Ohne Zweifel ist der in der ganzen Welt ange- nommene Satz wahr, daß die gute oder böse Ge- mütsbeschaffenheit eines jeden Menschen seine ganze Lebenszeit hindurch von seiner ersten entweder guten oder schlechten Erziehung abhänge. Aus diesem Grunde schmeichle ich mir, daß man die Stiftung dieses Hauses nicht für unnötig ansehen wird: zu- mal alle Vorsorge und Kosten bei der Erziehung dieser Kinder sehr schlecht angewandt seyn würden, wenn man selbige nicht immer beschäftigen und zur Arbeit angewöhnen wollte, sondern in lauter Müs- siggang und Mutwillen aufwachsen, und zuletzt, ohne daß sie dem gemeinen Wesen in etwas nützlich seyn könnten, heraus ließe. Der allgemeinen Mei- nung zufolge, welche auch bei diesem Kinderhause zum Grunde gelegt worden, können schon Kinder von 4 bis 5 Jahren zur Arbeit angehalten werden; nicht zwar in der Absicht, als ob sie sich schon ihr Brod verdienen sollten, sondern vielmer nur, um sie von Jugend auf zum Fleiße anzugewöhnen.
So wie die Kinder an Alter und Kräften zu- genommen, und sich zur Arbeit schon ziemlich wer- den gewöhnet haben, wird man die Knaben, nach Beschaffenheit der Umstände und eines jeden Nei- gung, zu Handwerksleuten von gutem Leben und Wandel, die man besonders hierzu wälen wird, in die Lehre geben, und solche Handtierungen erlernen lassen, die zwar nur gemein, aber doch notwendig,
und
B 3
in Moſkau.
Ohne Zweifel iſt der in der ganzen Welt ange- nommene Satz wahr, daß die gute oder boͤſe Ge- muͤtsbeſchaffenheit eines jeden Menſchen ſeine ganze Lebenszeit hindurch von ſeiner erſten entweder guten oder ſchlechten Erziehung abhaͤnge. Aus dieſem Grunde ſchmeichle ich mir, daß man die Stiftung dieſes Hauſes nicht fuͤr unnoͤtig anſehen wird: zu- mal alle Vorſorge und Koſten bei der Erziehung dieſer Kinder ſehr ſchlecht angewandt ſeyn wuͤrden, wenn man ſelbige nicht immer beſchaͤftigen und zur Arbeit angewoͤhnen wollte, ſondern in lauter Muͤſ- ſiggang und Mutwillen aufwachſen, und zuletzt, ohne daß ſie dem gemeinen Weſen in etwas nuͤtzlich ſeyn koͤnnten, heraus ließe. Der allgemeinen Mei- nung zufolge, welche auch bei dieſem Kinderhauſe zum Grunde gelegt worden, koͤnnen ſchon Kinder von 4 bis 5 Jahren zur Arbeit angehalten werden; nicht zwar in der Abſicht, als ob ſie ſich ſchon ihr Brod verdienen ſollten, ſondern vielmer nur, um ſie von Jugend auf zum Fleiße anzugewoͤhnen.
