die man an gesunden Personen niemals zu sehen bekömt. Selbst auch das Herze wird in den Körpern dererjenigen, die an bösartigen Fiebern gestorben sind, sehr roth ge- färbt angetroffen (q). Und solcher Beispiele hat man noch eine sehr grosse Anzal.
Daher schloß mein Lehrer, daß, gleichwie es Flüs- sigkeiten im Körper gebe, die viel dünner als das Blut sind, also habe auch die Natur für diese Feuchtigkeiten besondre Gefässe gebildet, sowol Schlagadern, die mit den rothen in eins fortgehen, und die von dem Zweig- lein der kleinsten rothen Schlagader, wie gleichsam von ihrer Aorte, diese Flüßigkeiten an ihre gehörige Oerter überbringen müsten; als auch Blutäderchen, welche von den vorigen Schlagäderchen das nüzliche, so noch übrig geblieben, in die Blutmasse wieder zurükführen müsten.
Diese Theorie ist mit dem grösten Beifalle aufgenommen worden, und es haben beinahe seit vierzig Jahren we- nig phisiologische Schriftsteller in Europa gelebt, welche anders gedacht hätten. Jch führe hier einige Namen von den berühmtesten Männern an, die dieser Börhaavi- schen Meinung beigepflichtet haben (r), viele andere aber habe ich noch hinweggelassen.
§. 30.
(q)[Spaltenumbruch]strvthivs de arte sphy- gmica.
(r)Franc. nicholls Compend. anat. oecon. S. 3. Clifton win- tringham der ältere de poda- gra 26. 36. Joh. Frid. Schrei- berElem. med. phys. math. L. II. c. 2. u. f. Aug. Fridr. Walther Streitschr. de inflammat. n. XI. J. Cl. Adrian HelvetiusOecon. anim. S. 6. 132. u. f. Hist. de l'Acad. des scienc. 1725. u. f. Joh. [Spaltenumbruch]
Baptist Senak in seinen ersteren Werken, als Essais de phys. S. 154. und du coeur T. II. S. 61. 62. Franz Quesnayde la Suppura- tion. S. 266. 273. und in der neuern Ausgabe de l'usage de la saignee. S. 61. Ger. v. SwietenDiss. in- aug. n. 6. und in Comment. ad aphor. pract. überall. Anton Va- lisneriOpp. T. II. S. 51. 52. (er nam nämlich limphatische Schlag- adern an). Jak. Benj. Winslow Exp. anat. T. IV. n. 600.
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
die man an geſunden Perſonen niemals zu ſehen bekoͤmt. Selbſt auch das Herze wird in den Koͤrpern dererjenigen, die an boͤsartigen Fiebern geſtorben ſind, ſehr roth ge- faͤrbt angetroffen (q). Und ſolcher Beiſpiele hat man noch eine ſehr groſſe Anzal.
Daher ſchloß mein Lehrer, daß, gleichwie es Fluͤſ- ſigkeiten im Koͤrper gebe, die viel duͤnner als das Blut ſind, alſo habe auch die Natur fuͤr dieſe Feuchtigkeiten beſondre Gefaͤſſe gebildet, ſowol Schlagadern, die mit den rothen in eins fortgehen, und die von dem Zweig- lein der kleinſten rothen Schlagader, wie gleichſam von ihrer Aorte, dieſe Fluͤßigkeiten an ihre gehoͤrige Oerter uͤberbringen muͤſten; als auch Blutaͤderchen, welche von den vorigen Schlagaͤderchen das nuͤzliche, ſo noch uͤbrig geblieben, in die Blutmaſſe wieder zuruͤkfuͤhren muͤſten.
Dieſe Theorie iſt mit dem groͤſten Beifalle aufgenommen worden, und es haben beinahe ſeit vierzig Jahren we- nig phiſiologiſche Schriftſteller in Europa gelebt, welche anders gedacht haͤtten. Jch fuͤhre hier einige Namen von den beruͤhmteſten Maͤnnern an, die dieſer Boͤrhaavi- ſchen Meinung beigepflichtet haben (r), viele andere aber habe ich noch hinweggelaſſen.
