Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Kinderhaus u. Accouchier-Hospital
weitläuftigen Einrichtung nur einer einzigen Per-
son anvertrauet wird, geschiehet blos aus dem
durch die Erfahrung so oft bewährten Grunde, daß,
wo verschiedene Köpfe, auch verschiedene Sinne
sind, wodurch mer Uneinigkeit, Streit und über-
flüßige Ausgaben zu befürchten, als gute Ord-
nung zu erwarten stehet. Hierbei wird auch als
notwendig angesehen, daß eine solche Person bereits
bei Jaren und verheiratet sei: denn würde man zu
diesem Amte einen ledigen und noch dazu jungen
Menschen bestellen; so könnte doch, gesetzt daß er
auch alle erforderliche Eigenschaften besäße, durch
einen oder den andern Umstand die festgestellte Ord-
nung unterbrochen werden, und also der von dieser
Stiftung zu erwartende Nutzen hinwegfallen. Da-
hero hat man bei der Vergebung dieses so wichtigen
Amtes besonders auf die Würdigkeit und Geschick-
lichkeit der Person, nicht auf deren Geburt, und
am allerwenigsten auf irgend eine Recommenda-
tion
, zu sehen.

Einem solchen Mann, von dem hier die Rede
ist, wird ohne alle Gefar die ganze Verwaltung
anvertraut werden können: ja man wird sich auch
auf seine Untergebenen in Ansehung der ihnen ob-
liegenden Pflichten verlassen dürfen, indem bei ih-
rer Wahl nicht weniger auf ihre Fähigkeit und
guten Wandel gesehen werden wird. Noch ist zu
Folge der Regel in der Philosophie, daß man ohne

Noth

I. Kinderhaus u. Accouchier-Hoſpital
weitlaͤuftigen Einrichtung nur einer einzigen Per-
ſon anvertrauet wird, geſchiehet blos aus dem
durch die Erfahrung ſo oft bewaͤhrten Grunde, daß,
wo verſchiedene Koͤpfe, auch verſchiedene Sinne
ſind, wodurch mer Uneinigkeit, Streit und uͤber-
fluͤßige Ausgaben zu befuͤrchten, als gute Ord-
nung zu erwarten ſtehet. Hierbei wird auch als
notwendig angeſehen, daß eine ſolche Perſon bereits
bei Jaren und verheiratet ſei: denn wuͤrde man zu
dieſem Amte einen ledigen und noch dazu jungen
Menſchen beſtellen; ſo koͤnnte doch, geſetzt daß er
auch alle erforderliche Eigenſchaften beſaͤße, durch
einen oder den andern Umſtand die feſtgeſtellte Ord-
nung unterbrochen werden, und alſo der von dieſer
Stiftung zu erwartende Nutzen hinwegfallen. Da-
hero hat man bei der Vergebung dieſes ſo wichtigen
Amtes beſonders auf die Wuͤrdigkeit und Geſchick-
lichkeit der Perſon, nicht auf deren Geburt, und
am allerwenigſten auf irgend eine Recommenda-
tion
, zu ſehen.

Einem ſolchen Mann, von dem hier die Rede
iſt, wird ohne alle Gefar die ganze Verwaltung
anvertraut werden koͤnnen: ja man wird ſich auch
auf ſeine Untergebenen in Anſehung der ihnen ob-
liegenden Pflichten verlaſſen duͤrfen, indem bei ih-
rer Wahl nicht weniger auf ihre Faͤhigkeit und
guten Wandel geſehen werden wird. Noch iſt zu
Folge der Regel in der Philoſophie, daß man ohne

