ausgedehnten Gefässen müssen zusammengedrükt wer- den: wird der Nerve zusammengedrükt, so verlieret der Muskel seine Kraft, und folglich wird auch das Herz aus dieser Ursache, und aus Mangel der herbeifliessenden Nervenfeuchtigkeit, nicht mehr zusammengezogen. Fer- ner wird auch das Blut aus dem verengerten Herzen in die Aorte gepresset: diese Blutwelle dehnet die vor den Kranzschlagadern befindliche Klappen aus einander, und verschliesset also die Mündungen dieser Schlagadern, daß sie kein Blut mehr aufnehmen können. Solchergestalt wird auch die zwote Ursache des Herzschlages vernichtet; es wird nämlich der Zufluß des Schlagaderblutes, ohne welchen die Muskeln in der That nicht wirken können, zurükgehalten. Da nun auf diese Art beide bewegende Ursachen dem Herzen entzogen werden, so muß dasselbe nothwendig schlaff werden und stille stehen.
Jndem nun aber das Herz schlaff wird, so ziehen sich die Schlagadern, die Aorte, und Lungenschlagader, ver- möge derjenigen Kraft die ihnen eigen ist, zusammen, und treiben also das aus dem Herzen empfangene Blut wie- der heraus: folglich werden ihre Durchmesser kleiner, der Zwischenraum grösser, und die bisher zusammenge- drükte Nerven kommen wieder in Freiheit, die nach dem Herzen zurükke kehrende Flüßigkeit findet einen offenen Weg vor sich, und das Herz erhält wiederum die erste Ur- sache zu einer neuen Bewegung. Eben diese Zusammen- ziehung der Aorte treibt das Blut in die Kranzschlag- adern, indem dasselbe, nachdem es von der Aorte zurükke gestossen worden, gegen die Klappentiefen (sinus valvu- losi) getrieben wird, und in diesen Tiefen in die offene Mündungen derer Kranzschlagadern tritt, und sodann in ihre Aeste, und endlich in das Fleisch des Herzens gelan- get. Solchergestalt entstehet die zweite Ursache der Zu- sammenziehung des Herzens wieder von neuen, nämlich der Vorrath von Schlagaderblute, und es folgt hier-
aus,
Urſachen des Herzſchlages.
ausgedehnten Gefaͤſſen muͤſſen zuſammengedruͤkt wer- den: wird der Nerve zuſammengedruͤkt, ſo verlieret der Muskel ſeine Kraft, und folglich wird auch das Herz aus dieſer Urſache, und aus Mangel der herbeiflieſſenden Nervenfeuchtigkeit, nicht mehr zuſammengezogen. Fer- ner wird auch das Blut aus dem verengerten Herzen in die Aorte gepreſſet: dieſe Blutwelle dehnet die vor den Kranzſchlagadern befindliche Klappen aus einander, und verſchlieſſet alſo die Muͤndungen dieſer Schlagadern, daß ſie kein Blut mehr aufnehmen koͤnnen. Solchergeſtalt wird auch die zwote Urſache des Herzſchlages vernichtet; es wird naͤmlich der Zufluß des Schlagaderblutes, ohne welchen die Muskeln in der That nicht wirken koͤnnen, zuruͤkgehalten. Da nun auf dieſe Art beide bewegende Urſachen dem Herzen entzogen werden, ſo muß daſſelbe nothwendig ſchlaff werden und ſtille ſtehen.
Jndem nun aber das Herz ſchlaff wird, ſo ziehen ſich die Schlagadern, die Aorte, und Lungenſchlagader, ver- moͤge derjenigen Kraft die ihnen eigen iſt, zuſammen, und treiben alſo das aus dem Herzen empfangene Blut wie- der heraus: folglich werden ihre Durchmeſſer kleiner, der Zwiſchenraum groͤſſer, und die bisher zuſammenge- druͤkte Nerven kommen wieder in Freiheit, die nach dem Herzen zuruͤkke kehrende Fluͤßigkeit findet einen offenen Weg vor ſich, und das Herz erhaͤlt wiederum die erſte Ur- ſache zu einer neuen Bewegung. Eben dieſe Zuſammen- ziehung der Aorte treibt das Blut in die Kranzſchlag- adern, indem daſſelbe, nachdem es von der Aorte zuruͤkke geſtoſſen worden, gegen die Klappentiefen (ſinus valvu- loſi) getrieben wird, und in dieſen Tiefen in die offene Muͤndungen derer Kranzſchlagadern tritt, und ſodann in ihre Aeſte, und endlich in das Fleiſch des Herzens gelan- get. Solchergeſtalt entſtehet die zweite Urſache der Zu- ſammenziehung des Herzens wieder von neuen, naͤmlich der Vorrath von Schlagaderblute, und es folgt hier-
aus,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f1015"n="959"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Urſachen des Herzſchlages.</hi></fw><lb/>
ausgedehnten Gefaͤſſen muͤſſen zuſammengedruͤkt wer-<lb/>
den: wird der Nerve zuſammengedruͤkt, ſo verlieret der<lb/>