§. 30.
(q)[Spaltenumbruch]strvthivs de arte ſphy- gmica.
(r)Franc. nicholls Compend. anat. oecon. S. 3. Clifton win- tringham der aͤltere de poda- gra 26. 36. Joh. Frid. Schrei- berElem. med. phyſ. math. L. II. c. 2. u. f. Aug. Fridr. Walther Streitſchr. de inflammat. n. XI. J. Cl. Adrian HelvetiusOecon. anim. S. 6. 132. u. f. Hiſt. de l’Acad. des ſcienc. 1725. u. f. Joh. [Spaltenumbruch]
Baptiſt Senak in ſeinen erſteren Werken, als Eſſais de phyſ. S. 154. und du coeur T. II. S. 61. 62. Franz Quesnayde la Suppura- tion. S. 266. 273. und in der neuern Ausgabe de l’uſage de la ſaignée. S. 61. Ger. v. SwietenDiſſ. in- aug. n. 6. und in Comment. ad aphor. pract. uͤberall. Anton Va- lisneriOpp. T. II. S. 51. 52. (er nam naͤmlich limphatiſche Schlag- adern an). Jak. Benj. Winslow Exp. anat. T. IV. n. 600.
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[210/0266]
Zweites Buch. Gefaͤſſe.
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Selbſt auch das Herze wird in den Koͤrpern dererjenigen,
die an boͤsartigen Fiebern geſtorben ſind, ſehr roth ge-
faͤrbt angetroffen (q). Und ſolcher Beiſpiele hat man
noch eine ſehr groſſe Anzal.
Daher ſchloß mein Lehrer, daß, gleichwie es Fluͤſ-
ſigkeiten im Koͤrper gebe, die viel duͤnner als das Blut
ſind, alſo habe auch die Natur fuͤr dieſe Feuchtigkeiten
beſondre Gefaͤſſe gebildet, ſowol Schlagadern, die mit
den rothen in eins fortgehen, und die von dem Zweig-
lein der kleinſten rothen Schlagader, wie gleichſam von
ihrer Aorte, dieſe Fluͤßigkeiten an ihre gehoͤrige Oerter
uͤberbringen muͤſten; als auch Blutaͤderchen, welche von
den vorigen Schlagaͤderchen das nuͤzliche, ſo noch uͤbrig
geblieben, in die Blutmaſſe wieder zuruͤkfuͤhren muͤſten.
Dieſe Theorie iſt mit dem groͤſten Beifalle aufgenommen
worden, und es haben beinahe ſeit vierzig Jahren we-
nig phiſiologiſche Schriftſteller in Europa gelebt, welche
anders gedacht haͤtten. Jch fuͤhre hier einige Namen von
den beruͤhmteſten Maͤnnern an, die dieſer Boͤrhaavi-
ſchen Meinung beigepflichtet haben (r), viele andere
aber habe ich noch hinweggelaſſen.
§. 30.
(q)
strvthivs de arte ſphy-
gmica.
(r) Franc. nicholls Compend.
anat. oecon. S. 3. Clifton win-
tringham der aͤltere de poda-
gra 26. 36. Joh. Frid. Schrei-
ber Elem. med. phyſ. math. L. II.
c. 2. u. f. Aug. Fridr. Walther
Streitſchr. de inflammat. n. XI.
J. Cl. Adrian Helvetius Oecon.
anim. S. 6. 132. u. f. Hiſt. de
l’Acad. des ſcienc. 1725. u. f. Joh.
Baptiſt Senak in ſeinen erſteren
Werken, als Eſſais de phyſ. S.
154. und du coeur T. II. S. 61. 62.
Franz Quesnay de la Suppura-
tion. S. 266. 273. und in der neuern
Ausgabe de l’uſage de la ſaignée.
S. 61. Ger. v. Swieten Diſſ. in-
aug. n. 6. und in Comment. ad
aphor. pract. uͤberall. Anton Va-
lisneri Opp. T. II. S. 51. 52. (er
nam naͤmlich limphatiſche Schlag-
adern an). Jak. Benj. Winslow
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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