Noth
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Kinderhaus u. Accouchier-Ho&#x017F;pital</hi></fw><lb/>
weitla&#x0364;uftigen Einrichtung nur einer einzigen Per-<lb/>
&#x017F;on anvertrauet wird, ge&#x017F;chiehet blos aus dem<lb/>
durch die Erfahrung &#x017F;o oft bewa&#x0364;hrten Grunde, daß,<lb/>
wo ver&#x017F;chiedene Ko&#x0364;pfe, auch ver&#x017F;chiedene Sinne<lb/>
&#x017F;ind, wodurch mer Uneinigkeit, Streit und u&#x0364;ber-<lb/>
flu&#x0364;ßige Ausgaben zu befu&#x0364;rchten, als gute Ord-<lb/>
nung zu erwarten &#x017F;tehet. Hierbei wird auch als<lb/>
notwendig ange&#x017F;ehen, daß eine &#x017F;olche Per&#x017F;on bereits<lb/>
bei Jaren und verheiratet &#x017F;ei: denn wu&#x0364;rde man zu<lb/>
die&#x017F;em Amte einen ledigen und noch dazu jungen<lb/>
Men&#x017F;chen be&#x017F;tellen; &#x017F;o ko&#x0364;nnte doch, ge&#x017F;etzt daß er<lb/>
auch alle erforderliche Eigen&#x017F;chaften be&#x017F;a&#x0364;ße, durch<lb/>
einen oder den andern Um&#x017F;tand die fe&#x017F;tge&#x017F;tellte Ord-<lb/>
nung unterbrochen werden, und al&#x017F;o der von die&#x017F;er<lb/>
Stiftung zu erwartende Nutzen hinwegfallen. Da-<lb/>
hero hat man bei der Vergebung die&#x017F;es &#x017F;o wichtigen<lb/>
Amtes be&#x017F;onders auf die Wu&#x0364;rdigkeit und Ge&#x017F;chick-<lb/>
lichkeit der Per&#x017F;on, nicht auf deren Geburt, und<lb/>
am allerwenig&#x017F;ten auf irgend eine <hi rendition="#fr">Recommenda-<lb/>
tion</hi>, zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Einem <hi rendition="#fr">&#x017F;olchen</hi> Mann, von dem hier die Rede<lb/>
i&#x017F;t, wird ohne alle Gefar die ganze Verwaltung<lb/>
anvertraut werden ko&#x0364;nnen: ja man wird &#x017F;ich auch<lb/>
auf &#x017F;eine Untergebenen in An&#x017F;ehung der ihnen ob-<lb/>
liegenden Pflichten verla&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;rfen, indem bei ih-<lb/>
rer Wahl nicht weniger auf ihre <hi rendition="#fr">Fa&#x0364;higkeit</hi> und<lb/>
guten Wandel ge&#x017F;ehen werden wird. Noch i&#x017F;t zu<lb/>
Folge der Regel in der Philo&#x017F;ophie, daß man ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Noth</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0038] I. Kinderhaus u. Accouchier-Hoſpital weitlaͤuftigen Einrichtung nur einer einzigen Per- ſon anvertrauet wird, geſchiehet blos aus dem durch die Erfahrung ſo oft bewaͤhrten Grunde, daß, wo verſchiedene Koͤpfe, auch verſchiedene Sinne ſind, wodurch mer Uneinigkeit, Streit und uͤber- fluͤßige Ausgaben zu befuͤrchten, als gute Ord- nung zu erwarten ſtehet. Hierbei wird auch als notwendig angeſehen, daß eine ſolche Perſon bereits bei Jaren und verheiratet ſei: denn wuͤrde man zu dieſem Amte einen ledigen und noch dazu jungen Menſchen beſtellen; ſo koͤnnte doch, geſetzt daß er auch alle erforderliche Eigenſchaften beſaͤße, durch einen oder den andern Umſtand die feſtgeſtellte Ord- nung unterbrochen werden, und alſo der von dieſer Stiftung zu erwartende Nutzen hinwegfallen. Da- hero hat man bei der Vergebung dieſes ſo wichtigen Amtes beſonders auf die Wuͤrdigkeit und Geſchick- lichkeit der Perſon, nicht auf deren Geburt, und am allerwenigſten auf irgend eine Recommenda- tion, zu ſehen. Einem ſolchen Mann, von dem hier die Rede iſt, wird ohne alle Gefar die ganze Verwaltung anvertraut werden koͤnnen: ja man wird ſich auch auf ſeine Untergebenen in Anſehung der ihnen ob- liegenden Pflichten verlaſſen duͤrfen, indem bei ih- rer Wahl nicht weniger auf ihre Faͤhigkeit und guten Wandel geſehen werden wird. Noch iſt zu Folge der Regel in der Philoſophie, daß man ohne Noth

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/38
Zitationshilfe: [Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/38>, abgerufen am 28.04.2024.