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[Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772.

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I. Kinderhaus u. Accouchier-Hospital
und mit wenigen Kosten verknüpft sind. Hier-
nächst wird man sich mit allem Fleiß bemühen, sol-
che nützliche Gewerke anzulegen, welche bishero noch
nicht gewesen, und nur eigentlich mit dieser Stif-
tung bestehen können: doch verstehet sich hierunter
nicht, daß diese Kinder von den übrigen bessern
Proseßionen und Künsten ausgeschlossen seyn sollten.
Es ist nicht zu zweifeln, daß unter einer so großen
Anzal von Kindern einige nicht auch Witz genug
und besondre Naturgaben zu Erlernung höherer
Wissenschaften und Künste haben sollten. Finden
sich solche (man verstehet hierunter so wol Knaben
als Mädchen): so wird man nicht nur ihren Trieb
nicht unterdrücken, sondern vielmer denselben auf
alle mögliche Weise aufmuntern, und nach genaue-
ster Prüfung ihrer Fähigkeit ihnen mit allen Mit-
teln zuvorkommen und an die Hand gehen, damit
sie zu nützlichen Kenntnissen gelangen können.

Mit eben derselben Sorgfalt und Ordnung,
wie das männliche Geschlecht, wird auch das weib-
liche erzogen werden. Die Verwahrlosung dieses
letztern würde eben so unbillig als unbedachtsam
und schädlich seyn. Dahero wird man bei der Er-
ziehung auch auf den Wolstand des Geschlechtes
sein Augenmerk richten, und einem jeden Mädchen
nach seinem Alter den benötigten Unterricht ertei-
len. Man wird bei diesen eben so, wie bei den
Knaben zur Oberaufseherin eine solche verheiratete

Frau

I. Kinderhaus u. Accouchier-Hoſpital
und mit wenigen Koſten verknuͤpft ſind. Hier-
naͤchſt wird man ſich mit allem Fleiß bemuͤhen, ſol-
che nuͤtzliche Gewerke anzulegen, welche bishero noch
nicht geweſen, und nur eigentlich mit dieſer Stif-
tung beſtehen koͤnnen: doch verſtehet ſich hierunter
nicht, daß dieſe Kinder von den uͤbrigen beſſern
Proſeßionen und Kuͤnſten ausgeſchloſſen ſeyn ſollten.
Es iſt nicht zu zweifeln, daß unter einer ſo großen
Anzal von Kindern einige nicht auch Witz genug
und beſondre Naturgaben zu Erlernung hoͤherer
Wiſſenſchaften und Kuͤnſte haben ſollten. Finden
ſich ſolche (man verſtehet hierunter ſo wol Knaben
als Maͤdchen): ſo wird man nicht nur ihren Trieb
nicht unterdruͤcken, ſondern vielmer denſelben auf
alle moͤgliche Weiſe aufmuntern, und nach genaue-
ſter Pruͤfung ihrer Faͤhigkeit ihnen mit allen Mit-
teln zuvorkommen und an die Hand gehen, damit
ſie zu nuͤtzlichen Kenntniſſen gelangen koͤnnen.

Mit eben derſelben Sorgfalt und Ordnung,
wie das maͤnnliche Geſchlecht, wird auch das weib-
liche erzogen werden. Die Verwahrloſung dieſes
letztern wuͤrde eben ſo unbillig als unbedachtſam
und ſchaͤdlich ſeyn. Dahero wird man bei der Er-
ziehung auch auf den Wolſtand des Geſchlechtes
ſein Augenmerk richten, und einem jeden Maͤdchen
nach ſeinem Alter den benoͤtigten Unterricht ertei-
len. Man wird bei dieſen eben ſo, wie bei den
Knaben zur Oberaufſeherin eine ſolche verheiratete

Frau
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[22/0042] I. Kinderhaus u. Accouchier-Hoſpital und mit wenigen Koſten verknuͤpft ſind. Hier- naͤchſt wird man ſich mit allem Fleiß bemuͤhen, ſol- che nuͤtzliche Gewerke anzulegen, welche bishero noch nicht geweſen, und nur eigentlich mit dieſer Stif- tung beſtehen koͤnnen: doch verſtehet ſich hierunter nicht, daß dieſe Kinder von den uͤbrigen beſſern Proſeßionen und Kuͤnſten ausgeſchloſſen ſeyn ſollten. Es iſt nicht zu zweifeln, daß unter einer ſo großen Anzal von Kindern einige nicht auch Witz genug und beſondre Naturgaben zu Erlernung hoͤherer Wiſſenſchaften und Kuͤnſte haben ſollten. Finden ſich ſolche (man verſtehet hierunter ſo wol Knaben als Maͤdchen): ſo wird man nicht nur ihren Trieb nicht unterdruͤcken, ſondern vielmer denſelben auf alle moͤgliche Weiſe aufmuntern, und nach genaue- ſter Pruͤfung ihrer Faͤhigkeit ihnen mit allen Mit- teln zuvorkommen und an die Hand gehen, damit ſie zu nuͤtzlichen Kenntniſſen gelangen koͤnnen. Mit eben derſelben Sorgfalt und Ordnung, wie das maͤnnliche Geſchlecht, wird auch das weib- liche erzogen werden. Die Verwahrloſung dieſes letztern wuͤrde eben ſo unbillig als unbedachtſam und ſchaͤdlich ſeyn. Dahero wird man bei der Er- ziehung auch auf den Wolſtand des Geſchlechtes ſein Augenmerk richten, und einem jeden Maͤdchen nach ſeinem Alter den benoͤtigten Unterricht ertei- len. Man wird bei dieſen eben ſo, wie bei den Knaben zur Oberaufſeherin eine ſolche verheiratete Frau

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Zitationshilfe: [Schlözer, August Ludwig von]: Neuverändertes Rußland oder Leben Catharinä der Zweyten Kayserinn von Rußland. Bd. 2. Riga u. a., 1772, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haigold_russland02_1772/42>, abgerufen am 29.04.2024.