So wie die Kinder an Alter und Kraͤften zu- genommen, und ſich zur Arbeit ſchon ziemlich wer- den gewoͤhnet haben, wird man die Knaben, nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde und eines jeden Nei- gung, zu Handwerksleuten von gutem Leben und Wandel, die man beſonders hierzu waͤlen wird, in die Lehre geben, und ſolche Handtierungen erlernen laſſen, die zwar nur gemein, aber doch notwendig,
und
B 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0041"n="21"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in Moſkau.</hi></fw><lb/><p>Ohne Zweifel iſt der in der ganzen Welt ange-<lb/>
nommene Satz wahr, daß die gute oder boͤſe Ge-<lb/>
muͤtsbeſchaffenheit eines jeden Menſchen ſeine ganze<lb/>
Lebenszeit hindurch von ſeiner erſten entweder guten<lb/>
oder ſchlechten Erziehung abhaͤnge. Aus dieſem<lb/>
Grunde ſchmeichle ich mir, daß man die Stiftung<lb/>
dieſes Hauſes nicht fuͤr unnoͤtig anſehen wird: zu-<lb/>
mal alle Vorſorge und Koſten bei der Erziehung<lb/>
dieſer Kinder ſehr ſchlecht angewandt ſeyn wuͤrden,<lb/>
wenn man ſelbige nicht immer beſchaͤftigen und zur<lb/>
Arbeit angewoͤhnen wollte, ſondern in lauter Muͤſ-<lb/>ſiggang und Mutwillen aufwachſen, und zuletzt,<lb/>
ohne daß ſie dem gemeinen Weſen in etwas nuͤtzlich<lb/>ſeyn koͤnnten, heraus ließe. Der allgemeinen Mei-<lb/>
nung zufolge, welche auch bei dieſem Kinderhauſe<lb/>
zum Grunde gelegt worden, koͤnnen ſchon Kinder<lb/>
von 4 bis 5 Jahren zur Arbeit angehalten werden;<lb/>
nicht zwar in der Abſicht, als ob ſie ſich ſchon ihr<lb/>
Brod verdienen ſollten, ſondern vielmer nur, um<lb/>ſie von Jugend auf zum Fleiße anzugewoͤhnen.</p><lb/><p>So wie die Kinder an Alter und Kraͤften zu-<lb/>
genommen, und ſich zur Arbeit ſchon ziemlich wer-<lb/>
den gewoͤhnet haben, wird man die Knaben, nach<lb/>
Beſchaffenheit der Umſtaͤnde und eines jeden Nei-<lb/>
gung, zu Handwerksleuten von gutem Leben und<lb/>
Wandel, die man beſonders hierzu waͤlen wird, in<lb/>
die Lehre geben, und ſolche Handtierungen erlernen<lb/>
laſſen, die zwar nur gemein, aber doch notwendig,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[21/0041]
in Moſkau.
Ohne Zweifel iſt der in der ganzen Welt ange-
nommene Satz wahr, daß die gute oder boͤſe Ge-
muͤtsbeſchaffenheit eines jeden Menſchen ſeine ganze
Lebenszeit hindurch von ſeiner erſten entweder guten
oder ſchlechten Erziehung abhaͤnge. Aus dieſem
Grunde ſchmeichle ich mir, daß man die Stiftung
dieſes Hauſes nicht fuͤr unnoͤtig anſehen wird: zu-
mal alle Vorſorge und Koſten bei der Erziehung
dieſer Kinder ſehr ſchlecht angewandt ſeyn wuͤrden,
wenn man ſelbige nicht immer beſchaͤftigen und zur
Arbeit angewoͤhnen wollte, ſondern in lauter Muͤſ-
ſiggang und Mutwillen aufwachſen, und zuletzt,
ohne daß ſie dem gemeinen Weſen in etwas nuͤtzlich
ſeyn koͤnnten, heraus ließe. Der allgemeinen Mei-
nung zufolge, welche auch bei dieſem Kinderhauſe
zum Grunde gelegt worden, koͤnnen ſchon Kinder
von 4 bis 5 Jahren zur Arbeit angehalten werden;
nicht zwar in der Abſicht, als ob ſie ſich ſchon ihr
Brod verdienen ſollten, ſondern vielmer nur, um
ſie von Jugend auf zum Fleiße anzugewoͤhnen.
So wie die Kinder an Alter und Kraͤften zu-
genommen, und ſich zur Arbeit ſchon ziemlich wer-
den gewoͤhnet haben, wird man die Knaben, nach
Beſchaffenheit der Umſtaͤnde und eines jeden Nei-
gung, zu Handwerksleuten von gutem Leben und
Wandel, die man beſonders hierzu waͤlen wird, in
die Lehre geben, und ſolche Handtierungen erlernen
laſſen, die zwar nur gemein, aber doch notwendig,
und
B 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/41>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.