adern nur so obenhin ausgesprizzet worden, hingegen aber desto mehr gefärbte Gefässe zum Vorschein kommen, je tiefer und glüklicher der eingesprizte Saft sich hat aus- breiten können. Ein jeder ächter Liebhaber der War- heit wird demnach erkennen, es folge offenbar aus diesem Versuche, daß immer kleinere und kleinere Gefässe in ge- dachter grauen Substanz vorhanden seyn müssen, von welchen ein mittelmäßig glüklicher Zergliederer die ersten und stärkeren, hingegen die lezten nur eine ausserordent- liche Geschiklichkeit allein, mit Beihülfe eines leicht ein- dringenden Saftes, zu erweitern im Stande sey. Man könnte ebenfalls die weissen Gefässe des berühmten An- ton Ferreins(g) hieher rechnen, aus denen, wie er zeig- te, das meiste Eingeweide bestünde, und die niemals mit einigen gefärbten Safte können angefüllet werden.
Aus diesen zusammengenommenen Gründen glaube ich in der That, daß es kleinere, aus rothen Schlag- adern entstandene, aber durchscheinende Gefässe gebe, die durch kein Vergrösserungsglas können entdekket werden, welche, weil sie für Blutkügelchen zu enge sind, nothwen- dig zärtere Flüßigkeiten in sich enthalten müssen: und solchergestalt werden diese Gefässe ihre Stelle unter den Endigungen der rothen Schlagader wohl behaupten.
Was hingegen die Verirrung vom gewöhnlichen Or- te anbetrift, so ist dieselbe noch nicht zureichend erwiesen. Denn es ist gewiß, daß der Hauptgrund, der dieselbe be- stätigen soll, noch ziemlich schwach sey. Denn wenn Gefässe, die erst durchsichtig, und zugleich unsichtbar waren, von dem Blute oder gefärbtem Safte roth, und zugleich sichtbar werden, so sind darum diese Gefässe nicht vorher zu rothen Kügelchen zu enge, oder von einem an-
dern
(g) Es sind dieselben in denen Comment. Acad. scient. 1749. be- schrieben worden.
O 4
Schlagadern.
adern nur ſo obenhin ausgeſprizzet worden, hingegen aber deſto mehr gefaͤrbte Gefaͤſſe zum Vorſchein kommen, je tiefer und gluͤklicher der eingeſprizte Saft ſich hat aus- breiten koͤnnen. Ein jeder aͤchter Liebhaber der War- heit wird demnach erkennen, es folge offenbar aus dieſem Verſuche, daß immer kleinere und kleinere Gefaͤſſe in ge- dachter grauen Subſtanz vorhanden ſeyn muͤſſen, von welchen ein mittelmaͤßig gluͤklicher Zergliederer die erſten und ſtaͤrkeren, hingegen die lezten nur eine auſſerordent- liche Geſchiklichkeit allein, mit Beihuͤlfe eines leicht ein- dringenden Saftes, zu erweitern im Stande ſey. Man koͤnnte ebenfalls die weiſſen Gefaͤſſe des beruͤhmten An- ton Ferreins(g) hieher rechnen, aus denen, wie er zeig- te, das meiſte Eingeweide beſtuͤnde, und die niemals mit einigen gefaͤrbten Safte koͤnnen angefuͤllet werden.
Aus dieſen zuſammengenommenen Gruͤnden glaube ich in der That, daß es kleinere, aus rothen Schlag- adern entſtandene, aber durchſcheinende Gefaͤſſe gebe, die durch kein Vergroͤſſerungsglas koͤnnen entdekket werden, welche, weil ſie fuͤr Blutkuͤgelchen zu enge ſind, nothwen- dig zaͤrtere Fluͤßigkeiten in ſich enthalten muͤſſen: und ſolchergeſtalt werden dieſe Gefaͤſſe ihre Stelle unter den Endigungen der rothen Schlagader wohl behaupten.
Was hingegen die Verirrung vom gewoͤhnlichen Or- te anbetrift, ſo iſt dieſelbe noch nicht zureichend erwieſen. Denn es iſt gewiß, daß der Hauptgrund, der dieſelbe be- ſtaͤtigen ſoll, noch ziemlich ſchwach ſey. Denn wenn Gefaͤſſe, die erſt durchſichtig, und zugleich unſichtbar waren, von dem Blute oder gefaͤrbtem Safte roth, und zugleich ſichtbar werden, ſo ſind darum dieſe Gefaͤſſe nicht vorher zu rothen Kuͤgelchen zu enge, oder von einem an-
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(g) Es ſind dieſelben in denen Comment. Acad. ſcient. 1749. be- ſchrieben worden.
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Schlagadern.
adern nur ſo obenhin ausgeſprizzet worden, hingegen aber
deſto mehr gefaͤrbte Gefaͤſſe zum Vorſchein kommen, je
tiefer und gluͤklicher der eingeſprizte Saft ſich hat aus-
breiten koͤnnen. Ein jeder aͤchter Liebhaber der War-
heit wird demnach erkennen, es folge offenbar aus dieſem
Verſuche, daß immer kleinere und kleinere Gefaͤſſe in ge-
dachter grauen Subſtanz vorhanden ſeyn muͤſſen, von
welchen ein mittelmaͤßig gluͤklicher Zergliederer die erſten
und ſtaͤrkeren, hingegen die lezten nur eine auſſerordent-
liche Geſchiklichkeit allein, mit Beihuͤlfe eines leicht ein-
dringenden Saftes, zu erweitern im Stande ſey. Man
koͤnnte ebenfalls die weiſſen Gefaͤſſe des beruͤhmten An-
ton Ferreins (g) hieher rechnen, aus denen, wie er zeig-
te, das meiſte Eingeweide beſtuͤnde, und die niemals mit
einigen gefaͤrbten Safte koͤnnen angefuͤllet werden.
Aus dieſen zuſammengenommenen Gruͤnden glaube
ich in der That, daß es kleinere, aus rothen Schlag-
adern entſtandene, aber durchſcheinende Gefaͤſſe gebe, die
durch kein Vergroͤſſerungsglas koͤnnen entdekket werden,
welche, weil ſie fuͤr Blutkuͤgelchen zu enge ſind, nothwen-
dig zaͤrtere Fluͤßigkeiten in ſich enthalten muͤſſen: und
ſolchergeſtalt werden dieſe Gefaͤſſe ihre Stelle unter den
Endigungen der rothen Schlagader wohl behaupten.
Was hingegen die Verirrung vom gewoͤhnlichen Or-
te anbetrift, ſo iſt dieſelbe noch nicht zureichend erwieſen.
Denn es iſt gewiß, daß der Hauptgrund, der dieſelbe be-
ſtaͤtigen ſoll, noch ziemlich ſchwach ſey. Denn wenn
Gefaͤſſe, die erſt durchſichtig, und zugleich unſichtbar
waren, von dem Blute oder gefaͤrbtem Safte roth, und
zugleich ſichtbar werden, ſo ſind darum dieſe Gefaͤſſe nicht
vorher zu rothen Kuͤgelchen zu enge, oder von einem an-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/271>, abgerufen am 22.11.2024.
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