haben gesehen, wie heftig Wir bei diesem An- blicke von Mitleid und Gefühle der Menschheit durchdrungen worden: alle haben zuletzt auch dieses erkannt, daß Uns, diesem unglücklich Gebohrnen und noch unglücklicher Aufge- wachsenen, keine andre Hülfe zu erweisen übrig blieb, als ihn in derselben Wonung, wo wir ihn eingeschlossen gefunden hatten, zu lassen, und ihm alles mögliche menschliche Vergnügen zu verschaffen.
Wirklich erteilten Wir auch sogleich Unsre Befele darüber, obgleich hiebei seine Sinne nicht einmal einen besseren Zustand in Ver- gleich gegen den vorhergegangenen mehr fo- derten. Denn er kannte weder jemanden, noch hatte er Ueberlegungskraft genug, das Gute von dem Bösen zu unterscheiden; so wie er auch nicht vermögend war, sich die Zeit durch Bücherlesen zu vertreiben, sondern seine einzige Glückseligkeit darein setzte, sich an denen Gedanken zu ergötzen, die der Mangel mensch- lichen Nachdenkens in ihm hervorbrachte.
Damit indessen kein verwegener Bösewicht sich etwa möchte gelüsten lassen, ihn aus irgend einer Absicht zu beunruhigen, oder sich seiner Person zu Erregung einiger Unruhen unter dem Volke zu bedienen: so hatten Wir befo- len, ihm eine zuverläßige Wache, nebst zwei
red-
Neuv. Rußl.II.Th. Q
des Mirowitſch.
haben geſehen, wie heftig Wir bei dieſem An- blicke von Mitleid und Gefuͤhle der Menſchheit durchdrungen worden: alle haben zuletzt auch dieſes erkannt, daß Uns, dieſem ungluͤcklich Gebohrnen und noch ungluͤcklicher Aufge- wachſenen, keine andre Huͤlfe zu erweiſen uͤbrig blieb, als ihn in derſelben Wonung, wo wir ihn eingeſchloſſen gefunden hatten, zu laſſen, und ihm alles moͤgliche menſchliche Vergnuͤgen zu verſchaffen.
Wirklich erteilten Wir auch ſogleich Unſre Befele daruͤber, obgleich hiebei ſeine Sinne nicht einmal einen beſſeren Zuſtand in Ver- gleich gegen den vorhergegangenen mehr fo- derten. Denn er kannte weder jemanden, noch hatte er Ueberlegungskraft genug, das Gute von dem Boͤſen zu unterſcheiden; ſo wie er auch nicht vermoͤgend war, ſich die Zeit durch Buͤcherleſen zu vertreiben, ſondern ſeine einzige Gluͤckſeligkeit darein ſetzte, ſich an denen Gedanken zu ergoͤtzen, die der Mangel menſch- lichen Nachdenkens in ihm hervorbrachte.
Damit indeſſen kein verwegener Boͤſewicht ſich etwa moͤchte geluͤſten laſſen, ihn aus irgend einer Abſicht zu beunruhigen, oder ſich ſeiner Perſon zu Erregung einiger Unruhen unter dem Volke zu bedienen: ſo hatten Wir befo- len, ihm eine zuverlaͤßige Wache, nebſt zwei
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Neuv. Rußl.II.Th. Q
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des Mirowitſch.
haben geſehen, wie heftig Wir bei dieſem An-
blicke von Mitleid und Gefuͤhle der Menſchheit
durchdrungen worden: alle haben zuletzt auch
dieſes erkannt, daß Uns, dieſem ungluͤcklich
Gebohrnen und noch ungluͤcklicher Aufge-
wachſenen, keine andre Huͤlfe zu erweiſen uͤbrig
blieb, als ihn in derſelben Wonung, wo wir
ihn eingeſchloſſen gefunden hatten, zu laſſen,
und ihm alles moͤgliche menſchliche Vergnuͤgen
zu verſchaffen.
Wirklich erteilten Wir auch ſogleich Unſre
Befele daruͤber, obgleich hiebei ſeine Sinne
nicht einmal einen beſſeren Zuſtand in Ver-
gleich gegen den vorhergegangenen mehr fo-
derten. Denn er kannte weder jemanden,
noch hatte er Ueberlegungskraft genug, das
Gute von dem Boͤſen zu unterſcheiden; ſo wie
er auch nicht vermoͤgend war, ſich die Zeit
durch Buͤcherleſen zu vertreiben, ſondern ſeine
einzige Gluͤckſeligkeit darein ſetzte, ſich an denen
Gedanken zu ergoͤtzen, die der Mangel menſch-
lichen Nachdenkens in ihm hervorbrachte.
Damit indeſſen kein verwegener Boͤſewicht
ſich etwa moͤchte geluͤſten laſſen, ihn aus irgend
einer Abſicht zu beunruhigen, oder ſich ſeiner
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[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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