigſtens
ſelbſt waͤhlet und ſelbſt befielt; von einem
unumſchraͤnkten Monarchen, der Geſetze
macht und aͤndert, und nicht blos vollzie-
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