[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.V. Gegen die Bestechungen treuen Untertanen hegten. Gewissenhafte undehrliebende Leute, deren in Unserm Reiche die Menge sind, werden dieses Unser Misvergnü- gen, das Wir aus mütterlichem Mitleide äus- sern, ohne Errötung hören und lesen können. Allein diejenigen, die sich dieser Bosheit teil- haftig gemacht, werden hiebei notwendig Ge- wissensbisse fühlen; besonders wenn sie nur auf die Art, wie Gott Uns geführet hat, und auf Unsere vor Gott gerechte Absicht sehen, die Uns auf den Thron erhoben. Nicht die Begierde, den erhabenen Namen einer Be- herrscherin von Rußland zu führen; nicht das Verlangen nach Schätzen, durch die Wir Uns mer als alle andre Sterbliche bereichern könn- ten; nicht die Herrschsucht, oder die Rücksicht auf irgend einen andern Vorteil, sondern eine ware Liebe zum Vaterlande, und das von Uns bemerkte Verlangen der ganzen Nation, hat Uns bewogen, die Regierungslast zu überne- men. Dieserwegen haben Wir nicht nur al- les, was Wir haben oder haben können, son- dern auch Unser Leben selbst, dem geliebten Vaterlande geweihet: Wir achten nichts für Un-
V. Gegen die Beſtechungen treuen Untertanen hegten. Gewiſſenhafte undehrliebende Leute, deren in Unſerm Reiche die Menge ſind, werden dieſes Unſer Misvergnuͤ- gen, das Wir aus muͤtterlichem Mitleide aͤuſ- ſern, ohne Erroͤtung hoͤren und leſen koͤnnen. Allein diejenigen, die ſich dieſer Bosheit teil- haftig gemacht, werden hiebei notwendig Ge- wiſſensbiſſe fuͤhlen; beſonders wenn ſie nur auf die Art, wie Gott Uns gefuͤhret hat, und auf Unſere vor Gott gerechte Abſicht ſehen, die Uns auf den Thron erhoben. Nicht die Begierde, den erhabenen Namen einer Be- herrſcherin von Rußland zu fuͤhren; nicht das Verlangen nach Schaͤtzen, durch die Wir Uns mer als alle andre Sterbliche bereichern koͤnn- ten; nicht die Herrſchſucht, oder die Ruͤckſicht auf irgend einen andern Vorteil, ſondern eine ware Liebe zum Vaterlande, und das von Uns bemerkte Verlangen der ganzen Nation, hat Uns bewogen, die Regierungslaſt zu uͤberne- men. Dieſerwegen haben Wir nicht nur al- les, was Wir haben oder haben koͤnnen, ſon- dern auch Unſer Leben ſelbſt, dem geliebten Vaterlande geweihet: Wir achten nichts fuͤr Un-
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V. Gegen die Beſtechungen
treuen Untertanen hegten. Gewiſſenhafte und
ehrliebende Leute, deren in Unſerm Reiche die
Menge ſind, werden dieſes Unſer Misvergnuͤ-
gen, das Wir aus muͤtterlichem Mitleide aͤuſ-
ſern, ohne Erroͤtung hoͤren und leſen koͤnnen.
Allein diejenigen, die ſich dieſer Bosheit teil-
haftig gemacht, werden hiebei notwendig Ge-
wiſſensbiſſe fuͤhlen; beſonders wenn ſie nur
auf die Art, wie Gott Uns gefuͤhret hat, und
auf Unſere vor Gott gerechte Abſicht ſehen,
die Uns auf den Thron erhoben. Nicht die
Begierde, den erhabenen Namen einer Be-
herrſcherin von Rußland zu fuͤhren; nicht das
Verlangen nach Schaͤtzen, durch die Wir Uns
mer als alle andre Sterbliche bereichern koͤnn-
ten; nicht die Herrſchſucht, oder die Ruͤckſicht
auf irgend einen andern Vorteil, ſondern eine
ware Liebe zum Vaterlande, und das von Uns
bemerkte Verlangen der ganzen Nation, hat
Uns bewogen, die Regierungslaſt zu uͤberne-
men. Dieſerwegen haben Wir nicht nur al-
les, was Wir haben oder haben koͤnnen, ſon-
dern auch Unſer Leben ſelbſt, dem geliebten
Vaterlande geweihet: Wir achten nichts fuͤr
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