Muskel ſeine Kraft, und folglich wird auch das Herz<lb/>
aus dieſer Urſache, und aus Mangel der herbeiflieſſenden<lb/>
Nervenfeuchtigkeit, nicht mehr zuſammengezogen. Fer-<lb/>
ner wird auch das Blut aus dem verengerten Herzen in<lb/>
die Aorte gepreſſet: dieſe Blutwelle dehnet die vor den<lb/>
Kranzſchlagadern befindliche Klappen aus einander, und<lb/>
verſchlieſſet alſo die Muͤndungen dieſer Schlagadern, daß<lb/>ſie kein Blut mehr aufnehmen koͤnnen. Solchergeſtalt<lb/>
wird auch die zwote Urſache des Herzſchlages vernichtet;<lb/>
es wird naͤmlich der Zufluß des Schlagaderblutes, ohne<lb/>
welchen die Muskeln in der That nicht wirken koͤnnen,<lb/>
zuruͤkgehalten. Da nun auf dieſe Art beide bewegende<lb/>
Urſachen dem Herzen entzogen werden, ſo muß daſſelbe<lb/>
nothwendig ſchlaff werden und ſtille ſtehen.</p><lb/><p>Jndem nun aber das Herz ſchlaff wird, ſo ziehen ſich<lb/>
die Schlagadern, die Aorte, und Lungenſchlagader, ver-<lb/>
moͤge derjenigen Kraft die ihnen eigen iſt, zuſammen, und<lb/>
treiben alſo das aus dem Herzen empfangene Blut wie-<lb/>
der heraus: folglich werden ihre Durchmeſſer kleiner,<lb/>
der Zwiſchenraum groͤſſer, und die bisher zuſammenge-<lb/>
druͤkte Nerven kommen wieder in Freiheit, die nach dem<lb/>
Herzen zuruͤkke kehrende Fluͤßigkeit findet einen offenen<lb/>
Weg vor ſich, und das Herz erhaͤlt wiederum die erſte Ur-<lb/>ſache zu einer neuen Bewegung. Eben dieſe Zuſammen-<lb/>
ziehung der Aorte treibt das Blut in die Kranzſchlag-<lb/>
adern, indem daſſelbe, nachdem es von der Aorte zuruͤkke<lb/>
geſtoſſen worden, gegen die Klappentiefen (<hirendition="#aq">ſinus valvu-<lb/>
loſi</hi>) getrieben wird, und in dieſen Tiefen in die offene<lb/>
Muͤndungen derer Kranzſchlagadern tritt, und ſodann in<lb/>
ihre Aeſte, und endlich in das Fleiſch des Herzens gelan-<lb/>
get. Solchergeſtalt entſtehet die zweite Urſache der Zu-<lb/>ſammenziehung des Herzens wieder von neuen, naͤmlich<lb/>
der Vorrath von Schlagaderblute, und es folgt hier-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">aus,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[959/1015]
Urſachen des Herzſchlages.
ausgedehnten Gefaͤſſen muͤſſen zuſammengedruͤkt wer-
den: wird der Nerve zuſammengedruͤkt, ſo verlieret der
Muskel ſeine Kraft, und folglich wird auch das Herz
aus dieſer Urſache, und aus Mangel der herbeiflieſſenden
Nervenfeuchtigkeit, nicht mehr zuſammengezogen. Fer-
ner wird auch das Blut aus dem verengerten Herzen in
die Aorte gepreſſet: dieſe Blutwelle dehnet die vor den
Kranzſchlagadern befindliche Klappen aus einander, und
verſchlieſſet alſo die Muͤndungen dieſer Schlagadern, daß
ſie kein Blut mehr aufnehmen koͤnnen. Solchergeſtalt
wird auch die zwote Urſache des Herzſchlages vernichtet;
es wird naͤmlich der Zufluß des Schlagaderblutes, ohne
welchen die Muskeln in der That nicht wirken koͤnnen,
zuruͤkgehalten. Da nun auf dieſe Art beide bewegende
Urſachen dem Herzen entzogen werden, ſo muß daſſelbe
nothwendig ſchlaff werden und ſtille ſtehen.
Jndem nun aber das Herz ſchlaff wird, ſo ziehen ſich
die Schlagadern, die Aorte, und Lungenſchlagader, ver-
moͤge derjenigen Kraft die ihnen eigen iſt, zuſammen, und
treiben alſo das aus dem Herzen empfangene Blut wie-
der heraus: folglich werden ihre Durchmeſſer kleiner,
der Zwiſchenraum groͤſſer, und die bisher zuſammenge-
druͤkte Nerven kommen wieder in Freiheit, die nach dem
Herzen zuruͤkke kehrende Fluͤßigkeit findet einen offenen
Weg vor ſich, und das Herz erhaͤlt wiederum die erſte Ur-
ſache zu einer neuen Bewegung. Eben dieſe Zuſammen-
ziehung der Aorte treibt das Blut in die Kranzſchlag-
adern, indem daſſelbe, nachdem es von der Aorte zuruͤkke
geſtoſſen worden, gegen die Klappentiefen (ſinus valvu-
loſi) getrieben wird, und in dieſen Tiefen in die offene
Muͤndungen derer Kranzſchlagadern tritt, und ſodann in
ihre Aeſte, und endlich in das Fleiſch des Herzens gelan-
get. Solchergeſtalt entſtehet die zweite Urſache der Zu-
ſammenziehung des Herzens wieder von neuen, naͤmlich
der Vorrath von Schlagaderblute, und es folgt hier-
aus,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/1015>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.